Spitäler: "Prekäre Zustände" oder künstliche "Skandalisierung"?
Angestellte im Gesundheitssystem klagen vermehrt darüber, unter immensem Druck arbeiten zu müssen und überfordert oder sogar ausgebrannt zu sein. Pro und Contra erzählte zu Beginn der Sendung am Mittwoch den Fall der Ärztin eines Wiener Gemeindespitals, die über schier unerträgliche Arbeitsbedingungen berichtet. Danach kam es zu einer lebhaften Diskussion zwischen Gesundheitspolitikern und Vertretern der Gesundheitsbranche über die Situation der Beschäftigten.
Zweifellos gebe es Stellen, "wo extreme Überlastung besteht, so wie in ganz Europa", räumte Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) zunächst ein. Dies liege an der Personalsituation, manche medizinischen Fächer seien bei Studierenden schließlich beliebter als andere. Hacker nannte als Beispiele für personelle Engpässe die Notfallmedizin, die Anästhesie und die Kindermedizin. Aber: "Wir haben auch andere Abteilungen, die volle Personalausstattung haben, die das Gegenteil berichten werden. Abteilungen, die fantastische Patientenbehandlung leisten." Im internationalen Vergleich liege Wien gut.
Ärztekammer: "Ausrede"
Stefan Ferenci, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, wollte diesen Befund keineswegs teilen. "Die Ärzte und Ärztinnen sind da. Wir haben den Ärztemangel ausschließlich im öffentlichen System", kritisierte der Funktionär. Seine Replik an Hacker: "Das Personal ist da. Es ist nicht in einem Überfluss da, wie es dies vor 10 oder 15 Jahren war. Aber die Personalsituation kann man nicht als Ausrede für die prekären Zustände nehmen."
Ferenci führte als Beispiel an, dass eine Abteilung für Kinderheilkunde an der Klinik Floridsdorf kürzlich aufgelöst und mit einer entsprechenden Abteilung an der Klinik Donaustadt zusammengelegt worden sei. Generell beklagte er, Wien erleide einen "Ärztemangel ausschließlich im öffentlichen System".
Hacker warf dem Ärztekammer-Funktionär wiederum vor, den Fall an der Klinik Floridsdorf zu "skandalisieren". Bei Ferencis Floridsdorf-Beispiel sah er nur "eine kleine Organisationseinheit" betroffen, für die man bereits eine Lösung gefunden habe. Dass "total etwas zusammengebrochen" sei, "stimmt so nicht".
Rauch treibt die Überalterung um
Gesundheitsminister Johannes Rauch beklagte wie Hacker einen Personalmangel im Gesundheitsbereich, insbesondere in der Pflege. "Wir werden einen eklatanten Mangel im Pflegebereich haben, weil wir in ganz Europa eine alternde Gesellschaft sind", analysierte der Minister. Er wolle eine "gemeinsame Sichtweise" von Sozialversicherung, Bund und Ländern schaffen, dafür benötige es eine Reform. Für Rauch steht aufgrund des Föderalismus und der Kompetenzverteilung fest: "Ein Gesundheitsminister ist kein Firmenchef, der einfach sagen kann: So machen wir's."
Elisabeth Potzmann, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands, begrüßt eine Ausbildungsoffensive für Pflegeberufe. Allerdings dürfe es kein "Downgrading" dabei geben. Mehr Ausbildungsplätze seien außerdem nur ein Teil der Lösung. Potzmann: "Wir müssen den Beruf der Pflege attraktiver machen."
Zusammenfassung
- Gesundheitsstadtrat Hacker und Ärztekammer-Funktionär Ferenci gerieten bei Pro und Contra in der Diskussion über die Lage in Wiens Spitälern aneinander.
- Minister Rauch versprach einmal mehr eine Reform des österreichischen Gesundheits- und Pflegesystems.