VwGH gegen Personenstandsänderung bei Transperson
Die Causa hat eine längere Vorgeschichte: Im konkreten Fall geht es um eine biologisch und körperlich eindeutig männliche Person mit nicht-binärer Geschlechtsidentität - sie identifiziert sich also weder als männlich noch als weiblich und auch mit keiner anderen bestimmten Geschlechtsbezeichnung. Zunächst wies der Bürgermeister der Stadt Wien als zuständige Behörde den Antrag auf Streichung des Geschlechtseintrags "männlich" ab.
Das Verwaltungsgericht wiederum berief sich auf Judikatur des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) und des Europäischen Gerichtshofs (EGMR). Der VfGH beziehe sich in dieser Rechtsprechung zwar konkret auf Intersexuelle, also Menschen mit Körpermerkmalen, die nicht ausschließlich männlich oder weiblich sind. Es gebe aber keine öffentlichen Interessen, die gegen eine Gleichbehandlung von Intersexualität und Transidentität sprächen - bei verfassungskonformer Auslegung des Personenstandsgesetzes sei zur Wahrung der individuellen Geschlechtsidentität daher die Streichung vorzunehmen. Dagegen wiederum wandte sich erneut der Wiener Bürgermeister und bekam nun vom VwGH Recht.
Der Verwaltungsgerichtshof stellt darauf ab, dass sich der VfGH eben nur auf Intersexuelle bezogen habe - und eben nicht auf Transidente. Darüber hinaus merkt er aber auch noch an: "Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte gehen nämlich - wie erwähnt - sowohl die österreichische Rechtsordnung als auch das soziale Leben (nach wie vor) von dem Prinzip aus, dass jeder Mensch entweder weiblich oder männlich ist." Das gelte unbeschadet des Umstandes, dass es eine "'geringe Zahl' von Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich (intersexuelle Personen) gibt".
Für die Eintragung des Geschlechts komme es "grundsätzlich auf das biologische, körperliche Geschlecht an", stellt der VwGH fest. "Eine andere Auslegung ist dem Verwaltungsgerichtshof mangels ausdrücklicher Regelung durch den Gesetzgeber verwehrt."
Kritik daran kommt vom Rechtskomitee Lambda (RKL): Der EMRK judiziere seit über drei Jahrzehnten, dass transidenten Personen das fundamentale Menschenrecht zukomme, zur Hintanhaltung von Bloßstellung und Zwangsouting Dokumente und Vornamen zu erhalten, die ihrem tatsächlich gelebten Geschlecht entsprechen sowie im tatsächlich gelebten Geschlecht umfassend rechtlich anerkannt zu werden. Die VwGH-Entscheidung führe dagegen zu einer "permanenten Bloßstellung und einem ständigen Zwangsouting für Transpersonen" bei der Vorlage von Dokumenten.
Gegen die zu erwartende erneute Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das nun an die Rechtsansicht des VwGH gebunden ist, will man nun den VfGH anrufen. "Wir vertrauen darauf, dass der Verfassungsgerichtshof ein Machtwort sprechen, diese schwere Menschenrechtsverletzung beenden, Österreich wieder in die Gemeinschaft der menschenrechtskonformen Länder zurückführen und sein bahnbrechendes Erkenntnis aus 2018 bestätigen wird", so RKL-Präsident Helmut Graupner in einer Aussendung.
Zusammenfassung
- Der Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag einer Transperson auf Streichung ihres Geschlechtseintrags abgelehnt und betont, dass das biologische Geschlecht entscheidend ist.
- Das Rechtskomitee Lambda kritisiert die Entscheidung als menschenrechtsverletzend und plant, den Verfassungsgerichtshof anzurufen.
- Die Entscheidung könnte zu einer ständigen Bloßstellung und einem Zwangsouting für Transpersonen führen, so das RKL.