Parlament in Bangladesch nach Massenprotesten aufgelöst
Einen Tag nach Rücktritt und der Flucht von Langzeit-Regierungschefin Sheikh Hasina aus Bangladesch hat der Präsident des Landes das Parlament aufgelöst. Das teilte der Pressesprecher von Präsident Mohammed Shahabuddin am Dienstag mit.
Das Staatsoberhaupt kam damit einer zentralen Forderung der Studenten nach, die die wochenlangen Massenproteste gegen die Regierung von Hasina angeführt hatten. Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus könnte Schlüsselfigur des Übergangs werden.
Shahabuddin gehört wie Hasina der Partei Awami League an. Er wurde im Vorjahr vom Parlament zum Staatspräsidenten gewählt und hat eher repräsentative Aufgaben. Die Parlamentswahl, die heuer im Jänner abgehalten wurde, fand unter Unterdrückung der Opposition statt. Die Opposition boykottierte daher den weder freien noch fairen Urnengang. So gewann erneut die Awami League und Hasina blieb zunächst an der Macht.
Yunus als Chef für Übergangsregierung?
Ein prominenter Anführer der Studentenproteste sprach sich am Dienstag für den Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus (84) als Chef einer Übergangsregierung in Bangladesch aus. Der "international anerkannte" Yunus, "der breite Akzeptanz genießt, könnte leitender Berater einer Interimsregierung sein", sagte Nahid Islam, Anführer der Vereinigung Studenten gegen Diskriminierung (SAD), in einer Videobotschaft.
Sheikh Hasina war nach 15 Jahren an der Macht in Folge am Montag aus dem südasiatischen Land geflohen. Armeechef Waker-Uz-Zaman kündigte die Bildung einer Übergangsregierung an. Er sollte am Dienstag Studentenführer treffen.
Dutzende Tote bei Protesten
Bei den gewaltsamen Protesten gegen Hasina und ihre Regierung wurden allein am Montag mindestens 109 Menschen getötet, wie Polizei und Ärzte am Dienstag mitteilten. Es war der blutigste Tag seit Beginn der Massenproteste Anfang Juli. Nach AFP vorliegenden Zahlen wurden insgesamt mindestens 409 Menschen getötet.
Ursprünglich waren die Demonstranten gegen eine Quotenregelung für die Vergabe von Jobs im öffentlichen Dienst auf die Straße gegangen, die ihrer Ansicht nach Unterstützer von Hasina bevorzugte. Nach und nach wurde dann der Rücktritt der seit 2009 amtierenden Regierungschefin das Ziel der Protestbewegung, der sich immer mehr Menschen aus allen Bevölkerungsschichten anschlossen.
Video: Sturm auf Regierungspalast in Bangladesch
Nobelpreisträger für Hasina "Blutsauger"
Der heute 84-jährige Yunus hatte in den 1980er-Jahren die Grameen Bank gegründet, die Mikrokredite an die ärmsten Menschen in Bangladesch vergibt und Millionen Menschen aus der Armut half. 2006 wurde dem Wirtschaftswissenschafter dafür der Friedensnobelpreis verliehen. Er galt lange auch als möglicher politischer Widersacher von Regierungschefin Hasina, die ihn als "Blutsauger" bezeichnete.
"Wir vertrauen Dr. Yunus", erklärte Asif Mahmud, ein weiterer Anführer der Studentenbewegung SAD, auf Facebook. Yunus hält sich derzeit in Europa auf. Ein enger Mitarbeiter sagte am Montag, Yunus habe bisher kein Angebot des Militärs zur Führung einer Übergangsregierung erhalten.
Wahl von Opposition boykottiert
Die 76-jährige Hasina war im Jänner in einer von einem großen Teil der Opposition boykottierten Wahl im Amt bestätigt worden. Ihrer Regierung wurden unter anderem der Missbrauch staatlicher Institutionen zum eigenen Machterhalt und die Unterdrückung von Regierungskritikern vorgeworfen - bis hin zur außergerichtlichen Tötung Oppositioneller. In den vergangenen Wochen gingen Millionen Menschen auf die Straße und forderten ihren Rücktritt.
Ganz zu Anfang des Jahres, vor der umstrittenen Parlamentswahl, war Yunus von einem Gericht in seiner Heimat zu sechs Monaten Haft und einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er mit dem gemeinnützigen Teil seiner Firma Arbeitsrecht verletzt haben soll. Yunus' Unterstützer kritisierten das Urteil als politisch motiviert. Insgesamt mehr als hundert Verfahren wurden gegen Yunus in Gang gesetzt, bei denen ihm Arbeitsrechtsverstöße, Betrug und Korruption vorgeworfen werden. Yunus hat stets seine Unschuld beteuert.
Oppositionsführerin entlassen
Kurz vor der Bekanntmachung zur Auflösung des Parlaments wurde die Oppositionsführerin und ehemalige Premierministerin Khaleda Zia aus dem Hausarrest freigelassen, wie ihre Partei mitteilte. "Sie ist jetzt frei", sagte der Sprecher der Bangladesh National Party (BNP), A. K. M Wahiduzzaman, der Nachrichtenagentur AFP. Die Politikerin ist eine erbitterte Rivalin von Hasina. Zia war wegen Korruption verurteilt und unter Hausarrest gestellt worden. Die Familien beider Frauen bestimmen die Politik Bangladeschs seit der Unabhängigkeit des damaligen Ostpakistan vom Rest des heutigen Pakistan im Jahr 1971. Zia amtierte von 1991 bis 1996 und wieder von 2001 bis 2006. Hasina führte die Regierungsgeschäfte von 1996 bis 2001 und von 2009 bis zum gestrigen Tag.
Zusammenfassung
- Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus könnte eine Schlüsselfigur in der Übergangsregierung werden. Studentenführer sprachen sich für ihn als Chef einer Interimsregierung aus.
- Oppositionsführerin Khaleda Zia wurde aus dem Gefängnis entlassen.
- Die Proteste begannen ursprünglich wegen einer Quotenregelung für Jobs im öffentlichen Dienst, entwickelten sich aber schnell zu einer breiten Bewegung gegen Hasina.