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Selenskyj dankt Deutschland und erbittet mehr Hilfe

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich beim deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz für die "sehr kraftvolle" deutsche Hilfe bei der Flugabwehr gegen russische Angriffe bedankt.

Die "brillanten Iris-T-Systeme" aus Deutschland hätten sich als "sehr wirksam beim Schutz unseres Luftraums erwiesen", sagte Selenskyj am Montag in seiner abendlichen Videobotschaft. Zudem habe Deutschland der Ukraine das sehr effektive Flugabwehrsystem vom US-Typ Patriot überlassen. "Die Ukraine ist sehr dankbar dafür", sagte Selenskyj nach einem Telefonat mit Scholz.

Selenskyj zufolge wurden seit Kriegsbeginn mehr als 180 russische Flugzeuge, mehr als 130 Hubschrauber, über 40 Raketen und mehr als 1.000 Marschflugkörper sowie über 1.600 Drohnen abgeschossen. "All das bedeutet abertausende Leben, die von Ihnen gerettet wurden, hunderte Orte mit wichtiger Infrastruktur, die Ihr geschützt habt."

Ukraine brauche noch viel mehr Hilfe

Zugleich machte Selenskyj einmal mehr deutlich, dass die Ukraine noch viel mehr Hilfe des Westens brauche für den eigenen Schutz. "Leider hat unser Land nicht genügend hochqualitative Flugabwehrsysteme, um unser ganzes Gebiet zu schützen und alle feindlichen Ziele zu zerstören", sagte er. Russland nutze diese Schwäche aus - wie etwa am Montag, als ein Drohnenangriff Wohnhäuser und ein Gebäude des Geheimdienstes in der nordöstlichen Stadt Sumy getroffen habe.

Selenskyj bekräftigte sein Ziel, die Ukraine zur Basis für einen Raketenschutzschirm in Europa gegen russische Angriffe zu machen. "Das ist absolut notwendig und absolut möglich", sagte er. Europa könne nur in Frieden leben, wenn es Sicherheitsgarantien gebe. Ein Sicherheitsdefizit hingegen werde immer wieder aufs Neue "russische Tyrannei und Aggression provozieren".

In ihrem Telefonat erörterten Scholz (SPD) und Selenskyj am Montag die politische, militärische und humanitäre Lage in der Ukraine. Der deutsche Kanzler bekräftigte laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit "die fortwährende und unverbrüchliche Solidarität" mit der Ukraine. Deutschland werde die Unterstützung, auch im militärischen Bereich, in enger Abstimmung mit internationalen Partnern fortführen.

Selenskyj bei NATO-Gipfel noch ungewiss

Einer Mitteilung Selenskyjs zufolge wurden in dem Gespräch auch die ukrainischen und deutschen Positionen vor dem NATO-Gipfel im litauischen Vilnius in der kommenden Woche abgestimmt. Laut Medienberichten ist über eine persönliche Teilnahme Selenskyjs am Gipfeltreffen bisher noch nicht entschieden worden. In dem Telefonat seien zudem "zukünftige Sicherheitsgarantien" für die Ukraine besprochen worden, hieß es aus Kiew. Details wurden nicht genannt.

Scholz und Selenskyj riefen zudem zur Verlängerung des am 17. Juli auslaufenden Getreideabkommens unter Ägide der Vereinten Nationen auf, weil es dazu beitrage, die globale Versorgung mit Lebensmitteln zu verbessern.

Getreide-Deal: EU denkt über Zugeständnisse nach

Um Russland zur Verlängerung des Getreideabkommens mit der Ukraine zu bewegen, wird in der EU über mögliche Zugeständnisse nachgedacht. Nach Angaben von Diplomaten könnte der russischen Landwirtschaftsbank (Russian Agricultural Bank) angeboten werden, eine Umgehung von EU-Sanktionen zu tolerieren. Die Bank könnte demnach eine Tochtergesellschaft gründen, um für die Abwicklung bestimmter Zahlungen wieder das internationale Finanzkommunikationsnetzwerk Swift nutzen zu können. Wegen Sanktionen aufgrund des russischen Angriffskriegs ist ihr das zurzeit nicht erlaubt.

Hintergrund der Überlegungen sind nach dpa-Informationen Drohungen Russlands, das Abkommen zum Export ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer Mitte des Monats auslaufen zu lassen. Moskau verweist auf angebliche Beschränkungen für russische Agrar- und Düngemittelexporte, deren Lockerung im Gegenzug für die Ausfuhr ukrainischen Getreides erwartet würde. In diesem Zusammenhang fordert Russland auch ein Ende der Sanktionen gegen seine staatliche Landwirtschaftsbank, um Zahlungen einfacher abwickeln zu können.

Keine Aufhebung der russischen Landwirtschaftsbank-Sanktion

Dass die EU die Sanktionen gegen die Landwirtschaftsbank nicht einfach aufhebt, hat nach Angaben von Diplomaten vom Montag damit zu tun, dass es dafür vermutlich nicht den erforderlichen Konsens unter den Mitgliedstaaten geben würde. Einer neuen Tochtergesellschaft die Nutzung von Swift zu erlauben, könnten Gegner eines solchen Schritts allerdings wohl nicht verhindern.

Befürworter der Maßnahme verweisen darauf, dass die Getreideexporte nicht nur für die Ukraine, sondern auch für Empfängerstaaten in Afrika und Asien sehr wichtig sind. Zudem muss aus ihrer Sicht verhindert werden, dass Russland die Schuld an einem möglichen Scheitern des Abkommens dem Westen in die Schuhe schieben kann.

ribbon Zusammenfassung
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich beim deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz für die "sehr kraftvolle" deutsche Hilfe bei der Flugabwehr gegen russische Angriffe bedankt.
  • "All das bedeutet abertausende Leben, die von Ihnen gerettet wurden, hunderte Orte mit wichtiger Infrastruktur, die Ihr geschützt habt."
  • Die Ukraine setzt ihre Gegenoffensive zur Befreiung der von Russland besetzten Gebiete fort.