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UNO: Israels "Bombenkampagne" schützte Zivilisten zu wenig

Israel hat im Gaza-Krieg nach Einschätzung des UNO-Menschenrechtsbüros beim Einsatz von präzisionsgelenkten Bomben nicht genügend auf die Schonung von Zivilisten geachtet. Die UNO warf Israel Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Folter vor.

"Das Gebot, Mittel und Methoden der Kriegsführung so zu wählen, dass zivile Schäden vermieden oder zumindest so gering wie möglich gehalten werden, wurde bei der israelischen Bombenkampagne offenbar konsequent verletzt", teilte der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, am Mittwoch in Genf mit. 

Menschenrechtsexpertin und Juristin Navi Pillay warf Israel Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Folter vor. Sie ist die Vorsitzende der vom Menschenrechtsrat eingesetzten unabhängigen Untersuchungskommission zur Lage in den von Israel besetzten Gebieten.

Sie stellte dort am Mittwoch formell den Bericht der Kommission über die Lage in den Gebieten vor, der vergangene Woche veröffentlicht worden war. Israel erlaube der Kommission keinen Zugang, sagte sie. Damit verletzte Israel das Recht von Opfern, auch in Israel, gehört zu werden, sagte sie.

Schutz von Zivilisten offenbar ignoriert

In dem neuen Bericht über die Angriffe heißt es, Aussagen belegten, dass Israel den gebotenen Schutz von Zivilisten ignoriert habe. Das UNO-Büro beruft sich etwa auf die israelische Zeitung "Haaretz", die im Oktober 2023 Aussagen eines Militärsprechers zitierte. Der sagte demnach, es würden zwar Genauigkeit der Ziele und das Ausmaß des Schadens abgewogen, aber "im Moment konzentrieren wir uns auf das, was den maximalen Schaden verursacht".

Ein anderer Vertreter der Streitkräfte, der sich an die islamistische Terrororganisation Hamas und die Bewohner des Gazastreifens wandte, sagte demnach: "Menschliche Bestien werden entsprechend behandelt. Israel hat eine totale Blockade über Gaza verhängt. Kein Strom und kein Wasser, nur Schäden. Ihr wolltet die Hölle, ihr werdet die Hölle bekommen."

218 Tote bei sechs Angriffen

Das Büro hat sechs israelische Angriffe zwischen dem 9. Oktober und dem 2. Dezember 2023 im Gazastreifen untersucht. Es geht davon aus, dass dabei Bomben der Typen GBU-31, GBU-32 und GBU-39 zum Einsatz kamen, die durch Beton dringen und mehrere Etagen eines Gebäudes zerstören können.

Damit seien Wohnhäuser, eine Schule, ein Flüchtlingslager und ein Markt angegriffen worden. Dabei seien mindestens 218 Menschen getötet worden. Bei einem Angriff mit vermutlich neun GBU-31-Bomben am 2. Dezember habe die Zerstörung einen Kreis mit 130 Metern Durchmesser betroffen. Darin seien 15 Wohnhäuser zerstört und 14 weitere beschädigt worden.

Verbrechen gegen die Menschheit?

Nach dem Kriegsrecht, einem Teil des humanitären Völkerrechts, müssen zivile Einrichtungen bei Angriffen möglichst verschont werden. Wenn dort Kämpfer vermutet werden, muss abgewogen werden, ob die Schäden der eingesetzten Mittel nicht größer sein könnten als die erhofften Ziele.

"Israels Methoden und Mittel, die es seit dem 7. Oktober im Gazastreifen einsetzt, einschließlich des umfangreichen Einsatzes von Explosivwaffen mit großflächiger Wirkung in dicht besiedelten Gebieten, haben nicht gewährleistet, dass sie wirksam zwischen Zivilisten und Kämpfern unterscheiden", heißt es in dem Bericht. Es könne sich auch um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handeln.

Video: Israels Armee befreit vier Hamas-Geiseln

Der Bericht kritisiert auch bewaffnete palästinensische Gruppen, die Projektile auf Israel abfeuern, die Zivilisten treffen können. Das UNO-Büro für Menschenrechte erinnert daran, dass militärisches Material oder Personen nicht in dicht bevölkerten Gebieten stationiert werden sollen.

Kritik aus Israel

Israel warf dem UNO-Menschenrechtsbüro wie schon oft eine antiisraelische Haltung vor. "Es besteht daher kein Zweifel daran, dass das einzige Ziel dieses thematischen Berichts darin besteht, Israel an den Pranger zu stellen und zu verurteilen, während die Hamas-Terroristen im Gazastreifen weiter geschützt werden", hieß es in einer Stellungnahme der Botschaft in Genf.

Israel bekämpfe Hamas und andere bewaffnete Gruppen, nicht die Zivilbevölkerung. Hamas verstecke sich aber absichtlich unter Zivilisten, um möglichst großen Schaden zu verursachen.

Geisel-Mutter sprach von sexueller Gewalt

In der Aussprache über den Bericht der Untersuchungskommission zu den Vorgängen in den besetzten Gebieten überließ die israelische Botschafterin in Genf das Wort der Mutter einer Geisel. Meirav Leshem Gonens Tochter Romi (23) wurde am 7. Oktober von Terroristen in den Gazastreifen entführt.

Sie warf der Kommission vor, sexuelle Gewalt gegen Entführte nicht genügend berücksichtigt zu haben. Alle sollten zusammen gegen Terroristen kämpfen, es müsse mehr für die Geiseln getan werden, sagte sie, und an die Adresse des Präsidenten des Rates: "Bitte helfen Sie mir, dass ich meine Tochter wieder in den Arm nehmen kann."

ribbon Zusammenfassung
  • Das UNO-Menschenrechtsbüro kritisiert Israel für den mangelnden Schutz von Zivilisten bei Bombenangriffen im Gaza-Krieg.
  • Menschenrechtsexpertin Navi Pillay wirft Israel Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.
  • Ein neuer Bericht der UNO dokumentiert, dass israelische Angriffe mindestens 218 Menschen getötet haben.
  • Israelische Streitkräfte haben Wohnhäuser, eine Schule, ein Flüchtlingslager und einen Markt im Gazastreifen bombardiert.
  • Israel wirft der UNO eine antiisraelische Haltung vor und betont, dass es Hamas und andere bewaffnete Gruppen bekämpft.