Zitierverbot und Einflussnahme: Der Schlussbericht zum ÖVP-U-Ausschuss
Der Vorsitzende des ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschusses, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), hat am Mittwoch den Fraktionen im U-Ausschuss den vorläufigen Schlussbericht übermittelt. Der Bericht beruht auch auf Vorschlägen von Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl. Der Bericht, der PULS 24 vorliegt, ist 500 Seiten stark und enthält Empfehlungen sowie Ergebnisse zu den einzelnen Beweisthemen.
Die Empfehlungen
- Die brisanteste Empfehlung dürfte der Wunsch nach "nicht öffentlichen" Ermittlungsverfahren nach deutschem Vorbild sein. Zur Wahrung der Grund- und Persönlichkeitsrechte von Verfahrensbeteiligten sollte ein Straftatbestand geschaffen werden, der unter anderem die Veröffentlichung der Anklageschriften oder anderer amtlicher Dokumente eines Strafverfahrens verbietet, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen wurde, heißt es im Schlussbericht. Das würde für Medien das Ende vom Zitieren aus Akten bedeuten.
- Für private Nachrichten (Chats) und Handydaten soll es ebenso gesetzliche Schutzmaßnahmen geben. Gleichzeitig soll es aber ein umfassendes Informationsfreiheitsgesetz geben. Ein solches hat die Regierung schon lange versprochen, geben tut es ein solchen Gesetz aber immer noch nicht.
- Empfohlen wird auch die Schaffung einer unabhängigen, weisungsfreien Bundesstaatsanwaltschaft. Das war auch eine Forderung des Anti-Korruptions-Volksbegehrens.
- Wohl mit Blick auf Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) soll es eine "Cooling-off-Phase" für Minister und in der Gesetzwerdung verantwortliche Personen geben, die sich als Richter zum Verfassungsgerichtshof bewerben. Die Staatengruppe gegen Korruption (Greco) stellte Österreich in Sachen Korruption zuletzt ein schlechtes Zeugnis aus und forderte eine "Cooling-off-Phase" für sämtliche Spitzenfunktionäre, die die Politik verlassen - auch in Richtung Privatwirtschaft.
- Wegen der teils langen und mühsamen Geschäftsordnungsdebatten und Stehungen im U-Ausschuss regt der auf der Expertise von Pöschl beruhende Abschlussbericht unter anderem die Aufwertung der Position des Verfahrensrichters etwa bei der Erstellung der Ladungslisten oder eine eigenständige Befugnis bei der Entscheidung über die Zulässigkeit von Fragen an. Die letzte Entscheidung soll aber beim Vorsitzenden bleiben.
- Zudem sollte die Beugestrafe durch eine sanktionierende Verwaltungsstrafe ersetzt und ein Wiederholungstatbestand bei ungerechtfertigt verweigerten Antworten auf jede bestimmte Frage geschaffen werden.
Die Beweisthemen
- Das Brisanteste im Bericht: Bei der Steuercausa von Investor Siegfried Wolf gebe es laut Bericht "ausreichend Anhaltspunkte", die Korruption "jedenfalls im Sinn politischer Einflussnahme und Verantwortlichkeit nahelegen".
- Im Steuerverfahren von Immobilieninvestor Rene Benko konnte Verfahrensrichter Pöschl Auffälligkeiten feststellen - auch wenn er festhält, dass die Ergebnisse es nicht gestatten, "annähernd gesicherte Aussagen über allfällige Hinweise auf Korruption zu treffen".
- In Sachen ÖVP-Inseratenaffäre habe der U-Ausschuss hingegen laut Schlussbericht keine konkreten Hinweise liefern können. "Auskunftspersonen erklärten, keine Wahrnehmungen hierzu zu haben. Auch wenn die Vermutung der Weitergabe durchaus naheliegend wäre, fand sich im Ausschuss kein konkreter Hinweis, dass Weitergaben von durch Ministerien bezahlte Umfrageergebnisse an die ÖVP erfolgt wären", heißt es etwa. Zudem wären wichtige Auskunftspersonen nicht gekommen oder hätten ihre Aussagen verweigert. So etwa Thomas Schmid.
- Auch in der Frage, ob die ÖVP Ermittlungsverfahren der Justiz beeinflusst habe, sei deshalb kein eindeutiges Ergebnis feststellbar gewesen.
- Keine Hinweise gebe es auch zum Vorwurf, das Finanzministerium könnte seinerzeit Aktenlieferungen an den Ibiza-Untersuchungsausschuss zum Schutz des damaligen Ressortchefs Gernot Blümel (ÖVP) absichtlich verzögert haben.
- Zu den Sidelettern der Regierungen "Kurz I und II" wird, insbesondere was die Besetzungen von Verfassungsrichtern angeht, festgehalten, dass "nicht der Anschein von Korruption" vorlag, da die in den Sidelettern getroffenen Vereinbarungen die Umsetzung dieser verfassungsrechtlich vorgesehenen Kompetenzen betrafen.
- Im Innenministerium schaut es anders aus: Was die Postenbesetzungen dort betrifft, hält der Verfahrensrichter fest, dass die festgestellten Chat-Verläufe "unter besonderer Berücksichtigung der unverblümten Wortwahl" ein "hinreichend beredtes Zeugnis von einem politischen Zugang zu Postenbesetzungen" geben. "Auch wenn die inneren Abläufe der Postenbesetzungen nach den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses nicht immer genau nachvollzogen werden können, scheint es - wohl durch persönliche und politische Nähe zumindest - eine faktische Einflussmöglichkeit auf Begutachtungskommissionen und Besetzungsvorschläge gegeben zu haben." Eine Erkenntnis, die auch schon der Greco-Bericht konstatierte: Die Vergabe von Spitzenjobs in der Polizei würden unter starkem politischem Einfluss passieren.
- Einen "fragwürdigen Nachgeschmack" hätten zudem die Gespräche zwischen dem ehemaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, und dem Generalsekretär der Bischofskonferenz, Peter Schipka, bezüglich der Streichung steuerrechtlicher Privilegien der Kirche hinterlassen. Zwar blieb ungeklärt, in welcher Stimmung das Treffen tatsächlich stattgefunden habe, aber die Chats zwischen Schmid und Ex-Kanzler Sebastian Kurz deuteten darauf hin, dass mittels zumindest angedachter oder angedeuteter Konsequenzen die Kritik am Kurs der Regierung "klein gehalten oder allenfalls zum Verstummen gebracht werden sollte".
- Zu den ebenfalls gegenständlichen Förderungen aus dem NPO-Unterstützungsfonds - also der Fördereinrichtung für Non-Profit-Organisationen - wird darauf verwiesen, dass Auszahlungen etwa an Vereine des ÖVP-Seniorenbundes vom Ausschuss nicht als Korruption zu klassifizieren seien. "Bei Beurteilung der getätigten Förderungen stehen in erster Linie Rechtsfragen im Vordergrund", heißt es. Eine politische Einflussnahme, zum Beispiel dass Antragsteller bevorzugt worden seien, habe man nicht feststellen können. Hier hätten sich "keinerlei Hinweise" ergeben. "Zugleich kann den ÖVP-nahen Förderempfängern die Antragstellung nicht zum Vorwurf gemacht werden, da diese offensichtlich im guten Glauben, antragsberechtigt zu sein, vorgingen." Es handle sich um eine nicht hinreichend geklärte Rechtsfrage, die die positive Erledigung eines solchen Förderantrags nicht von vornherein aussichtslos erscheinen habe lassen, so die Einschätzung.
Erfreut über den Endbericht von Sobotka und Pöschl zeigte sich bislang nur die ÖVP. Die Vorwürfe gegen die Volkspartei würden sich in Luft auflösen, meinte Fraktionsführer Andreas Hanger. Die anderen Parteien dürften das wohl anders sehen. Sie haben nun 14 Tage Zeit, um ihre eigenen Berichte anzuhängen. Dann wird der Abschlussbericht dem Nationalrat übermittelt.
Grüne sehen "Protokoll einer großen Täuschung"
Die Grünen stellten ihren Bericht bereits vor zwei Wochen vor - Fraktionsführerin Nina Tomaselli nannte ihn das "akribische Protokoll einer großen Täuschung". Man habe "genau aufgezeigt, wie ein kleiner türkiser Machtzirkel rund um Ex-Kanzler Sebastian Kurz das ganze Land getäuscht hat". "Sie haben manipuliert, mit frisierten Umfragen und mit Steuergeld finanzierten Inseraten", so die Grünen-Fraktionsführerin.
Genau beleuchtet habe man aber auch das Vorarlberger "Wirtschaftsbund-Tool" und den "Inseratengoldesel der Bauernzeitung". Dieser Machtzirkel um Kurz habe "Postenschacher" betrieben und die Republik als "Selbstbedienungsladen" missbraucht. Gekümmert habe man sich "mittels Spezialbehandlung um superreiche Freunde". Etwa sei Unternehmer Siegfried Wolf ein "satter Steuernachlass" genehmigt worden, nachdem er im Finanzministerium interveniert habe. Das Finanzministerium habe sich auch um Immobilieninvestor Rene Benko intensiv gekümmert.
U-Ausschuss habe für Vertrauen gesorgt
Nun gehe es darum, das verloren gegangene Vertrauen in die Politik wieder zurückzugewinnen. Der U-Ausschuss habe einiges dafür geleistet und habe schon während seiner Laufzeit eine "sehr gute Wirkung" entfalten können, verwies Tomaselli auf zahlreiche Rücktritte etwa von Kurz oder die Ex-VP-Minister Gernot Blümel oder Elisabeth Köstinger. Zudem sei Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) als Verfassungsrichter zurückgetreten, Oberstaatsanwalt Johann Fuchs verlor die Fachaufsicht über die WKStA und der mächtige Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek wurde suspendiert. "Das alles sind gute Nachrichten", so Tomaselli. Das klingt dann doch gänzlich anders als bei Sobotka und Pöschl.
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Zusammenfassung
- Vorsitzender Wolfgang Sobotka und Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl haben den Fraktionen ihren Schlussbericht zum U-Ausschuss vorgelegt.
- Darin befinden sich Empfehlungen wie ein Zitierverbot aus Akten.
- In der Steuercausa Siegfried Wolf gebe es Hinweise auf politische Einflussnahme.