Venezuela: Blutige Proteste nach mutmaßlichem Wahlbetrug

In Venezuela halten die landesweiten Proteste nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl vom Sonntag unvermindert an. Am Dienstag strömten erneut Tausende Menschen auf die Straßen, um mit Märschen und wehenden Fahnen von Präsident Nicolás Maduro die Anerkennung seiner Wahlniederlage zu fordern.

"Was wir hier bekämpfen, ist ein Betrug des Regimes", sagte Oppositionsführerin Maria Corina Machado und rief zu friedlichen Protesten auf. Ihr Kandidat Edmundo Gonzales habe mehr als doppelt so viele Stimmen wie Maduro erhalten, so Machado, die sich auf 90 Prozent der zugänglichen Wahlergebnisse stützt. Die Regierung bezeichnet die Demonstrationen dagegen als Putschversuch.

Präsident Maduro warf der Opposition in einer Fernsehansprache vor, Gewalt zu schüren. Der Vorsitzende des regierenden sozialistischen Kongresses, Jorge Rodriguez, forderte sogar die Verhaftung von Gonzalez und Machado. Gonzalez warf er eine "faschistische Verschwörung" vor.

Mindestens elf Tote, hunderte Festnahmen

Die Proteste begannen am Montag, nachdem die Wahlbehörde des südamerikanischen Landes bekannt gegeben hatte, dass Maduro mit 51 Prozent der Stimmen eine dritte Amtszeit antritt. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Foro Penal wurden seit Sonntag mindestens elf Menschen bei Zwischenfällen im Zusammenhang mit der Wahl oder den Protesten getötet.

Mindestens zwei weitere Oppositionsführer wurden im Zuge der Unruhen festgenommen. Im ganzen Land seien 749 Demonstranten festgenommen worden, sagte Generalstaatsanwalt Tarek William Saab. Sie hätten unter anderem Polizeiwachen, Büros des Wahlamtes, Rathäuser und Krankenhäuser angegriffen. Ihnen werde Terrorismus, Aufstachelung zum Hass und die Blockade öffentlicher Straßen vorgeworfen.

Letzte Hoffnung auf ein besseres Leben

Für viele Venezolaner ist die Wahl die letzte Hoffnung auf Veränderung. "Edmundo ist der Präsident. Wir wissen, dass er die Wahl gewonnen hat", sagte die 27-jährige Börsenmaklerin Andrea Garcia. "Wir wollen in dem Venezuela leben, das unsere Eltern kannten, in dem es keinen Hunger auf den Straßen gab." Eine große Menschenmenge, viele mit venezolanischen Fahnen, skandierte: "Wir haben keine Angst!"

Die internationale Gemeinschaft reagiert besorgt auf die Entwicklungen. Zahlreiche Länder haben Venezuela aufgefordert, die Auszählung der Stimmen öffentlich zu machen. Die USA erwägen Insidern zufolge neue Sanktionen, sollte es nicht zu mehr Transparenz kommen.

Auch die diplomatischen Spannungen in der Region haben sich weiter verschärft. Costa Rica erklärte sich bereit, Machado und Gonzalez politisches Asyl zu gewähren. Machado dankte der Regierung, erklärte aber, es sei ihre Priorität, "diesen Kampf" von Venezuela aus fortzusetzen.

Diplomatische Beziehungen ausgesetzt

Panama hatte am Dienstag die diplomatischen Beziehungen zu Venezuela ausgesetzt und den Abzug seines diplomatischen Personals angekündigt. Zudem ordnete die Regierung "Vergeltungsmaßnahmen" im Luftverkehr an, die ab Mittwochabend in Kraft treten sollen.

Hintergrund ist ein Zwischenfall, bei dem Venezuela einem Flugzeug den Überflug verweigert hatte, das ehemalige Staatschefs aus Panama zu den venezolanischen Wahlen am Sonntag bringen sollte. Die Ex-Präsidenten waren als Wahlbeobachter vorgesehen. Die Eskalation zwischen den beiden Ländern droht die ohnehin angespannten Beziehungen in der Region weiter zu belasten.

UNO besorgt über Gewalt

UNO-Menschenrechtskommissar Volker Türk zeigte sich in einer Stellungnahme besorgt über die Gewalt. "Ich bin beunruhigt über Berichte über die unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt durch Sicherheitskräfte und bewaffnete Gruppen, die die Regierung unterstützen", so Türk.

"Ich fordere die Regierung auf, das Recht aller Venezolaner zu respektieren, sich zu versammeln, friedlich zu protestieren und ihre Meinung frei und ohne Angst zu äußern."

Venezuela steckt seit Jahren in einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise. In dem einstmals wohlhabenden Land mit großen Erdölvorkommen leben mehr als 80 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Immer wieder kommt es zu Stromausfällen, Benzin, Gas und Medikamente sind knapp. Mehr als sieben Millionen Menschen - ein Viertel der Bevölkerung - haben Venezuela in den vergangenen zehn Jahren wegen Armut und Gewalt verlassen.

ribbon Zusammenfassung
  • In Venezuela halten die Proteste nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl an.
  • Oppositionsführerin Maria Corina Machado behauptet, ihr Kandidat Edmundo Gonzales habe mehr als doppelt so viele Stimmen wie Maduro erhalten.
  • Seit Sonntag wurden mindestens elf Menschen bei Zwischenfällen im Zusammenhang mit der Wahl oder den Protesten getötet, und 749 Demonstranten wurden festgenommen.
  • Die internationale Gemeinschaft zeigt sich besorgt und fordert mehr Transparenz bei der Auszählung der Stimmen. Panama hat die diplomatischen Beziehungen zu Venezuela ausgesetzt.