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Ski-WM

"Wir haben betrogen": Norweger geben Anzug-Manipulation zu

Heute, 15:41 · Lesedauer 4 min

Im Skandal um manipulierte Anzüge bei der Nordischen WM in Trondheim hat der norwegische Skiverband den eigenen Betrug zugegeben.

Sportdirektor Jan-Erik Aalbu räumte diesen bei einer Pressekonferenz am Schlusstag der Titelkämpfe am Sonntag ein. Tags zuvor waren drei Norweger beim Großschanzenbewerb disqualifiziert worden, Normalschanzen-Weltmeister Marius Lindvik verlor seine Silbermedaille, die der Salzburger Jan Hörl erbte.

"Wir haben betrogen und damit alle Skisprungfans enttäuscht, auch uns selbst. Ich möchte mich bei den anderen Teams, den Springern, den Sponsoren und den Fans entschuldigen. Wir werden der Sache auf den Grund gehen", sagte Aalbu im Teamhotel.

Er betonte allerdings, dass es sich nur um die zwei Anzüge von Lindvik und Johann André Forfang beim Großschanzenbewerb am Samstag gehandelt habe. Er selbst habe keine Kenntnis von den Praktiken gehabt und erst am Sonntagvormittag davon erfahren. Personelle Konsequenzen ließ Aalbu offen.

Zuvor hatte der Weltverband FIS mitgeteilt, dass eine Untersuchung gegen die Norweger eingeleitet wurde. "Die unabhängige Ethik- und Compliance-Abteilung der FIS untersucht nun den Verdacht einer illegalen Manipulation der Ausrüstung durch das norwegische Team", hieß es in einer Mitteilung.

Dabei sollen die Umstände der Disqualifikationen von Lindvik und Forfang sowie des Kombinierers Jörgen Graabak, der bei der Bronzemedaille im Teambewerb am Freitag wegen einer regelwidrigen Skisprung-Bindung aus der Wertung genommen worden war, näher geprüft werden. Außerdem will die Abteilung die Umstände untersuchen, wie das Material der Sportler bei den FIS-Kontrollen vorgelegt wurde.

ÖSV fordert Annullierung aller Ergebnisse

Der ÖSV pochte am Sonntag unverändert auf die Aberkennung aller norwegischen Resultate auf den Schanze. "Unser Protest ging in die Richtung, dass die gesamten WM-Ergebnisse der Norweger im Skispringen und in der Nordischen Kombination annulliert werden. Dazu stehen wir auch", betonte ÖSV-Sportdirektor Mario Stecher im APA-Gespräch. "Wenn das bei einem Anzug passiert, dann ist das sicher auch für das gesamte Team machbar. Dieser Verdacht erhärtet sich schon, das gehört aufgearbeitet".

Nachdem mehrere geheim aufgenommene Videos aus der Anzugschneiderei der Norweger aufgetaucht worden waren, in denen laut vielen Skisprung-Experten zu sehen ist, wie im Beisein von Chefcoach Magnus Brevig nachts Anzüge manipuliert wurden, reichte der ÖSV gemeinsam mit Slowenien und Polen einen Protest bei der FIS ein. "Das war definitiv der richtige Weg", sagte Stecher.

Nun müsse nachgehakt werden, auch ÖSV-Geschäftsführer Christian Scherer ist dazu laufend mit der FIS laufend in Kontakt. "Das gehört sich nicht, dass sich die Norweger da Vorteile verschaffen", erklärte Stecher.

Untersuchung eingeleitet

FIS-Generalsekretär Michel Vion betonte, dass Untersuchungsprozess erst beginne und auch Monate dauern könnte. "Wir haben den Verdacht der Manipulation. Es wird jetzt untersucht, ob es eine Manipulation gegeben hat. Ob das dem Umfeld der Athleten bewusst war und wer diese Fehler begangen hat", sagte er vor dem Eingeständnis der Norweger im ORF.

Der Weltverband könne alle Anzüge für jeden einzelnen Sprung wegen eingenähter Chips auch nachträglich überprüfen. Sollten weitere Vergehen ans Tageslicht kommen, seien auch Disqualifikationen und damit Änderungen bei den Medaillengewinnern nicht ausgeschlossen. "Das ist dann eine andere Geschichte. Dann gibt es nach den Untersuchungen weitere Strafen. Das könnten auch Disqualifikationen sein."

Systematischer Betrug befürchtet

"Die Vermutung liegt nahe, dass hier systemisch betrogen wurde", sagte derweil Horst Hüttel, Sportdirektor des Deutschen Skiverbandes (DSV). "Ich habe ein paar Dinge gesehen, wo eine Nation wilde Dinge macht, die völlig untendurch sind", ergänzte der Tiroler Stefan Horngacher, Cheftrainer bei den Deutschen.

Und der frühere Tourneesieger Sven Hannawald forderte, den österreichischen Material-Kontrolleur Christian Kathol künftig bei der Überwachung der Anzüge durch eine Maschine zu ersetzen.

Die Veranstalter der Titelkämpfe in Norwegen zeigten sich vom Anzug-Eklat am vorletzten Bewerbstag jedenfalls unbeeindruckt. "Es gibt dadurch absolut keinen Schatten über der WM. Wir haben hier ein zweiwöchiges Volksfest gefeiert", sagte WM-Organisationschef Age Skinstad am Sonntagvormittag auf APA-Nachfrage.

Die Causa betreffe den norwegischen Skiverband, die Jury und die FIS. "Wir schauen auf das, was wir hier geschaffen haben wie die 18.000 Fans beim Skispringen am Samstag, die die gute Performance gefeiert haben. Das ist der wichtige Punkt für uns."

Zusammenfassung
  • Im Skandal um manipulierte Anzüge bei der Nordischen WM in Trondheim hat der norwegische Skiverband den eigenen Betrug zugegeben.
  • Sportdirektor Jan-Erik Aalbu räumte diesen bei einer Pressekonferenz am Schlusstag der Titelkämpfe am Sonntag ein.
  • Tags zuvor waren drei Norweger beim Großschanzenbewerb disqualifiziert worden, Normalschanzen-Weltmeister Marius Lindvik verlor seine Silbermedaille, die der Salzburger Jan Hörl erbte.