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China verbittet sich Kritik an Umgang mit Massaker von 1989

Am 35. Jahrestag der blutigen Niederschlagung von Anti-Regierungsprotesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens (Tian'anmen) in Peking hat China die Einmischung anderer Staaten kritisiert. "Zu den politischen Unruhen, die Ende der 1980er-Jahre passierten, hat die chinesische Regierung früh eine klare Schlussfolgerung gehabt", sagte Außenamtssprecherin Mao Ning am Dienstag, ohne weiter auf die Ereignisse vom 4. Juni 1989 einzugehen.

Peking habe es stets abgelehnt, dies als Vorwand zu nutzen, China anzugreifen und sich damit in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen. Nach wochenlangen, friedlichen Protesten für mehr Demokratie hatte Chinas Regierung in der Nacht vom 3. auf den 4. Juni 1989 die Volksbefreiungsarmee anrücken lassen. Um den Tian'anmen-Platz kamen bei der Niederschlagung damals Hunderte Menschen ums Leben. Die offizielle Zahl ist bis heute nicht bekannt.

In China ist der 4. Juni ein Tabu-Thema. Auf dem Tian'anmen-Platz wie auch im Rest des Landes wird der Opfer nicht offiziell gedacht. Am Dienstag mussten Besucher des Platzes an strengen Ausweis- und Taschenkontrollen der Polizei vorbei. In der gesamten Stadt waren an wichtigen Verkehrsbrücken Soldaten postiert. Mittlerweile ist der Zutritt zum Tian'anmen-Platz für Touristen auch an gewöhnlichen Tagen nur noch mit einer Reservierung möglich.

In der chinesischen Sonderverwaltungsregion Hongkong reagierte die Polizei mit erhöhter Präsenz auf den 35. Jahrestag der blutigen Niederschlagung der Pekinger Studentenproteste. Hongkong war lange Zeit der einzige Ort in China, an dem der Opfer gedacht werden konnte. Seit einigen Jahren werden aber auch dort, einhergehend mit einem härteren Durchgreifen Pekings, öffentliche Gedenkveranstaltungen am 4. Juni unterbunden.

Besonders rund um den Hongkonger Victoria Park, wo noch bis 2019 jährlich eine angemeldete Kerzen-Mahnwache stattfand, patrouillierten am Dienstag Sicherheitsbeamte. Die Sportplätze des Parks, wo sich in früheren Jahren oft zehntausende Menschen versammelten, um dem Jahrestag zu gedenken, wurden für ein Festival genutzt. An Ständen gab es dort Delikatessen aus verschiedenen chinesischen Provinzen. Auf einer Bühne wurden Tänze aufgeführt.

Hunderte Hongkonger Polizisten würden nach Aktivitäten Ausschau halten, die an das Tian'anmen-Massaker erinnerten, berichtete die Hongkonger Zeitung "South China Morning Post". Schon am Vorabend des Jahrestags sei die Präsenz an "sensiblen Orten" verstärkt worden. Auch werde die Polizei Soziale Medien überwachen. In den vergangenen Tagen hatte es mehrere Festnahmen im Zusammenhang mit dem Gedenktag gegeben.

Der neue taiwanesische Präsident Lai Ching-te gedachte der Opfer der 1989 blutig niedergeschlagenen Demokratieproteste auf dem Tian'anmen-Platz offen und kritisierte den Umgang der chinesischen Führung damit. "Ein wirklich respektables Land ist eines, das seinen Bürgern erlaubt, ihre Meinung zu sagen", schrieb er am Dienstag auf Facebook. Jede politische Macht solle den Mut haben, sich der Stimme des Volkes zu stellen, ergänzte er. Die Erinnerung an den 4. Juni werde nicht im Strom der Geschichte untergehen und man werde weiter hart daran arbeiten, die Erinnerung daran zu bewahren, schrieb Lai.

Die für China-Angelegenheiten zuständige Behörde Taiwans (MAC) forderte Chinas Regierung auf, den Mut zu haben, die geschichtlichen Fakten des 4. Junis anzuerkennen und eine offenere Haltung anderen Meinungen gegenüber einzunehmen. China betrachtet das demokratisch regierte und selbstverwaltete Taiwan seit der politischen Spaltung zwischen beiden im Jahr 1949 als abtrünniges Gebiet, das es wieder mit dem Festland vereinigen will - notfalls mit militärischer Gewalt.

Auch die EU ließ sich das Gedenken nicht nehmen: In Brüssel wurden in einer Aussendung des Europäischen Auswärtige Dienstes die Tian'namen-Opfer gewürdigt. Darin war von einer "gewaltsamen Unterdrückung der friedlichen Pro-Demokratieproteste" die Rede. "Die Erinnerung an die Getöteten, die Inhaftierten und jene, die als vermisst gelten, sind entscheidend für künftige Generation und die das kollektive Gedächtnis. Die Europäische Union ist solidarisch mit den Familien der Opfer und ruft die chinesischen Behörden auf, die Ereignisse (von damals) anzuerkennen und konkrete Schritte der Strafverfolgung zu setzen", hieß es weiter. Die Rechte der rund um die Demokratiebewegung Inhaftierte müssen gewahrt werden. Man verurteile Maßnahmen, um das Gedenken zu unterbinden. Die EU werden weiter im Dialog mit China auf die Umsetzung der Menschenrechte in der Volksrepublik pochen.

Das österreichische Außenministerium retweetete die EU-Stellungnahme auf X "als Zeichen des Gedenkens", wie eine Sprecherin der APA auf Anfrage mitteilte. Die deutsche Botschaft in Peking zeigte in der Nacht auf Dienstag an ihrem Gebäude in mehreren Fenstern ein Video flackernder Kerzen - ein seit Jahren bekanntes Symbol der Erinnerung an den 4. Juni. Auch internationale Menschenrechtsgruppen übten Kritik zum Gedenken. "Die chinesische Regierung hat bis heute keine Verantwortung für die während des Militäreinsatzes begangenen Menschenrechtsverletzungen übernommen", erklärte Jasna Causevic von der Gesellschaft für bedrohte Völker.

ribbon Zusammenfassung
  • China kritisierte am 35. Jahrestag des Tian'anmen-Massakers die Einmischung anderer Staaten in seine inneren Angelegenheiten.
  • Am 4. Juni 1989 wurden bei der Niederschlagung von Demokratieprotesten durch die Volksbefreiungsarmee Hunderte Menschen getötet.
  • In Hongkong wird die Erinnerung an das Massaker zunehmend unterdrückt, und die Polizei zeigt verstärkte Präsenz rund um den Victoria Park.
  • Der taiwanesische Präsident Lai Ching-te kritisierte offen den Umgang der chinesischen Regierung mit den Ereignissen und forderte mehr Meinungsfreiheit.
  • Die EU und internationale Menschenrechtsgruppen fordern China auf, die Ereignisse von 1989 anzuerkennen und die Menschenrechte zu wahren.