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Vorarlberg-Wahl: Wo nicht Proporz sondern Mehrheitssystem gilt

Die ÖVP regierte dennoch trotz absoluter Mehrheit viele Jahrzehnte mit Regierungspartnern.

Mit der Bildung der Landesregierung nicht nach "Proporz", sondern nach dem Mehrheitssystem hatte Vorarlberg im Bundesländervergleich lange Zeit eine Sonderstellung inne. Strikt ausgelebt wurde das Prinzip von der Volkspartei über Jahrzehnte hinweg aber nicht. Denn obwohl für die ÖVP die überwiegende Zeit eine Alleinregierung möglich gewesen wäre, nahm sie freiwillig einen oder mehrere Partner in die Regierung. Seit 2014 arbeitet die Volkspartei mit den Grünen zusammen.

Die Anwendung des Mehrheitswahlrechts wurde in Vorarlberg 1923 in der Landesverfassung verankert, die stark auf Grundprinzipien in der benachbarten Schweiz beruht. Während in einem Proporzsystem alle größeren Landtagsparteien auch in der Regierung sitzen, entscheidet beim Mehrheitssystem die Landtagsmehrheit über die Bestellung des Landeshauptmanns und der Regierungsmitglieder. Erreicht keine Partei die absolute Mehrheit, ist die Kooperation von zwei oder mehreren Partnern notwendig.
 

ÖVP regiert (freiwillig) mit Partner

Die Vorarlberger ÖVP war vor 2009 nur einmal auf einen Koalitionspartner angewiesen, nämlich zwischen 1999 und 2004. Davor und danach hielt die Volkspartei zwar mehr als die Hälfte der 36 Mandate im Landtag, nahm bis 2009 allerdings immer freiwillig (mindestens) einen Partner mit in die Regierung auf. Seit 1949 war das die FPÖ, bis 1974 hatte die ÖVP auch der SPÖ jeweils einen Regierungssitz zugestanden. 2009 zerkrachte sich die Volkspartei nach einem "Juden"-Sager ihres damaligen Parteichefs Dieter Egger mit den Freiheitlichen und regierte fortan alleine. Als im Herbst 2014 die absolute Mehrheit verloren ging, entschied sich die Vorarlberger ÖVP erstmals für eine Koalition mit den Grünen und erneuerte dieses Bündnis - erneut ohne absolute Mehrheit ausgestattet - nach der Landtagswahl 2019.

Seit 1945 setzt sich die Landesregierung ohne Ausnahme aus dem Landeshauptmann, seinem Stellvertreter - in Vorarlberg "Landesstatthalter" genannt - sowie fünf weiteren Regierungsmitgliedern zusammen. Vorarlberg ist neben dem Burgenland das einzige Bundesland, das nur einen Landeshauptmann-Stellvertreter wählt, alle anderen bestimmen zwei.

Regeln für den Landeshauptmann

Bei der Kür des Landeshauptmanns und der anderen Regierungsvertreter sind den Abgeordneten seitens der Landesverfassung kaum Beschränkungen auferlegt. Bedingung ist, dass die zu bestellenden Personen am Wahltag 18 Jahre alt sind, den Hauptwohnsitz in Vorarlberg haben und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Die Mitglieder der Landesregierung müssen aber theoretisch nicht einmal für den Landtag kandidieren.

Die Praxis sieht freilich anders aus. Die Regierungsmitglieder werden als Zugpferde ihrer Partei in der Regel auf die vordersten Positionen der Landtagswahllisten gesetzt und somit zunächst auch in den Landtag gewählt. Es ist in Vorarlberg aber auch Tradition, dass die Mitglieder der Landesregierung nach ihrer Bestellung im Sinne der Gewaltenteilung ihr Landtagsmandat zurücklegen und somit sieben anderen Politikern den Einzug in das Landesparlament ermöglichen. Vorgeschrieben ist das jedoch nicht.

Mehrheitssystem weitet sich aus

Vorarlberg war über viele Jahrzehnte hinweg das einzige österreichische Bundesland, das das Mehrheitssystem praktizierte. 1999 folgten Tirol und Salzburg, vor wenigen Jahren auch das Burgenland (2014), die Steiermark (2015) und zuletzt Kärnten (2017). Weiter nach dem Proporzsystem zusammengesetzt werden die Landesregierungen in Oberösterreich, Niederösterreich und Wien.

Wie könnte das Ergebnis in Vorarlberg ausschauen?

ribbon Zusammenfassung
  • Mit der Bildung der Landesregierung nicht nach "Proporz", sondern nach dem Mehrheitssystem hatte Vorarlberg im Bundesländervergleich lange Zeit eine Sonderstellung inne.
  • Strikt ausgelebt wurde das Prinzip von der Volkspartei über Jahrzehnte hinweg aber nicht.
  • Denn obwohl für die ÖVP die überwiegende Zeit eine Alleinregierung möglich gewesen wäre, nahm sie freiwillig einen oder mehrere Partner in die Regierung.
  • Seit 2014 arbeitet die Volkspartei mit den Grünen zusammen.