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Autoexperte warnt: Deutschland "vergammelt"

Bei VW ist der Arbeitskampf eingeläutet – während Management und Gewerkschaft um Löhne und Arbeitsplätze ringen, sieht ein Experte ganz andere Probleme: Deutschland und dessen Infrastruktur. China sei dabei die Lösung und nicht die Gefahr. Und: Welche Chancen er der österreichischen Industrie ausrechnet.

Ferdinand Dudenhöffer gilt als deutscher Auto-Papst. Der 73-Jährige ist deutscher Wirtschaftswissenschaftler und in der Branche haben seine Aussagen Gewicht. Im PULS 24 Interview spricht er auch zur VW-Krise Klartext: "VW ist zu stark auf Niedersachsen ausgerichtet". 

Denn rund 20 Prozent der Volkswagen AG gehören dem Land Niedersachsen, dort ist auch der Konzern-Hauptsitz in Wolfsburg. Deshalb sein Vorschlag: Niedersachsen soll die Anteile verkaufen. Das würde "mehr als fünf Milliarden" Euro bringen, so der Experte.

"Deutschland ist vergammelt"

Das zweite Thema sei aber ein größeres, ein "Deutschland-Problem", wie es Dudenhöffer nennt: "Die Infrastruktur in Deutschland ist eine reine Katastrophe. Die Kostenstrukturen im Energiebereich sind kaum mehr einzufangen. Deutschland ist ein richtiges Sanierungsland geworden, Deutschland ist vergammelt."

Video: Auto-Papst Dudenhöffer über "Sanierungsland" Deutschland

Das dritte Problem sei China. Denn "genau dort funktionieren die Elektroautos unserer Autobauer nicht", sagte der Deutsche. China war für die deutschen Hersteller jahrelang der Wachstumsmarkt Nummer 1. 2023 verkaufte Volkswagen etwa 40 Prozent der Autos im Reich der Mitte, bei BMW war es etwa ein Drittel. Doch dort werden die deutschen Autos immer mehr zu Ladenhütern

Neuanfang wird "äußerst anstregend"

Deshalb müsse ein Neuanfang her, der auch nicht so schnell umsetzbar sei. "Wir gehen durch eine längere Zeit durch, die äußerst anstrengend wird", sagt Dudenhöffer.

Die Fortschritte chinesischer E-Auto-Hersteller einzuholen sei möglich, aber nur, wenn sich die deutschen Autobauer auch mehr auf China fokussieren. Bisher habe man ausschließlich große Fabriken nach China gestellt, die Entwicklung aber in Deutschland belassen. Das müsse sich in Zukunft ändern. 

"Nur die Unternehmen werden erfolgreich sein, die einen Großteil – vielleicht sogar alles – nach China schicken. Es macht keinen Sinn, Autos in Wolfsburg für China zu entwickeln". Denn gerade, was autonomes Fahren betrifft, würden die Voraussetzungen und gesetzlichen Grundlagen in China die Entwicklung deutlich erleichtern. 

Was bedeutet das für Österreich? 

Geht es der deutschen Industrie schlecht, leidet die österreichische ebenfalls mit. Viele Zulieferbetriebe aus Österreich liefern zahlreiche Produkte an deutsche Autobauer. "Wir hängen zusammen, wir arbeiten zusammen, wir sind wichtige Nachbarländer", beschreibt es der Autoexperte. Deshalb werde die Branche in Österreich auch "ähnlich reagieren wie in Deutschland, es ist ein Domino-Effekt, über den wir reden".

Gerade was die Expansion nach China und den Wandel hin zur Elektromobilität betrifft, hat er aber eine gute Nachricht. Österreichische Unternehmen seien vielfach "sehr offen, sehr dynamisch, oft dynamischer als in Deutschland". Das sieht er als positive Voraussetzungen für einen Wandel.

Verbrenner-Aus von großer Bedeutung

Zum viel diskutierten Verbrenner-Aus in der EU hat der Experte ebenfalls eine klare Meinung. Es ist wichtig, "dass wir 2035 in das CO₂-lose Auto gehen", so Dudenhöffer. Denn in China seien schon heute mehr als 50 Prozent der Neuwagen E-Autos oder Plug-in-Hybride. 

Deshalb müsse es schnell gehen, um bei der Skalierung und der Batterietechnologie rasch Fortschritte zu erzielen. Will man zu viele Projekte gleichzeitig angehen, "dann verzetteln wir uns".

ribbon Zusammenfassung
  • Bei VW ist der Arbeitskampf eingeläutet.
  • Während Management und Gewerkschaft um Löhne und Arbeitsplätze ringen, sieht ein Experte ganz andere Problem.
  • Deutschland und dessen Infrastruktur ist sanierungsbedürftig und "vergammelt".
  • Was es braucht, um die deutschen Autobauer wieder in die Spur zu bringen.