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UNO-Chef: "Grenze der Belastbarkeit" in Gaza erreicht

UN-Generalsekretär António Guterres hat den Weltsicherheitsrat erneut gedrängt, sich für einen humanitären Waffenstillstand im Gazakrieg einzusetzen. Die "Grenze der Belastbarkeit" im Gazastreifen sei erreicht, sagte Guterres am Freitag in New York.

"Es gibt ein hohes Risiko, dass das humanitäre Unterstützungssystem in Gaza komplett zusammenbricht, was verheerende Konsequenzen hätte." Die Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung wird laut Augenzeugen immer dramatischer.

Die Sitzung des UNO-Gremiums war einberufen worden, weil Guterres den Rat zuvor in einem seltenen Schritt dringend aufgefordert hatte, sich für die Abwendung einer humanitären Katastrophe im Gazastreifen einzusetzen.

Resolution über Waffenstillstand

In einem entsprechenden Brief bezog er sich dabei auf Artikel 99 der UN Charta. Dieser erlaubt dem Generalsekretär, den Sicherheitsrat auf "jede Angelegenheit hinzuweisen, die seiner Meinung nach die Gewährleistung von internationalem Frieden und Sicherheit gefährden kann" und ist den UN zufolge seit Jahrzehnten nicht angewandt worden.

Die Vereinigten Arabischen Emirate legten daraufhin einen neuen Resolutionsentwurf mit der Forderung nach einem Waffenstillstand vor. Ob und wann über den Entwurf abgestimmt wird, war nicht klar. Eigentlich war dies für die Sitzung mit Guterres vorgesehen gewesen, wurde dann aber wieder verschoben.

Möglicherweise könne es am Freitagabend (Ortszeit) noch zu einer Abstimmung kommen, hieß es aus Diplomatenkreisen. Ähnliche Resolutionsvorstöße waren bisher am Widerstand der USA gescheitert.

Dramatische humanitäre Lage

Im Gazastreifen wird die humanitäre Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung unterdessen aufgrund der massiven Bodenoffensive der israelischen Streitkräfte immer dramatischer. In Rafah an der Grenze zu Ägypten und Al-Mawasi an der Mittelmeerküste gibt es Augenzeugenberichten zufolge kaum noch Lebensmittel, Trinkwasser und Unterkünfte für die Schutzsuchenden. Angesichts des Leids und der Vertreibung von Zivilisten wächst international die Kritik am Vorgehen der israelischen Armee.

Die islamistische Hamas missbraucht nach Angaben des israelischen Militärs immer wieder zivile Einrichtungen für Angriffe. So entdeckten Soldaten auf dem Gelände der Al-Azhar-Universität im Gazastreifen Waffen und Tunnel, wie die Streitkräfte am Freitag mitteilten. Auch aus der von Militärangriffen ausgenommenen "humanitären Zone" in Al-Mawasi feuere die Hamas Raketen Richtung Israel ab.

Israel greift Hamas-Hochburg an

Das israelische Militär setzte am Freitag seinen Einsatz in der Hamas-Hochburg Khan Younis fort und tötete Dutzende mutmaßliche Kämpfer der islamistischen Organisation. Dies sei Teil der "ausgedehnten Kämpfe" im Gazastreifen, wo innerhalb von 24 Stunden rund 450 Ziele angegriffen worden seien, erklärte die israelische Armee. Auf von der israelischen Armee veröffentlichten Aufnahmen war zu sehen, wie Marineeinheiten vom Mittelmeer aus Hamas-Infrastruktur beschießen.

Israelischen Angaben zufolge wurden bisher 91 israelische Soldaten im Gazastreifen getötet. Die im Gazastreifen herrschende Hamas erklärte ihrerseits, sie bekämpfe die israelischen Truppen "auf allen Achsen". Das von den Islamisten kontrollierte Gesundheitsministerium meldete am Freitag weitere 40 Tote bei Gefechten in der Nähe der Stadt Gaza und dutzende weitere in Yabaliya und Khan Younis.

1,9 Millionen Binnenvertriebene

Im Gazastreifen gibt es einem israelischen Medienbericht zufolge rund 150 Zufluchtsorte für Schutz suchende Zivilisten. Diese würden nicht von der Armee angegriffen, meldete die "Times of Israel" unter Berufung auf die für Kontakte mit den Palästinensern zuständige israelische Cogat-Behörde. Dazu zählten etwa Schulen und andere öffentliche Einrichtungen.

Die Vereinten Nationen melden demnach die Koordinaten dieser Gebäude an Israel. UN-Angaben zufolge gibt es mittlerweile fast 1,9 Millionen Binnenvertriebene in dem Küstenstreifen - bei mehr als 2,2 Millionen Bewohnern insgesamt.

Zwei Kommandanten auf EU-"Terrorliste"

Die EU setzte den Kommandanten des bewaffneten Arms der Hamas, Mohammed Deif, auf seine Terrorliste. Auch Marwan Issa wurde aufgenommen, wie aus dem EU-Amtsblatt vom Freitag hervorgeht. Der Mitteilung zufolge müssen nun alle Gelder sowie andere finanzielle Vermögenswerte und wirtschaftliche Ressourcen dieser Personen eingefroren werden.

Zudem dürften ihnen weder direkt noch indirekt Vermögenswerte und wirtschaftliche Ressourcen bereitgestellt werden. Mohammed Deif und Marwan Issa gelten als Hamas-Führungsfiguren und Planer des beispiellosen Massakers in Israel vom 7. Oktober.

Massaker vom 7. Oktober

Auslöser des Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübt hatten. Mehr als 1.200 Menschen wurden dabei getötet.

Durch die darauf folgenden israelischen Angriffe auf den Gazastreifen kamen nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums inzwischen mehr als 17.000 Menschen ums Leben. Unabhängig lässt sich dies gegenwärtig nicht überprüfen.

ribbon Zusammenfassung
  • UN-Generalsekretär António Guterres hat den Weltsicherheitsrat erneut gedrängt, sich für einen humanitären Waffenstillstand im Gazakrieg einzusetzen.
  • Die "Grenze der Belastbarkeit" im Gazastreifen sei erreicht, sagte Guterres am Freitag in New York.
  • "Es gibt ein hohes Risiko, dass das humanitäre Unterstützungssystem in Gaza komplett zusammenbricht, was verheerende Konsequenzen hätte."