Slowakei zuversichtlich über Abwendung von EU-Sanktionen
Er denke, dass beide Seiten bemüht sein werden, dass "nicht eine offene Auseinandersetzung wie zwischen Budapest und Brüssel herauskommt", sagte der Bundespräsident. Dies sei in beiderseitigem Interesse. Entsprechende Medienberichte über drohende Sanktionen bezeichnete er als "Bericht über ein Gerücht, dass es vielleicht .... und so weiter."
Laut "Financial Times" erwägt die EU-Kommission Sanktionen wegen mutmaßlichen Rückschritten bei der Rechtsstaatlichkeit in der Slowakei. Dies sei eine Reaktion auf die Entscheidung der slowakischen Regierung, die Anti-Korruptionsbehörde aufzulösen und könnte bedeuten, dass Brüssel einen Teil der 12,8 Milliarden Euro an Kohäsionsgeldern, die der Slowakei laut Budgetplan zustehen, zurückhält - ähnlich wie bei Ungarn. Die EU-Kommission hat außerdem Kritik geübt an den Plänen der Regierung zu Nichtregierungsorganisationen. NGOs, die auch aus dem Ausland Geld erhalten, sollen sich demnach verpflichten, sich als "Organisationen mit ausländischer Unterstützung" zu bezeichnen.
Pellegrini erklärte, dass es von Seiten der EU-Kommission Zweifel gebe, was rechtliche Regelungen im Strafrecht betrifft. Es gehe aber nicht - wie kolportiert - um die Abschaffung der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft. Auch in anderen Ländern gebe es keine solche Staatsanwaltschaft, die "normale Staatsanwaltschaft" könne diese Aufgaben übernehmen. Die slowakische Regierung arbeite daran, Brüssel zu überzeugen, dass die finanziellen Interessen der EU in der Slowakei vollwertig geschützt werden.
Auch in Bezug auf die EU-Kritik am geplanten NGO-Gesetz will Bratislava der EU zeigen, dass es sich nicht um Pläne zur Stigmatisierung von NGOs als Agenten handle. Es gehe der Regierung um mehr Transparenz bei der Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen so wie etwa bei politischen Parteien. Pellegrini versicherte Van der Bellen, dass die Slowakei auch weiterhin "ein guter Standort für österreichische Investitionen und österreichische Firmen" bleibe.
Van der Bellen betonte, dass Wien und Bratislava jene Hauptstädte in Europa seien, die einander am nächsten liegen. Dies sei "nicht nur geografisch so". Österreich sei der zweitgrößte Investor in der Slowakei, rund 2.000 Unternehmen seien in dem Nachbarland tätig. Mehr als 40.000 Slowakinnen und Slowaken hätten ihren Wohnsitz nach Österreich verlegt. Täglich pendelten 40.000 Menschen aus der Slowakei nach Österreich. Trotz Grenzkontrollen an der österreichisch-slowakischen Grenze sei es zu keinen wesentlichen zeitlichen Behinderungen für Pendler gekommen, so der Bundespräsident.
Pellegrini hob das grenzüberschreitende Rettungsabkommen als "Paradebeispiel" für gute Nachbarschaft hervor. Er sprach aber auch Mängel in der Infrastruktur an. Die Sanierung der Eisenbahnstrecke Marchegg werde weitergeführt. Bei der Verbindung der Flughäfen Schwechat und Bratislava "haben wir noch etwas nachzuholen".
Der 48-jährige Sozialdemokrat und frühere Regierungschef ist seit Mitte Juni im Amt. Pellegrini gilt als Verbündeter des links-nationalen Regierungschefs Robert Fico, der im Mai bei einem Schussattentat lebensgefährlich verletzt wurde.
Die Slowakei ist stark polarisiert. Die Stimmung zwischen Anhängern des Regierungskurses und der liberalen Oppositionsparteien, die der Regierung autokratische Tendenzen vorwerfen, ist sehr aufgeheizt. Pellegrini seinerseits unterzeichnete im Juli ein viel kritisiertes Gesetz, mit dem der bisherige öffentlich-rechtliche Rundfunk formell aufgelöst und durch ein neues Staatsmedium ersetzt wurde.
Zuletzt gab es Proteste gegen die nationalistische Kulturministerin. Martina Šimkovičová will mit umstrittenen Personalentscheidungen und ihrer Politik ausschließlich die "nationale slowakische Kultur" fördern. Ein Streik der Kulturschaffenden droht. Angesprochen auf Šimkovičová wollte Pellegrini keinen Kommentar abgeben.
Auch die Themen Ukraine und Nahost wurden in der Pressekonferenz nicht ausgeführt. Beide Staatsoberhäupter äußerten sich unterstützend zur EU-Erweiterung um den Westbalkan.
In seiner Antrittsrede hatte Pellegrini betont, dass viele Menschen in der Slowakei angesichts des Kriegs in der Ukraine verunsichert seien. Man müsse dem Nachbarland helfen, zu einem gerechten Frieden zu kommen. Ficos Regierung hatte nach ihrem Amtsantritt staatliche Waffenlieferungen an die Ukraine gestoppt. Zuvor war die Slowakei einer der größten Unterstützer des von Russland angegriffenen Landes.
Zusammenfassung
- Die EU-Kommission erwägt Sanktionen wegen mutmaßlicher Rückschritte bei der Rechtsstaatlichkeit in der Slowakei. Dies könnte die Zurückhaltung eines Teils der 12,8 Milliarden Euro an Kohäsionsgeldern bedeuten.
- Van der Bellen hob hervor, dass rund 2.000 österreichische Unternehmen in der Slowakei tätig sind und täglich 40.000 Menschen aus der Slowakei nach Österreich pendeln.