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VwGH bestätigt: Pushback nach Slowenien rechtswidrig

Nachdem das Landesverwaltungsgericht Steiermark im Juli 2021 erkannt hatte, dass im Fall eines Pushbacks an der Grenzkontrollstelle Sicheldorf die im Herbst 2020 erfolgte Zurückweisung von Geflüchteten nach Slowenien zu Unrecht erfolgt war, liegt nun die höchstgerichtliche Bestätigung dieser Entscheidung vor. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat nämlich eine dagegen eingebrachte Revision der Landespolizeidirektion Steiermark zurückgewiesen.

Ins Rollen gebracht hatte das Verfahren eine Maßnahmenbeschwerde von Ayoub N., der am 28. September 2020 mit weiteren sechs Personen von heimischen Polizisten aufgegriffen und trotz eines Asylansuchens in der Südsteiermark innerhalb von nur achtundvierzig Stunden über Slowenien und Kroatien nach Bosnien gebracht worden war. Drei der Betroffenen waren laut Angaben des Innenministeriums unbegleitete Minderjährige. Die insgesamt sieben Personen hätten klar um Asyl gebeten und seien damit vorübergehend aufenthaltsberechtigt gewesen, hieß es seitens der Initiative Push-Back Alarm Austria sowie der Asylkoordination Österreich, die den Fall dokumentiert und öffentlich gemacht hatten.

Die höchstgerichtliche Bestätigung, dass die in der Amtszeit des damaligen Innenministers und nunmehrigen Bundeskanzlers Karl Nehammer (ÖVP) erfolgte Zurückweisung von Ayoub N. illegal war, kommentierte der Wiener Rechtsanwalt Clemens Lahner, der den gebürtigen Marokkaner vertritt, am Donnerstag in einer Pressemitteilung folgendermaßen: "Es ist uns gelungen, den Nachweis für die Verletzung eines absolut geltenden Menschenrechts zu erbringen. Es ist aber unbefriedigend, dass mein Mandant trotz der festgestellten Rechtsverletzung nicht automatisch das Recht zur Wiedereinreise nach Österreich hat." Die Initiative Push-Back Alarm Austria und die Asylkoordination Österreich fordern nun die Schließung dieser Rechtslücke. Wird ein Push-Back gerichtlich festgestellt, sollte den Betroffenen automatisch die Wiedereinreise gestattet und ein pauschaler Schadenersatz für die erlittene Grundrechtsverletzung zuerkannt werden, verlangten sie in einer Presseaussendung. Indes wird von Anwalt Lahner geprüft, ob Ayoub N. Amtshaftungsansprüche zustehen.

Der VwGH hält in seinem der APA vorliegenden Beschluss (Ra 2021/21/0274-6) fest, die vom Landesverwaltungsgericht Steiermark getroffene Annahme, es sei glaubwürdig, dass Ayoub N. in Anbetracht der ihm bekannten möglichen Zurückweisung an der Grenzkontrollstelle Sicheldorf sein Verlangen nach Asyl in hörbarer Weise kundgetan habe, könne "nicht als unschlüssig angesehen werden". Die beteiligten Sicherheitsorgane hätten sich "mit der Vermutung einer beabsichtigten Durchreise begnügt (...), ohne ihn nach dem Zweck seiner Einreise zu fragen". Laut VwGH wurde von den Grenzschutzbeamten "offenbar verabsäumt", sich zu vergewissern, ob der Marokkaner einen Antrag auf internationalen Schutz stellen wollte, und dessen Angaben zumindest stichwortartig zu dokumentieren. "Auch im Hinblick darauf war es gerechtfertigt, zugunsten des Mitbeteiligten auf Basis von dessen schriftlich übermittelten Aussagen anzunehmen, dass ein Antrag auf internationalen Schutz (...) gestellt worden war", heißt es in dem VwGH-Erkenntnis.

Der betroffene Marokkaner hofft jetzt, dass diese Entscheidung dem rechtswidrigen Handeln der Behörden an der sogenannten Balkanroute ein Ende setzt. "Der Alptraum muss endlich aufhören. Mir wurden zwei Jahre meines Lebens gestohlen", wird Ayoub N., der sich derzeit ohne Obdach in Serbien aufhält, in der gemeinsamen Presseaussendung von Push-Back Alarm Austria und der Asylkoordination Österreich zitiert. Darin treten die NGOs für "effektive Maßnahmen zur sofortigen Beendigung illegaler Push-Backs an der österreichischen Südgrenze" ein. Das Aussetzen aller Rückweisungen nach Slowenien nach Aufgriffen von Geflüchteten im Grenzgebiet und eine externe Evaluierung der Rückweisungen in den vergangenen beiden Jahren in Hinblick auf Ketten-Push-Backs, Folter und unmenschliche Behandlung seien unabdingbar.

Für Lukas Gahleitner-Gertz, den Sprecher der Asylkoordination Österreich, hat Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) Erklärungsbedarf, weil er im Dezember 2021 dem Parlament versichert habe, dass es in Österreich keine illegalen Push-Backs gebe: "Es stellt sich die Frage, ob der Innenminister das Parlament angelogen hat oder er schlicht keine Ahnung hat, was in seinem Einflussbereich passiert. In beiden Fällen ist er rücktrittsreif." Für Gahleitner-Gertz muss es nach dem nunmehr rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren Konsequenzen geben. Trotz der gravierenden Vorwürfe sei bisher nicht einmal ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Dabei habe das gegenständliche Verfahren gezeigt, dass seit 2020 hunderte Rückweisungen an der österreichischen Südgrenze zu Slowenien ident abgelaufen seien.

"Als Sofortmaßnahme müssen alle Rückweisungen nach Slowenien ausgesetzt und die Polizeimaßnahmen extern evaluiert werden", appellierte Klaudia Wieser von der Initiative Push-Back Alarm Austria an den Innenminister. Nach Angaben der slowenischen Polizei seien im laufenden Jahr wieder 27 Personen von Österreich übernommen worden - "beinahe doppelt so viele wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres", wie Wieser betonte.

Die Grünen forderten am Donnerstag, dass mit allen Mitteln sichergestellt werden müsse, "dass sich solche Fälle nicht mehr wiederholen". Menschen, die nach Österreich gelangen, müssten befragt werden und "wenn sie Schutz suchen, steht ihnen ein Verfahren zu, dafür braucht es nicht einmal das Wort `Asyl ́", so der Grüne Sprecher für Inneres, Sicherheit und Asylpolitik, Georg Bürstmayr, in einer Aussendung. Damit dies alle im Einsatz befindlichen Beamten wüssten, seien mit dem Koalitionspartner ÖVP spezifische Schulungen unter Einbeziehungen von externen Menschenrechtsexperten vereinbart worden. Bei Verstößen würden Disziplinarmaßnahmen drohen.

NEOS-Asylsprecherin Steffi Krisper bezeichnete das Urteil als "Weckruf und klaren Arbeitsauftrag an diese Bundesregierung, endlich umzudenken". Innenminister Karner und dessen Vorgänger Nehammer warf sie "reflexartiges, unreflektiertes und stures Zurückweisen der Vorwürfe" vor. Pushbacks seien ein Verstoß gegen das Folterverbot, so Krisper in einer Aussendung und forderte die Schaffung einer unabhängigen Beschwerdestelle für Polizeigewalt.

Die FPÖ sah das erwartungsgemäß anders: "Wir brauchen Pushbacks an den Außengrenzen", forderte der freiheitliche Europaabgeordneten Harald Vilimsky in einer Aussendung und plädierte für eine EU-Regelung, damit Behörden die Annahme eines Asylantrags unter bestimmten Umständen verweigern und damit Pushbacks ermöglichen könnten.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Initiative Push-Back Alarm Austria und die Asylkoordination Österreich fordern nun die Schließung dieser Rechtslücke.