Kurz-Prozess: Diese Fragen bleiben nach dem Russen-Auftritt
Thomas Schmid ist der wichtigste Belastungszeuge im laufenden Prozess um mutmaßliche Falschaussage gegen Sebastian Kurz und Bernhard Bonelli. In möglichen kommenden Prozessen -Stichwort "Beinschab-Tool" - will er sogar Kronzeuge werden und gestand selbst schwere Straftaten.
Grund genug für die Angeklagten und ihre Anwälte, die Glaubwürdigkeit Schmids untergraben zu wollen - und zu versuchen, die Methoden der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu diskreditieren. Dafür wird im aktuellen Prozess auf teils skurrile Mittel zurückgegriffen.
So packte die Verteidigung eidesstattliche Erklärungen von zwei russischen Geschäftsleuten aus, die diese in der österreichischen Botschaft in der georgischen Hauptstadt Tiflis unterzeichnet haben. Darin heißt es, die beiden Geschäftsmänner hätten im vergangenen August in Amsterdam ein Bewerbungsgespräch mit Thomas Schmid geführt. Dort habe Schmid gesagt, die WKStA hätte ihn unter Druck gesetzt, deshalb habe er über Sebastian Kurz gelogen.
Dem Gericht reichten die Erklärungen nicht, die Russen wurden als Zeugen geladen. Einer davon sagte nun am Mittwoch aus, der andere meldete sich kurzfristig krank, da ihm "unwohl" sei.
Kurz und Bonelli dürften sich von der Aussage aber mehr erwartet haben. Valery A. wurde mittels Videoschaltung in die Botschaft in Moskau befragt. Doch essenzielle Fragen blieben unbeantwortet, Zweifel an ihrer Version bleibt.
Den Bericht vom Prozess und die Vorgeschichte lesen Sie hier:
Wie erfuhren Kurz und Bonelli vom Bewerbungsgespräch?
Valery A. ist Generaldirektor eines Unternehmens mit Sitz in St. Petersburg, das sich mit der Herstellung von künstlichen Diamanten beschäftigt. Für ein Ölprojekt in Georgien habe man im vergangenen August einen CEO gesucht - und dafür ein Bewerbungsgespräch mit Thomas Schmid geführt, sagte er vor Gericht aus. Zuerst habe er Schmid alleine getroffen, am nächsten Tag sei dann jener Geschäftspartner dazugekommen, der sich am Mittwoch eben krank meldete.
Den Lebenslauf von Schmid habe A. über einen Banker aus London bekommen. Die Bewerbungsunterlage habe im "sehr gut gefallen", Schmid habe "hervorragende Erfahrung". Er habe Schmid dann aber nicht genommen, weil sich dieser gegen sein ehemaliges Team gestellt habe - gemeint war wohl Sebastian Kurz. Das gefiel dem russischen Geschäftsmann nicht, er habe das Vertrauen in Schmid verloren.
Diese Entscheidung habe er dann dem Banker wieder mitgeteilt, dann hätte sich Otto Dietrich, der Anwalt von Sebastian Kurz bei ihm gemeldet. Kontakt habe er auch zu einem weiteren Anwalt aus Österreich gehabt, den Namen wisse er aber nicht mehr.
A. wisse auch nicht, wie Dietrich von dem Bewerbungsgespräch und dessen Inhalt erfahren habe.
Wie kam es zu der Unterschrift in Tiflis?
Dietrich habe ihn dann gebeten, den Inhalt des Bewerbungsgespräches eidesstattlich zu bestätigen. Aus "allgemeinen menschlichen Gründen" sei A. dem Wunsch nachgekommen, wie er sagte. Geld habe er dafür keines bekommen. Die Botschaft in Tiflis sei es geworden, weil er dort eben geschäftlich unterwegs gewesen sei.
Der Zeuge offenbarte dabei ein weiteres brisantes Detail: Er habe die Erklärung nicht selbst formuliert, das sei der Anwalt von Kurz gewesen. Er habe sie aber gründlich überprüft, versicherte A.
Wie wurde Schmid unter Druck gesetzt?
Bei der wohl entscheidendsten Frage blieb A. besonders vage. Schmid habe entschlossen, sich auf die Seite der Staatsanwälte zu stellen und wegen des Drucks einen Deal gemacht, "obwohl nicht alles, was er vor dem Staatsanwalt ausgesagt hat, seiner Erinnerung nach wahr war", heißt es in der von ihm in Tiflis unterzeichneten Erklärung.
Der Richter fragte dann aber recht konkret: Hat Thomas Schmid gesagt, er habe bei der Staatsanwaltschaft gelogen. A.: "So konkret haben wir das nicht besprochen".
Schmid habe gesagt, dass er mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeitet und der Staatsanwaltschaft Hilfe leisten will, damit diese befriedigt ist. Dass Schmid gelogen habe, sei aber "mein Eindruck" gewesen, sagte er auf Nachfrage. Schmid würde sowas auch nicht sagen, denn dieser sei "ein kluger Kerl".
Für welches Projekt wollte man Schmid eigentlich?
Auch in dieser Frage ließ der Zeuge Fragen offen. Er habe nicht die Erlaubnis, über Details zu dem Ölprojekt in Georgien zu sprechen. Nur so viel: Das Unternehmen, das sich eigentlich mit der Herstellung von künstlichen Diamanten beschäftige, sei laut A. auch im Öl-Geschäft tätig. Er erwähnte vor Gericht etwa eine Raffinerie in Wolgograd.
Nachdem er Schmid per SMS abgesagt hatte, sei das Projekt dann stillgestanden, die anderen Lebensläufe hätten ihm nicht gefallen, weitere Bewerbungsgespräche habe es nicht gegeben. Nun suche man aber wieder einen CEO, meinte A.
Er habe im Vorfeld des Bewerbungsgesprächs eine Internet-Recherche über Schmid beauftragt, er wisse aber nicht mehr, wo diese sei. Es habe vorab von Schmids Problemen gewusst, dass dieser gestanden habe, hätte er habe nicht gewusst.
Was ist mit dem zweiten Zeugen?
Valery A. zeigte sich überrascht, als er erfuhr, dass sein Kollege am Mittwoch abgesagt hat. Er habe am Vormittag noch mit Aleko A. telefoniert. Da sei ihm noch versichert worden, er würde kommen. Auch Otto Dietrich gestikulierte überrascht in Richtung Richter. Die WKStA konnte sich hingegen ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Am 23. Februar soll der zweite Geschäftsmann wieder geladen werden, Dietrich bestand darauf. Der Richter meinte dazu: "Ich kann nicht ausschließen, dass er sich beim nächsten Termin wieder unwohl fühlt. Vielleicht fühlt er sich auch wegen des Termins unwohl".
Die WKStA will hingegen Thomas Schmid nochmal befragen. Dieser sagte vor Gericht zwar schon, dass er nicht unter Druck gesetzt worden sei, aber er solle dennoch direkt zum angeblichen Bewerbungsgespräch befragt werden.
Zusammenfassung
- Sebastian Kurz hat zwei russische Geschäftsmänner als Zeugen geladen, um die Glaubwürdigkeit von WKStA und Thomas Schmid zu untergraben.
- Einer der Zeugen, Valery A., will ein Bewerbungsgespräch mit Thomas Schmid geführt haben, welches von einem Banker aus London vermittelt wurde.
- Seine Befragung vor Gericht warf aber noch mehr Fragen auf: Wie erfuhr Kurz vom Bewerbungsgespräch? Wie kam es zur Unterschrift in Tiflis und warum wollte man Schmid eigentlich?