Mueller: Prigoschin hat Putin "vorgeführt"
Am Samstag gipfelte der Streit zwischen Wagner-Truppenführer Jewgeni Prigoschin und der russischen Militärführung in einem Marsch von Wagner-Truppen gen Moskau. Nur 200 Kilometer vor der russischen Hauptstadt ruderte der Söldnerführer zurück. Eine Lösung soll durch Vermittlung vom belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko gefunden worden sein, Prigoschin kündigte an, ins Exil zu gehen. Am Montag meldete sich Prigoschin mit einer Sprachnachricht. Er schoss weiter gegen die Militärführung, aber betonte, dass er nie Putin stürzen hätte wollen.
Russland-Experte Wolfgang Mueller von der Universität Wien ordnet die Ereignisse des Wochenendes im Newsroom LIVE mit Anchorwoman Sabine Loho ein.
Prigoschin führte Schwachstellen vor
Es sei keine klassische Militär-Revolte gewesen, denn Prigoschin wollte das Regime nicht stürzen. Auch mit seiner Kritik blieb er bei Verteidigungsminister Sergej Schoigu und dem Generalstabchef Waleri Gerassimow.
Dass Prigoschin ins Exil nach Belarus ging, das sei eine "Gesichtswahrende Lösung für alle Beteiligten". Gezeigt habe der Aufstand aber, dass die russischen Streitkräfte den Vormarsch nicht stoppen konnten und es einen eklatanten Unterschied zwischen Putins harter Rhetorik und der dann eigentlich entgegenkommenden Reaktion gab.
Außerdem habe Prigoschin Putin vorgeführt – durch den Marsch der Söldner wurden "massive Sicherheitslücken" in der Verteidigung Russlands aufgezeigt.
Kritik entblößt Russland
Prigoschin habe das auch in seiner Kritik immer wieder angesprochen, die schließlich zu dem innerrussischen Eklat geführt hatte. In der Kriegsführung würde auch viel falsch laufen, das sei eine Überraschung im Angriffkrieg gewesen, so Mueller. Ein Beispiel dafür sei etwa, dass Fahrzeuge mangels Treibstoffs in der Ukraine nicht weiterkamen. Auch sei die gesamte Strategie Russlands bereits in den Anfangstagen des Krieges gescheitert.
Man dürfe aber auch nicht übersehen, dass Prigoschin seit Jahren von dem System profitiert hat, das er nun kritisiert, so Mueller.
Vorteil für die Ukraine?
Der ukrainische Präsident Selenskyj zeigte sich am Montag sichtlich cool bei Selfies mit Soldaten an der Front in der Ostukraine. Über das Wochenende betonte die Ukraine immer wieder Meter zu machen.
Ob der innerrussische Aufstand ein Vorteil für die Ukraine-Offensive sei, das müsse noch abgewartet werden, so Mueller. Russland würde im eigenen Hinterland bereits "fieberhaft" am Aufstellen neuer, eigener Truppen arbeiten. Die Zahl der Soldaten solle "massiv erhöht" werden.
Schnelle Entscheidungen gefragt
Wenn die EU Schwachstellen Russlands nutzen möchte, dann müsse sie schnell sein. Ein Charakteristikum dieses russischen Angriff-Krieges sei bis jetzt gewesen, dass schnell gehandelt werden müsse. Russland sei wegen seiner Größe und Menge an Truppen "keinesfalls zu unterschätzen" findet Mueller.
Zusammenfassung
- Putin steht noch an der Spitze des russischen Staates, aber Söldner-Führer Prigoschins Marsch auf Moskau habe die Schwächen Russlands offensichtlicher gemacht.
- Prigoschin habe Putin vorgeführt.
- Aber der Wagner-Söldner habe auch selbst jahrelang von dem System profitiert, dass er nun kritisiert.