Widerstand gegen Flüchtlings-Zelte: Gemeinde plant Protest auf Autobahn
Als "die dümmste Unterbringung, die es geben kann "bezeichnet Ferdinand Aigner, ÖVP-Bürgermeister von St. Georgen (Bezirk Vöcklabruck, Oberösterreich) die Zelte, die im dortigen Erstaufnahmezentrum West am Samstag errichtet wurden. Eine solche Unterbringung sei menschenunwürdig und außerdem seien die Zelte an der Grundstücksgrenze des Erstaufnahmezentrums Thalham aufgestellt worden - das würde die Nachbarn stören, so Aigner im "Ö1 Morgenjournal".
Proteste häufen sich
Am 26. Oktober wird die Gemeinde daher einen Protestmarsch durchführen, kündigte ihr Bürgermeister heute in einer Pressekonferenz an. "Am Nationalfeiertag wird es eine Bürgerinformation vor dem Gemeindeamt geben, dann marschieren wir Richtung Westautobahn." Bei der Autobahnabfahrt seien "Abschlussprotestmaßnahmen geplant" - ob es zu einer Blockade der Autobahn komme, "lassen wir offen", so Aigner.
Gespräch mit Innenminister
Kommen die Zelte bis zum 26. Oktober weg, werde es lediglich eine Bürgerinformation geben. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) habe ihm in einem Telefonat zugesichert, dass die Zelte von der unmittelbaren Grundgrenze zu Einfamilienhäusern weg kämen, mehr aber auch nicht. Das Erstaufnahmezentrum sei für 180 bis 200 Personen ausgelegt, man sei fast vollbelegt. Zudem habe die Gemeinde Kinder aus einem ukrainischen Waisenhaus aufgenommen.
Widerstand gegen Flüchtlings-Zelte
Die Zelte seien "unter widrigsten Verhältnissen" bei strömendem Regen aufgestellt worden. "Das regt uns furchtbar auf", sagt Aigner - nicht, weil man ausländerfeindlich sei, sondern weil man vom Innenministerium zum Druckmittel auf die Länder gemacht werde, die ihre Quoten nicht erfüllen. In St. Georgen sei man da "einfach drübergefahren" - vom Bund habe sich niemand gemeldet, so der Bürgermeister.
Die ersten 25 Zelte sind nur der Anfang
25 Zelte hat das Innenministerium österreichweit zur Bewältigung der Quartierkrise für Flüchtlinge bisher aufgestellt, doch das könnte nur der Anfang sein. Wie es aus der Bundesbetreuungsagentur am Montag gegenüber der APA hieß, seien die (festen) Bundesquartiere komplett voll. Auch aus feuerpolizeilichen Gründen könne dort niemand mehr aufgenommen werden. Wenn die Länder daher nicht wie vorgesehen andere Quartiere aufstellen, wird es weitere Zelte geben.
Warum man nicht auf bequemere Unterkünfte wie Container zurückgreift, ist leicht erklärt. Für diese bräuchte es Baugenehmigungen der lokalen Behörden - und die sind fast unmöglich zu bekommen. Bei den Zelten kann der Bund autonom handeln. Wie viele Zelte insgesamt zur Verfügung stünden, wird nicht bekannt gegeben.
Bisher stehen 25, von denen 23 bezogen sind. Jeweils fünf der 8-Personen-Zelte stehen in Villach und Klagenfurt, 15 in der Bundesbetreuungsstelle Thalham in Oberösterreich. Nach weiteren Standorten wird gesucht, dem Vernehmen nach vor allem in Tirol und Vorarlberg. Auch in den von der ÖVP regierten Bundesländern gibt es aber Widerstand.
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Tirol will Quartiere suchen
Tirol will nun versuchen, andere Unterkünfte zu suchen. Am Montagvormittag tagte der Einsatzstab der Taskforce Migration. Das Land und die Tiroler Sozialen Dienste (TSD) befänden sich nun in Abstimmung mit Partnern, hieß es in einer Aussendung. Man erwäge auch die Anmietung von Containern sowie den Aufbau von Holzbauten.
"Hauruck-Aktion"
Auch in Kärnten hatte die Ankündigung der Zeltunterbringung für Unmut gesorgt. In einer "Hauruck-Aktion" sei die Einrichtung der Klagenfurter Fremdenpolizei in der Ebentaler Straße aufgestockt und mit 160 Flüchtlingen belegt worden, ohne Stadt und Land im Vorfeld zu informieren, so der Vorwurf. Innenminister Karner habe Kärntens Vertrauen nun endgültig verspielt, kritisierte am Freitag die zuständige Landesrätin Sara Schaar (SPÖ), die darauf verwies, dass Kärnten bei der Unterbringung (ohne Ukrainern) die Quote zu fast 100 Prozent erfülle.
Man spielt auf den Rücken der Flüchtlinge"
Burgenlands SPÖ-Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil forderte die Regierung gleich zum Rücktritt auf. "Große Quartiere, Lager oder Zelte wird es im Burgenland mit Sicherheit nicht geben", so die SPÖ.
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Für die FPÖ zeigt die gegenwärtige Situation jedenfalls ein "Totalversagen" der Regierung, wie Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer in einer Aussendung formulierte. Es müsse jetzt einen Aufnahmestopp geben, das Asylrecht ausgesetzt und die österreichischen Grenzen rigoros für illegale Grenzübertritte geschlossen werden: "Das Boot ist bereits völlig überfüllt."
Niederösterreichs Asyllandesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) hat am Montag unterstrichen, dass es von seiner Seite "weder Zelte noch zusätzliche Quartiere" geben werde. Das Bundesland sei "bereits mehr als ausgelastet durch die zusätzliche Unterbringung von über 10.000 ukrainischen Frauen und Kindern"
Sieben Bundesländer versagen bei Quote
Mit Ausnahme Wiens und des Burgenlands erfüllt aber derzeit kein Bundesland die Vereinbarungen.
Schon seit Monaten weist der Bund darauf hin, dass sich eine Quartiernot ergeben wird, wenn die Länder ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Denn diese sind nach der Zulassung ins Asylverfahren für die Flüchtlinge zuständig. Die Kosten der Grundversorgung werden zu 60 Prozent vom Bund und zu 40 Prozent von den Ländern getragen.
Für jedes Bundesland ist dabei gemäß der eigenen Größe ein prozentueller Anteil an zu versorgenden Flüchtlingen zu betreuen. Den zu erfüllenden Wert erreichte Wien vergangene Woche zu 179 Prozent, das heißt, man betreute gut 15.000 Personen mehr als vorgegeben. Am anderen Ende der Skala war Kärnten mit einer Quotenerfüllung von gut 62 Prozent. Das heißt, es fehlten fast 2.200 Betreuungsplätze im Bundesland. Nur unwesentlich besser waren die Quoten in Vorarlberg und Tirol.
OÖ: Quartiere stehen laut SP frei - Zelte nur Stimmungsmache
Oberösterreich erfülle seine Unterbringungsquote nur zu 76 Prozent, und das, "obwohl LR Hattmannsdorfer selbst im Landtag bestätigt hat, dass geeignete private und kleinere Quartiere freistehen", sagte SP-Landesgeschäftsführer Florian Koppler in einer Pressemitteilung. "Diese müssen endlich genutzt und für die Betreuung zur Verfügung gestellt werden". Koppler warf ÖVP und FPÖ vor, "lieber mit Bildern von Zeltquartieren Stimmung gegen Asylwerber:innen" zu machen.
70 Prozent der Menschen, die aktuell in den Bundesquartieren untergebracht seien, müssten schon in einem Landesquartier sein, seit Monaten würde auf dieses Versäumnis hingewiesen, reagierte die oö. Grüne Integrationssprecherin Ines Vukajlovic. Hattmannsdorfer solle für menschenwürdige Quartiere sorgen. Sie betonte, dass im Grün-geführten Integrationsressort von 2015 bis 2021 mit Erfolg auf klein strukturierte und dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten gesetzt worden sei.
Zusammenfassung
- Der ÖVP-Bürgermeister von St. Georgen im Attergau, Ferdinand Aigner, will gegen die Zelte für Flüchtlinge, die das Innenministerium aufstellen lässt, protestieren.
- Am 26. Oktober wird die Gemeinde daher einen Protestmarsch durchführen, kündigte ihr Bürgermeister heute in einer Pressekonferenz an.
- Tirol will nun versuchen, andere Unterkünfte zu suchen. Am Montagvormittag tagte der Einsatzstab der Taskforce Migration.