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Russland griff Charkiw wieder mit Fliegerbomben an

In der seit Monaten unter russischen Luftangriffen leidenden Großstadt Charkiw in der Nordostukraine sind in der Nacht auf Freitag zwei Fliegerbomben eingeschlagen. Eine Frau sei verletzt worden, schrieb Gebietsgouverneur Oleh Synjehubow auf Telegram. Bei ukrainischen Angriffen auf die von Moskau annektierte Krim kamen russischen Angaben zufolge indes mindestens zwei Menschen um. Präsident Wolodymyr Selenskyj gibt einen Besuch in Charkiw bekannt.

"Die gesamte Stadt und die Region Charkiw verdienen unsere Unterstützung, unseren Dank und unseren Respekt", schreibt er auf dem Kurznachrichtendienst X. Er habe sich mit der örtlichen Militärführung getroffen und sich den Ort eines russischen Raketenangriffs zeigen lassen. Die russischen Truppen stoßen seit dem 10. Mai in die Region vor, die Stadt Charkiw liegt regelmäßig unter Beschuss. Dort leben gegenwärtig weiter etwa 1,3 Millionen Menschen.

Die Ukraine hat eigenen Angaben zufolge eine russische Bodenoffensive in der östlichen Region Charkiw gestoppt. "Die ukrainischen Verteidigungskräfte haben die russischen Truppen im Bereich Charkiw gestoppt und führen Gegenoffensiven durch", erklärte die ukrainische Armee am Freitag in Onlinediensten. Ein Vertreter des Generalstabs bezeichnete die Lage als "schwierig", aber "stabil und unter Kontrolle".

Zuvor hatte Armeechef Oleksandr Syrskyj bereits erklärt, die Vorstöße der russischen Armee in der Region im Nordosten der Ukraine seien ins Stocken geraten. In Straßenkämpfen um die Grenzstadt Wowtschansk hätten sich die Truppen aus Moskau "völlig verzettelt und sehr hohe Verluste bei den Angriffseinheiten erlitten", erklärte Syrskyj in Onlinenetzwerken. Für den Versuch, die Stadt einzunehmen, verlege Russland derzeit "Reserven aus verschiedenen Bereichen" - jedoch ohne Erfolg, fügte er hinzu.

An einem Firmengebäude in Charkiw seien das Dach und die Fassade beschädigt worden, hieß es. Nach Angaben der Stadt wurden auch mehrere Wohnhäuser beschädigt. Am Tag zuvor waren in Charkiw sieben Menschen durch russischen Beschuss getötet worden. Insgesamt gingen etwa 15 umfunktionierte Flugabwehrraketen der Systeme S-300 oder S-400 über Charkiw und dem Umland nieder. Die sieben starben, als eine der größten Buchdruckereien des Landes getroffen wurde. Es gab auch 23 Verletzte.

50.000 Bücher seien verbrannt, schrieb Präsident Wolodymyr Selenskyj am Freitag im sozialen Netzwerk X. Dies zeige, dass Russland Krieg gegen die Menschheit und jedes normale Leben führe. "Das ukrainische Buch ist die ukrainische Stärke. Deshalb will der Feind es zerstören", kommentierte der international bekannte ukrainische Schriftsteller Serhij Zhadan auf Facebook. Er postete ein Foto von sich vor einem Buchladen des Verlagshauses, das auf ukrainische Literatur spezialisiert ist. Schon im März war in Charkiw eine Buchdruckerei zerstört worden.

Charkiw ist eine der am schwersten getroffenen Städte des nunmehr über zwei Jahre währenden russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Immer wieder wird die Millionenstadt aus der Luft angegriffen - mit Drohnen, Raketen oder Gleitbomben. Vor zwei Wochen haben die russischen Streitkräfte zudem eine Bodenoffensive im Grenzgebiet zu Charkiw gestartet. Die vordersten russischen Truppenteile stehen derzeit weniger als 20 Kilometer vom Stadtrand entfernt.

Die russische Nachrichtenagentur TASS meldete unterdessen einen militärischen Erfolg in der Region Charkiw. Demnach kontrollieren die russischen Streitkräfte mehr als die Hälfte des Gebiets der Grenzstadt Wowtschansk. Die Agentur bezog sich auf eine Aussage des russischen Parlamentsabgeordneten Viktor Wodolatskij. Die Städte Slawjansk, Kramatorsk und Pokrowsk seien die nächsten großen Ziele Russlands, sobald es Wowtschansk erobert habe, zitierte TASS Wodolatskij.

In der Nacht auf Freitag sei das Gebiet rund um die Stadt Simferopol auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim im Schwarzen Meer mit Raketen angegriffen worden, teilte Krim-Statthalter Sergej Aksjonow auf Telegram mit. In sozialen Netzwerken berichteten Bewohner von Explosionsgeräuschen auch aus Regionen nahe den Krim-Städten Aluschta und Jalta.

Im populären Telegram-Kanal "Shot" war von einer "massiven Attacke" die Rede, die die russische Luftverteidigung abwehren müsse. Aus Kiew gab es zunächst keine offizielle Reaktion. Die Ukraine verteidigt sich seit Februar 2022 gegen einen groß angelegten russischen Angriffskrieg. Immer wieder nimmt die ukrainische Armee dabei russische Militärstützpunkte auf der bereits 2014 annektierten Krim ins Visier. Auch gegen die dort stationierte russische Schwarzmeerflotte gelangen Kiew bereits erfolgreiche Angriffe.

ribbon Zusammenfassung
  • In der Nacht auf Freitag wurde Charkiw erneut Ziel russischer Fliegerbomben, wobei eine Frau verletzt wurde und erhebliche Schäden an Gebäuden entstanden.
  • Präsident Wolodymyr Selenskyj besuchte die Stadt und betonte die Notwendigkeit der Unterstützung für Charkiw, das regelmäßig unter Beschuss liegt und dessen Verteidigungskräfte eine russische Bodenoffensive erfolgreich gestoppt haben.
  • Bei einem Angriff auf eine der größten Buchdruckereien des Landes wurden 50.000 Bücher zerstört, was Selenskyj als Krieg gegen die Menschlichkeit und das normale Leben bezeichnete.