Van der Bellen ruft Albanien zu weiteren Reformen auf
"Das kann aus meiner Sicht durchaus auch heißen, von dem einen oder anderen in Diskussion befindlichen Vorhaben abzusehen, wenn dieses sonst zur Belastung für die Glaubwürdigkeit des Reformprozesses werden könnte", mahnte der Bundespräsident bei einer Pressekonferenz und nannte konkret das vor kurzem auf Druck der EU ausgesetzte Goldene-Pässe-Programm. Die EU-Kommission hatte kritisiert, dass wohlhabenden Ausländern im Gegenzug für Investitionen die albanische Staatsbürgerschaft und damit die visafreie Einreise in die EU angeboten wurde. Nicht abrücken will Tirana indes bisher von ebenfalls von der EU kritisierten Plänen einer Steueramnestie.
Der albanische Präsident dankte Van der Bellen für Österreichs Unterstützung im Beitrittsprozess und bekräftigte "die Entschlossenheit Albaniens, die nötigen Reformen rasch fortzusetzen." Dabei zeigte er sich zuversichtlich, dass sich sein Land "auf einem guten Weg" befinde. "Albanien und die Albaner haben seit 32 Jahren einem Traum, sich mit der Europäischen Union zu vereinigen", so Begaj.
Auch Van der Bellen lobte den bisherigen Verlauf des sogenannten EU-Screeningprozesses als "sehr gut" und sagte Albanien weiterhin Österreichs Unterstützung im EU-Beitrittsprozess zu. Unterstützung will Österreich vor allem im Bereich Justiz und Rechtsstaatlichkeit leisten. Die mit gereiste Justizministerin Alma Zadic (Grüne) unterzeichnete dafür am Montagabend in Tirana mit ihrem albanischen Amtskollege Ulsi Manja eine Vereinbarung zur verstärkten Kooperation im Bereich der Rechtsstaatlichkeit. "Albanien hat bereits bemerkenswerte Fortschritte bei der Umsetzung von Justizreformen gemacht. Jetzt geht es darum diesen Weg konsequent weiter zu gehen - auch als klares Signal an die eigene Bevölkerung, in die Region und nach Brüssel, dass man den EU-Beitritt will", sagte Zadic.
Van der Bellen sprach sich im Rahmen seines Besuchs dafür aus, dass die Geschwindigkeit für den EU-Annäherungsprozess beschleunigt werden sollte. Zwar könne man kein Datum für einen EU-Beitritt Albaniens nennen, "aber es wird hoffentlich nicht länger dauern, als es seinerzeit gedauert hat zwischen Österreich und der EU", zeigte sich der Bundespräsident äußerst optimistisch.
In einer Rede vor dem albanischen Parlament appellierte Van der Bellen an die Abgeordneten, die aus österreichischer Sicht "beneidenswerte" überwältigende Zustimmung der Bevölkerung zur EU von 90 Prozent, "bestmöglichst zu nützen, um weiter gemeinsam und parteiübergreifend dieses für die Bevölkerung so wichtige Anliegen voranzubringen". Der Kompromiss sei "ein zentraler Baustein der Demokratie", sagte der Bundespräsident in seiner Rede.
Österreich unterstütze Albanien nicht nur im EU-Beitrittsprozess, sondern dränge auch darauf "dass möglichst viele Initiativen der EU den Bürgerinnen und Bürgern beider Seiten bereits vor einem Beitritt offen stehen", so Van der Bellen und verwies auf die EU-Programme Erasmus+, Creativ Europe und Horizon Europe.
Auch der russische Angriffskrieg in der Ukraine war Thema des Gespräches der beiden Präsidenten. Der Bundespräsident begrüßte dabei, "dass Albanien voll auf Seite der Ukraine steht". In Bezug auf die Normalisierungsgespräche zwischen Serbien und dem Kosovo zeigten sich beide Seite zuversichtlich angesichts der jüngsten Annäherung. Zwar gebe es noch keine Unterschrift, trotzdem handle es sich um "eine Annäherung, die in ihrer Bedeutung sicher nicht unterschätzt werden sollte", so Van der Bellen.
Albanien war die erste Station einer viertägigen Westbalkan-Reise des Bundespräsidenten gemeinsam mit Zadic und einer großen Wirtschaftsdelegation angeführt von WKO-Vizepräsidentin Martha Schultz. Im Rahmen des Besuchs fand auch ein Treffen Van der Bellens mit Ministerpräsident Edi Rama statt.
Am Dienstag reist die österreichische Delegation weiter ins Nachbarland Nordmazedonien. In den beiden EU-Kandidatenländern will der Bundespräsident "Türöffner" für heimische Unternehmer sein.
Nach jahrelangem Warten konnten Albanien und Nordmazedonien im Juli des Vorjahres endlich Beitrittsverhandlungen mit der EU aufnehmen. Für neue Dynamik im schleppenden EU-Erweiterungsprozess sorgte auch der russische Angriff auf die Ukraine vor rund einem Jahr und die Sorge einer Destabilisierung der Westbalkan-Region durch wachsende Einflüsse Russlands und Chinas. Albanien ist seit 2014 EU-Beitrittskandidat.
Zusammenfassung
- Bundespräsident Alexander Bellen hat Albanien bei einem Besuch in Tirana zu weiteren Reformen im Bereich Grundrechte, Rechtsstaatlichkeit und Justiz aufgerufen.
- Der albanische Präsident dankte Van der Bellen für Österreichs Unterstützung im Beitrittsprozess und bekräftigte "die Entschlossenheit Albaniens, die nötigen Reformen rasch fortzusetzen."
- Der Bundespräsident begrüßte dabei, "dass Albanien voll auf Seite der Ukraine steht".