APA/EVA MANHART

Wer will das Bargeld nun eigentlich abschaffen?

Im Bargeld-Land Österreich ist in den letzten Wochen eine Debatte um den "Schutz" des Bargeldes entfacht worden. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) will es gar in die Verfassung schreiben. Aber vor wem muss es eigentlich geschützt werden?

FPÖ-Chef Herbert Kickl will die "Festung Bargeld" in Österreich und warnt vor dem "Allmachts- und Kontrollwahn" der "übergriffigen" EU. Zuerst die Bargeld-Obergrenze, dann der Ersatz des geliebten Bargelds durch den digitalen Euro. Darauf sprang nun auch die ÖVP unter Kanzler Karl Nehammer auf und will das Bargeld in der Verfassung schützen. 

Die Frage bleibt: Wer will das Bargeld überhaupt abschaffen? Und wie sieht das in Ländern wie Schweden aus, wo fast nur noch mit Karte gezahlt wird? 

Vorwurf: Die EU will kein Bargeld mehr

Im Kampf für das Bargeld wird oft die EU als Gegenspieler dargestellt. Die FPÖ befürchtet, die EU wolle das Bargeld verbieten, um "gläserne Bürger" zu schaffen. Anlass dazu ist vor allem der EU-Vorstoß, eine Bargeld-Obergrenze einzuführen. 

Wer im Moment mehr als 10.000 Euro in Bar in Österreich zahlen will, muss seinen Ausweis herzeigen. Ein EU-Vorschlag sieht vor, Zahlungen über 10.000 Euro generell zu untersagen. Das EU-Parlament schlägt eine Grenze von 7.000 Euro vor. Das erklärte Ziel: Bekämpfung von Schwarzgeld, Geldwäsche und kriminellen Machenschaften. Einer solchen Obergrenze stehen nicht nur ein weites Spektrum der heimischen Politik kritisch gegenüber, sondern auch Experten.

Bei der Bekämpfung von Pfusch oder Drogenkriminalität vermutet etwa Friedrich Schneider, Professor an der Johannes-Keppler-Uni Linz, keinen großen Effekt durch eine mögliche Obergrenze. Die Regeln gegen Geldwäsche seien ohnehin schon recht streng.

Ähnlich sieht das Anton Schautzer, Stellvertretender Abteilungsleiter der Banknoten- und Münzenkassen in der Nationalbank. Auch bei der Nationalbank sehe man diese "Bargeldobergrenzen sehr sehr kritisch". "Das bringt nichts. Es gibt keine Evidenz, dass das wirklich eine positive Auswirkung hat", so Schautzer weiter. 

Anton Schautzer, Stellvertretender Abteilungsleiter der Banknoten- und Münzenkassen in der Nationalbank, im PULS 24 Interview über Bargeldobergrenzen und die Angst vor der Abschaffung des Bargelds. Bargeldobergrenzen sieht er zwar "sehr sehr kritisch", ist aber "überzeugt davon", dass es immer Bargeld geben werde.

Digitaler Euro als Bargeld-Nachfolger?

Ist diese Bargeld-Obergrenze nun ein Schritt in Richtung einer bargeldlosen Welt? "Im Moment ist diese Befürchtung wirklich unbegründet", sagte Schautzer dazu. "Es soll im Endeffekt immer die Wahl bleiben für die Konsumentinnen und Konsumenten, wie man zahlen möchte", so der Nationalbanker weiter. Ob er glaubt, dass es Bargeld immer geben wird? "Ich bin überzeugt davon", so Schautzer.

Der Vorschlag der EU-Kommission, Ende Juni einen digitalen Euro einzuführen, war für alle Skeptiker neues Wasser auf den Mühlen. Damit hätte die EU doch endlich ein Instrument, uns die Banknoten wegzunehmen. Schautzer betont aber, dass der digitale Euro "nie gedacht ist als ein Ersatz für den Euro". 

Der digitale Euro soll vielmehr ein Angebot für Menschen sein, die schon jetzt gerne mit Karte oder dem Handy bezahlen. Denn aktuell wird der digitale Zahlungsverkehr hauptsächlich von amerikanischen Tech-Firmen (Apple und Google) und Kreditkartenriesen (Mastercard und Visa) beherrscht.

Im Moment ist diese Befürchtung wirklich unbegründet.

Anton Schautzer von der Nationalbank über eine mögliche Bargeld-Abschaffung

Wie ist das rechtlich geregelt?

Würde es helfen, wenn Bargeld in die österreichische Verfassung geschrieben wird? Nicht wirklich, wie Martin Selmayr, der EU-Kommissionsvertreter in Österreich, jüngst erklärte. "Da das Euro-Bargeld durch vorrangiges EU-Recht bereits seit 1999 geschützt ist, kann eine nationale Regelung (sofern sie überhaupt europarechtlich zulässig wäre) inhaltlich zum Schutz des Euro-Bargeldes wenig Neues beitragen", erklärt der Jurist. "Sie könnte allenfalls deklaratorischer Natur sein."

Noch ist Bargeld das einzige gesetzliche Zahlungsmittel in der Eurozone. Durch den digitalen Euro soll sich das ändern, auch die digitale Variante soll gleichwertig werden. Damit das aber nicht das Ende der Banknoten einläutet, hat die EU-Kommission in dem Gesetzesvorschlag Ende Juni bereits vorgebaut. Der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission würde die Rolle des Bargelds sogar absichern.

In Brüsseler Kreisen ist von einem parallelen Vorschlag einer "Annahmeverpflichtung für Bargeld" die Rede. Damit soll verhindert werden, dass man schwieriger zu Bargeld kommt und immer weniger Unternehmen Cash-Zahlungen ermöglichen. 

Sollte das Gesetz so umgesetzt werden, müssten alle Mitgliedstaaten überwachen, ob weiterhin die Möglichkeit zur Barzahlung besteht und diese Daten an die EU melden. Sollte immer häufiger nur noch Kartenzahlung akzeptiert werden, müssten die Länder dagegen Maßnahmen ergreifen. Damit will die EU absichern, dass Menschen weiterhin freisteht, bar zu bezahlen. 

Schweden, das Land der Kartenzahlung

In Schweden ist das Bargeld schon beinahe aus dem Alltag verschwunden. Auch die öffentliche Toilette und die Spende in der Kirche funktioniert mittlerweile mit Handy und Karte. 2022 erhob die Schwedische Reichsbank, dass nur noch acht Prozent der Menschen ihren letzten Einkauf bar bezahlt haben. Zu Beginn des Ukraine-Kriegs stellte man in Schweden aber fest, dass die Nachfrage nach Bargeld wieder zunahm. 

"Es liegt auf der Hand, dass die Nachfrage nach Bargeld in Krisenzeiten steigt", stellte der Chef der Schwedischen Reichsbank, Erik Thedèen, fest. "Aber wenn Bargeld in einer Krise verwendet werden kann, kann es auch in normalen Zeiten verwendet werden", stellte er fest.

Einen Alltag ohne Bargeld wie in Schweden können sich viele Menschen in Österreich nicht vorstellen.

Nicht einmal Schweden will Bargeld abschaffen

Obwohl der Großteil der Schwed:innen kein Bargeld mehr verwendet, ist auch dort keine Abschaffung geplant. Das bestätige Thedèen im März in einer Anhörung im Parlament: "Wir sind der Meinung, dass es immer möglich sein muss, zumindest die wichtigsten Waren und Dienstleistungen mit Bargeld zu kaufen". 

Wenn selbst bei den Karten-Liebhabern in Skandinavien keine Abschaffung des Bargelds in Aussicht ist, ist wohl auch die Sorge in Österreich unbegründet. Selbst wenn sich einige politische Parteien als Retter des Bargeldes inszenieren wollen - streitig machen kann man es Herrn und Frau Österreicher ohnehin nicht. 

PULS 24 Sondersendung "Kampf ums Bargeld" am Mittwoch, 9. August, ab 20:15 Uhr auf PULS 24 und Joyn

ribbon Zusammenfassung
  • Im Bargeld-Land Österreich entfachte in den letzten Wochen eine Debatte um den "Schutz" des Bargeldes. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) will es gar in die Verfassung schreiben.
  • Breite Kritik gibt es an einer Bargeld-Obergrenze, die die EU einführen möchte. Hinweise, dass das Bargeld abgeschafft werden könnte, gibt es aber keine.
  • Auch der digitale Euro wird die Banknoten nicht ersetzen - dafür sorgte die EU-Kommission bereits in einem Gesetzesvorschlag.
  • Nicht einmal in Schweden, wo im Alltag fast ausschließlich mit Handy und Karte bezahlt wird, soll das Bargeld gänzlich verschwinden.
  • PULS 24 Sondersendung "Kampf ums Bargeld" am Mittwoch, 9. August, ab 20:15 Uhr auf PULS 24 und Joyn