Tschechien erachtet Erweiterung als wichtig für Sicherheit
Kritik an Israels Vorgehen zur Bekämpfung der militanten Palästinenser-Organisation Hamas im Gazastreifen wollten beide Minister nicht äußern. Sowohl Schallenberg als auch Lipavský betonten, dass die Hamas als Terrororganisation angeprangert werden müsse. "Wir dürfen Opfer mit Tätern nicht vertauschen", sagte Schallenberg. Israels Selbstverteidigung sei durch das Völkerrecht limitiert. Aber es gebe einen "großen Unterschied": "Während Israel versucht, in einem sehr dicht besiedelten Gebiet, zivile Opfer zu vermeiden, (...) sucht die Hamas nach zivilen Opfern", so Schallenberg. Beide waren sich auch einig, dass es für den Gazastreifen humanitäre Hilfe geben müsse.
Beide Länder hatten Ende Oktober gegen die mit einer Mehrheit angenommene UNO-Resolution gestimmt, die zu einer sofortigen Waffenruhe im Gazastreifen aufgerufen hatte. Ein Austritt aus der UNO, wie daraufhin von Tschechiens Verteidigungsministerin Jana Černochová gefordert, steht offenbar aber nicht auf der Agenda. "Die Position der Tschechischen Republik ist sehr klar", antwortete Lipavský von der APA darauf angesprochen: "Es ändert sich natürlich nichts."
Schallenberg und Lipavský hoffen im Ukraine-Krieg auf Verhandlungen. "Kein Konflikt auf diesem Planeten wurde auf dem Schlachtfeld gelöst", betonte Schallenberg. Eine Lösung könne es langfristig nur auf dem Verhandlungstisch geben, "aber wir sind noch nicht dort". Beide sagten außerdem, dass es keine Friedenslösung ohne die Einbeziehung der Ukraine geben dürfe.
Beide betonten außerdem die Bedeutung der EU-Erweiterung. Die EU sei angesichts der Kriege in der Ukraine, im Gazastreifen, aber auch der Spannungen zwischen Belgrad und Prishtina von einem "Ring von Feuer" umgeben, so Schallenberg: "Wir müssen dem Ring von Feuer entgegenwirken, der uns umgibt, mit einem Ring der Stabilität." Das sei auch "eine Sicherheitsfrage für uns". Schallenberg und Lipavský erhoffen sich von der EU-Kommission ein "klares Signal" in Sachen EU-Erweiterung für den Osten (Ukraine und Moldau), aber auch für den Westbalkan. Die Kommission wird am Mittwoch ihre Empfehlung zur Eröffnung von Beitrittsverhandlungen veröffentlichen.
Angesichts der Einigkeit in vielen Fragen berichtete Schallenberg von den früheren bilateralen Problemen zwischen Tschechien und Österreich. Früher sei es ein "Navigieren durch heikle Themen" gewesen - von unterschiedlichen Ansichten über die Vergangenheit wie die Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg und der Haltung zur Atomenergie. "Und Donnerwetter, die Dinge haben sich verändert", so Schallenberg. Wenn er heute nach Prag reise, sei es ein "Besuch unter Freunden, die den gleichen geopolitischen Ansatz teilen, Freunde, die sich zusammenschließen, um die Nachbarschaft und darüber hinaus zu schützen". Er verwies auch auf den wirtschaftlichen Faktor: Die Direktinvestitionen Österreichs in der Tschechischen Republik belaufen sich laut ihm auf 17 Milliarden Euro. Tschechen seien die viertgrößte Gruppe von Touristen in Österreich.
Lipavský betonte, auch selbst gern als Tourist die österreichischen Berge zu besuchen. Und auch wenn es sein erster bilateraler Besuch in Wien sei, gebe es in verschiedenen Plattformen wie dem Slavkov-Format (Österreich, Tschechien und Slowakei), den Central Five (Österreich, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien) und am Rande von EU-Ministerräten zahlreiche Möglichkeiten für den Austausch. Auch wenn es etwa im Rahmen der Visegrad-Vier (Tschechien, Slowakei, Ungarn und Polen) unterschiedliche Meinungen gebe, sei der regionale Austausch wichtig. Es gehe nicht darum, eine gemeinsame Position zu bilden, um damit in Verhandlungen auf EU-Ebene zu gehen. "Wir in Mitteleuropa haben die gleichen Probleme, im Hinblick auf die illegale Migration, hohe Energiepreise, geopolitische Fragen", sagte Lipavský. Schallenberg ergänzte: "Nachbarschaft ist wichtig." Ungarn gilt im Vergleich zu Tschechien als wenig Moskau-kritisch, und die neue slowakische Regierung des Linksnationalen Robert Fico hat einen Stopp der Militärhilfe für die Ukraine verkündet.
Zuvor hatte Lipavský in der Diplomatischen Akademie die tschechische Sicherheitsstrategie vorgestellt. Die Erweiterung sei sehr wichtig, um Europa zu sichern. "Für die Ukraine ist die EU- und NATO-Mitgliedschaft eine wichtige Sicherheitsgarantie", sagte Lipavský am Dienstagvormittag. Im Moment sei allerdings kein einziges Land bereit, der EU beizutreten. Gleichzeitig warnte Lipavský vor einer Friedenslösung ohne die Einbeziehung Kiews. Der Ukraine ohne ihre Mitsprache eine Lösung zur Beendigung des russischen Kriegs zu diktieren, würde dazu führen, dass sich 40 Millionen Ukrainer "betrogen" fühlen - wie sein Land nach dem Münchner Abkommen 1938. Und Russland würde dennoch nicht stoppen. Russland werde eine "Sicherheitsbedrohung für den (europäischen, Anm.) Kontinent mindestens für Jahrzehnte", sagte er. "Wir müssen dafür vorbereitet sein."
Zusammenfassung
- Kritik an Israels Vorgehen zur Bekämpfung der militanten Palästinenser-Organisation Hamas im Gazastreifen wollten beide Minister nicht äußern.
- Sowohl Schallenberg als auch Lipavský betonten, dass die Hamas als Terrororganisation angeprangert werden müsse.
- Angesichts der Einigkeit in vielen Fragen berichtete Schallenberg von den früheren bilateralen Problemen zwischen Tschechien und Österreich.