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Ungarn gewährt polnischem Politiker Asyl - Warschau empört

Nachdem Ungarn dem von Polen per Europäischem Haftbefehl gesuchten früheren Vizeminister Marcin Romanowski Asyl gewährt hat, nehmen die Spannungen zwischen den beiden EU-Ländern zu. Der polnische Botschafter in Budapest wurde auf unbestimmte Zeit nach Warschau zurückbeordert, wie ein Sprecher des Außenministeriums am Freitag sagte. Außerdem habe man Ungarns Botschafter ins Ministerium zitiert und ihm eine Protestnote übergeben.

Den staatlichen Schutz für den ehemaligen stellvertretenden polnischen Justizminister Romanowski rechtfertigte Gergely Gulyás, Stabschef des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, damit, die polnische Regierung verfolge ihre politischen Gegner. Die Regierung in Warschau wies die Vorwürfe zurück.

"Wir betrachten die Entscheidung (...), M. Romanowski, der krimineller Handlungen verdächtigt und mit Europäischem Haftbefehl gesucht wird, politisches Asyl zu gewähren, als einen Akt, der der Republik Polen und den Grundsätzen der Europäischen Union feindlich gegenübersteht", erklärte der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski auf der Online-Plattform X. Warschau kündigte an, die EU-Kommission einzuschalten, sollte Ungarn seinen Verpflichtungen nicht nachkommen.

Auch Polens Regierungschef Donald Tusk kritisierte Ungarn scharf. Er habe nicht geahnt, dass korrupte Beamte auf der Flucht vor Strafverfolgung mittlerweile zwischen Schutz beim belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko oder bei Ungarns Regierungschef Orbán wählen könnten, sagte Tusk in Brüssel. "Diejenigen, die gestohlen haben, diejenigen, die korrupt sind, suchen Zuflucht in Ländern, die von Politikern regiert werden, die ihnen ähnlich sind."

Gulyás erklärte dagegen: "Die Handlungen der Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk haben eine Situation geschaffen, in der die polnische Regierung die Urteile des Verfassungsgerichts missachtet und das Strafrecht als Instrument gegen politische Gegner einsetzt."

Nach Angaben von Romanowskis Anwalt Bartosz Lewandowski argumentierte der Politiker in seinem Asylgesuch, die Ermittlungen der polnischen Staatsanwaltschaft gegen ihn seien politisch motiviert. Auch könne er in Polen nicht mit einem fairen Prozess rechnen, schrieb Lewandowski auf X.

Die ehemalige polnische Regierung der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte eine umstrittene Justizreform durchgesetzt, zu der auch die Schaffung eines Verfassungsgerichts mit ihr genehmen Richtern gehört. Die EU-Kommission sah unter anderem wegen der PiS-Justizreform die demokratische Gewaltenteilung in Gefahr und stoppte EU-Zahlungen an die Regierung in Warschau. In Ungarn treibt Ministerpräsident Orbán ähnliche Reformen voran, die ebenfalls von der EU-Kommission als Gefahr für die Unabhängigkeit der Justiz eingestuft werden.

Am polnischen Verfassungsgericht sind bisher etliche Versuche der Regierung von Tusk gescheitert, von der PiS geschaffene Strukturen aufzuheben. Auch der PiS-nahe Präsident Andrzej Duda hat mit seinem Veto derartige Versuche gestoppt. In Polen wird im nächsten Jahr ein neues Staatsoberhaupt gewählt.

Gegen den 48-jährigen Romanowski wird wegen des Vorwurfs der Korruption ermittelt. Ihm wird der Missbrauch öffentlicher Gelder vorgeworfen. Er war deswegen festgenommen worden, wurde aber nach Intervention des Europarats im vergangenen Juli freigelassen. Der Europarat pochte auf die Immunität von Romanowski, da dieser Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats sei. Diese ist jedoch mittlerweile wieder aufgehoben worden. Romanowski, gegen den ein Europäischer Haftbefehl erlassen wurde, bestreitet die Vorwürfe.

Orbán hatte bereits vor einigen Jahren für Empörung gesorgt, als er dem Ex-Premier Mazedoniens (heute Nordmazedonien), Nikola Gruevski, 2018 politisches Asyl gewährte. Der nationalistische Ex-Regierungschef war in seiner Heimat wegen Korruption verurteilt worden. Seine Flucht durch mehrere Balkan-Staaten hatten Mitarbeiter des ungarischen Geheimdienstes organisiert.

ribbon Zusammenfassung
  • Die EU-Kommission hatte bereits zuvor wegen Polens umstrittener Justizreform EU-Zahlungen gestoppt. Ähnliche Reformen von Ungarns Premierminister Orbán stehen ebenfalls in der Kritik der EU.