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Roma-Sinti-Genozid: Erinnern "leicht, wenn es nicht weh tut"

Am 2. August wird dem Genozid an den Roma und Sinti während der Zeit des Nationalsozialismus gedacht. Obwohl es eine große symbolische Anerkennung für NS-Opfer gibt, haben Angehörige der Volksgruppen in Österreich immer noch mit Diskriminierung zu kämpfen, erklärte der Historiker Stefan Benedik im APA-Gespräch. Es sei zwar "leicht, sich zu erinnern, wenn es nicht weh tut." Schwieriger bleibe die Situation aber in Gemeinden, wo Angehörige von Opfern und Tätern zusammentreffen.

Die Anerkennung der NS-Opfer lasse sich nicht in die Gegenwart übersetzen, wies Benedik, Kurator am Haus der Geschichte Österreich (hdgö), etwa auf Straßeninterviews im burgenländischen Oberwart hin. Dort wurde den Opfern der NS-Verfolgung zwar Anerkennung gezollt, nicht aber jenen vier Roma, die 1995 bei einem Attentat ermordet wurden. Menschen würden dort immer noch rassistische Vorurteile gegenüber den heutigen Roma und Romnja äußern oder meinen, sie seien selbst schuld an Anschlägen und Gewalt gegen sie. Zudem gebe es immer noch Rassismus, der sich auf die NS-Zeit bezieht, berichtete der Historiker von Graffitis in ganz Österreich mit Schriftzügen wie "Roma ins KZ".

Emmerich Gärtner-Horvath, Beiratsvorsitzender der Volksgruppe der Roma und Obmann des Kulturfördervereins Roma Service, erzählte von Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Gedenkstätten im Burgenland. An die 130 Romasiedlungen habe es dort gegeben, an die 25 Gedenkstätten habe man errichtet. Davor seien allerdings Veranstaltungen und Gespräche notwendig gewesen, man habe die Mehrheitsbevölkerung aufklären und zeigen müssen, dass man niemanden anprangern wolle. Benedik verdeutlichte die Problematik durch ein Beispiel aus dem steirischen Murau. Schilder, die im Rahmen eines Kunstfestivals 2012 aufgestellt wurden und darauf hinwiesen, dass eine Straße durch Roma-Zwangsarbeiter erbaut worden war, seien dort mehrfach Opfer von Vandalismus geworden und schlussendlich frühzeitig entfernt worden.

Genau an solchen Orten sei eine Kontextualisierung aber wichtig. Löse diese eine Kontroverse aus, entstehe daraus eine Auseinandersetzung mit der Gegenwart. Es brauche eine Gedenkkultur, die Menschen ein Bewusstsein über die Entstehung von Gewalt, aber auch Diskriminierung und Ausgrenzung der Gegenwart näherbringt, so der Historiker. Eine aktive Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit werde zurecht von vielen eingefordert, diese gebe es im hdgö. Der 2. August solle denn auch dazu dienen, die Mehrheitsbevölkerung zu informieren, meinte Gärtner-Horvath.

Er fordert strengere Gesetze sowie ein strengeres Durchgreifen der Justiz. Das Gleichbehandlungsgesetz greife nicht zur Genüge. Gärtner-Horvath erinnerte an die NS-Liederbuchaffäre um die Burschenschaft des niederösterreichischen Landeshauptfrau-Stellvertreters Udo Landbauer (FPÖ), der dafür keine Strafe erhalten hat. "Da sieht man, wie man mit der Geschichte umgeht." Nach solchen Vorfällen würden auch einzelne Bürger nicht vor Diskriminierung zurückschrecken, appellierte Gärtner-Horvath an die Vorbildfunktion der Politik. Auch seitens der Medien fordert er mehr Aufmerksamkeit für Holocaustopfer, ansetzen müsse man zudem bei den Lehrplänen.

In Wien - "wo die Erinnerung ein bisschen abstrakter ist" - sei es leichter, Denkmäler zu errichten, so Benedik. Künftig soll es hier eine nationale Gedenkstätte geben, bei der man einen Kranz niederlegen kann, sagte Gärtner-Horvath, der dazu bereits mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) konferierte. Im Gespräch sei der Schmerlingplatz im ersten Bezirk. Die Namen der Verschleppten und Ermordeten Volksgruppenangehörigen aus Österreich könnten dort digital gelistet werden, denkt Gärtner-Horvath an.

Seit 2015 wird am 2. August auf Europaebene jenen rund 500.000 Roma und Sinti gedacht, die in der Zeit des Nationalsozialismus getötet wurden, 2023 einigte sich das österreichische Parlament per Entschließungsantrag darauf, den Tag auch zum nationalen Gedenktag zu machen. Vor 80 Jahren wurden an dem Tag mindestens 4.000 Roma und Sinti im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau getötet. 90 Prozent der Angehörigen der Volksgruppe in Österreich seien in der NS-Zeit ermordet, große Gemeinden etwa im Burgenland durch den Genozid ausgelöscht worden, stellte Benedik fest. Zurückgekehrt seien die wenigen Überlebenden oft eher in Großstädte, wo ihre Herkunft nicht bekannt war. Heute leben Roma vor allem im Burgenland, aber auch in größeren Städten wie Wien oder Graz. Viele von ihnen kamen erst später als Gastarbeiter oder im Zuge der Jugoslawienkriege ins Land, auch sie haben vielfach eine ähnliche Verfolgungsgeschichte im Zweiten Weltkrieg.

ribbon Zusammenfassung
  • Am 2. August wird europaweit und seit 2023 auch in Österreich der rund 500.000 Roma und Sinti gedacht, die während des Nationalsozialismus getötet wurden.
  • Historiker und Vertreter der Roma betonen die anhaltende Diskriminierung und fordern strengere Gesetze sowie eine aktive Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit.
  • In Wien ist eine nationale Gedenkstätte geplant, um das Bewusstsein für die Verfolgung und Ermordung der Roma und Sinti zu schärfen.