Rumänisch-serbische GrenzeAPA/AFP/Nikolay DOYCHINOV

Nur Österreich will Rumänien nicht im Schengen-Raum

Die EU-Innenminister stimmen am Donnerstag über die Erweiterung des Schengen-Raums um die drei Staaten Rumänien, Bulgarien und Kroatien ab. Während Holland und Schweden ihren Widerstand gegen Rumänien wohl aufgegeben haben, bleibt Österreichs Regierung bisher beim Nein.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist am Dienstag zum Westbalkan-Gipfel ins albanische Tirana gereist. Dort geht es um die Folgen des Ukraine-Kriegs, die Erweiterung der Europäischen Union und auch das Thema Migration.

Österreich hatte zuletzt international für Schlagzeilen gesorgt, weil die ÖVP-geführte Regierung in Wien die von der EU-Kommission angestrebte Erweiterung der Schengen-Zone um Kroatien, Rumänien und Bulgarien so nicht will. Nehammer und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) verfolgen die Linie: Kroatien ja, Rumänien und Bulgarien nein. Die Mitgliedschaft im Schengen-Raum garantiert dessen Bürgern das weitgehend freie Reisen ohne Grenzkontrollen.

Während Österreich am Nein zu Rumänien und Bulgarien festhält, dürften die Niederlande und Schweden ihren Widerstand gegen die Aufnahme von Rumänien mittlerweile aufgegeben haben. Österreich ist damit das einzige verbliebene EU-Land, das sich noch gegen Rumänien im Schengen-Raum ausspricht.

Angesprochen darauf machte Nehammer am Dienstag in Tirana klar: "Es gibt derzeit keine Zustimmung zu einer Erweiterung um Bulgarien und Rumänien." Es brauche mehr Zeit. "Es gibt bei uns viel zu große Zahlen. Wir haben 75.000 nicht registrierte Migranten", erklärte der Kanzler. Das sei eine Frage der Sicherheit.

Johannis: Verhandeln bis zuletzt

Rumäniens Präsident Klaus Johannis seinerseits erklärte, weiter mit Österreich sprechen zu wollen. "Wir werden bis zum letzten Moment diskutieren und verhandeln", sagte er laut rumänischen Medien. Die rumänische Regierung argumentiert, die meisten Migranten und Flüchtlinge kämen nicht über ihr Land, sondern über Serbien und Ungarn nach Westeuropa (und Österreich). Die EU-Innenminister wollen bereits am Donnerstag über die Schengen-Erweiterung abstimmen. Es bedarf für die Aufnahme eines Landes der Einstimmigkeit, Wien kann ein Veto einlegen.

In Bulgarien und Rumänien ist die ablehnende Haltung von Österreich - und, zumindest bis vor kurzem, auch der Niederlande - seit Tagen ein Thema. In der Vorwoche schrieb das bulgarische Nachrichtenportal Webcafe.bg, es sei nicht klar, ob Den Haag und Wien Sofias Schengen-Beitritt unterstützen werden, "wenn man bedenkt, dass das Thema der Mitgliedschaft Bulgariens und Rumäniens in den internen politischen Kämpfen in den Niederlanden und Österreich gern verwendet wird".

Rumänische Medien: Heuchelei

Auch die rumänischen Medien schwanken zwischen Unverständnis und zunehmendem Groll gegenüber Österreich. Die bekannte rumänische Journalistin Ioana Ene-Dogioiu warf den österreichischen Regierungspolitikern jüngst in einem Beitrag für das Nachrichtenportal Spotmedia.ro Heuchelei vor: Es wäre noch einigermaßen nachvollziehbar gewesen, wenn Wien seine Bedenken wegen Rechtsstaatlichkeits- und/oder Korruptionsproblemen in Rumänien angemeldet hätte, doch könnten die in Österreich aufgegriffenen nicht registrierten Migranten keineswegs Rumänien in die Schuhe geschoben werden.

Von der Leyen: Verständnis für Wien

Verständnis für die österreichischen Anliegen in Sachen Migration zeigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. "Österreich braucht Solidarität und Unterstützung, deshalb arbeiten wir ganz gezielt mit unseren österreichischen Freunden daran", sagte von der Leyen. "Österreich ist von den Migrantenströmen, die über die Balkanroute kommen, besonders betroffen, und wenn wir uns die illegale Einwanderung ansehen, sehen wir, dass sie sich im Vergleich zum letzten Jahr verdreifacht hat", betonte sie.

Bei dem Westbalkan-Gipfel kommen die 27 EU-Staats- und Regierungschefs sowie jene der sechs Westbalkanländer (Serbien, Albanien, Nordmazedonien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Kosovo) zusammen.

Von der Leyen und NehammerAPA/BKA/ANDY WENZEL

EU-Aktionsplan

Bereits am Montag hatte die EU-Kommission den Aktionsplan zur Balkanroute vorgestellt. Der Plan umfasst 20 Maßnahmen. Die EU-Kommission will die Westbalkanländer bei den Asyl- und Registrierungsverfahren unterstützen sowie bei der "Gewährleistung angemessener Aufnahmebedingungen". Für das kommende Jahr kündigte sie ein Programm für Rückführungen an.

Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex soll bei der Verstärkung des EU-Außengrenzschutzes helfen. Zur Bekämpfung von Schleppern soll außerdem eine Taskforce der EU-Polizeibehörde Europol eingesetzt werden.

Laut Frontex ist die Westbalkanroute aktuell die aktivste Migrationsroute in Europa. 128.438 Menschen seien hier in den ersten zehn Monaten 2022 eingereist, ein Plus von 168 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Für Nehammer "noch viel zu besprechen"

Nehammer bezeichnete den Aktionsplan der EU-Kommission für die Balkanroute am Dienstag als "ersten wichtigen Schritt". Erneut bekräftigte er aber sein Nein zur Schengen-Erweiterung um Bulgarien und Rumänien. Es gehe Österreich nicht nur um die Westbalkan-Route gehe, sondern auch um die Migrationsroute über Bulgarien, Rumänien, Ungarn nach Österreich.

Es gebe noch weitere Forderungen von österreichischer Seite. Nehammer nannte Asylverfahren an der EU-Außengrenze oder eine "Zurückweisungsrichtlinie" statt Einzelfallprüfungen, "da haben wir noch viele Themen zu besprechen."

Auch Europaministerin Karoline Edtstadler  bekräftigte bei einem Besuch in Schweden Österreichs Nein zur Schengen-Erweiterung in Bezug auf Bulgarien und Rumänien.

ribbon Zusammenfassung
  • Die EU-Innenminister stimmen am Donnerstag über die Erweiterung des Schengen-Raums um die drei Staaten Rumänien, Bulgarien und Kroatien ab.
  • Österreich bleibt bisher bei seinem Nein zur Aufnahme von Rumänien und Bulgarien.