Regierung verschärft Grenzschutz
Mit steigenden Aufgriffszahlen "illegaler Migranten" und EU-Asylrichtlinien, "die keine Wirkung zeigen", hat Innenminister Karl Nehammer bei einer Pressekonferenz mit Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (beide ÖVP) am Samstag die Aufstockung der Bundesheersoldaten an der Grenze von 1.000 auf insgesamt 1.400 begründet. Heuer hätte es bereits 15.768 Aufgriffe gegeben, im gesamten Vorjahr 21.700, sagte Nehammer - das EU-Asylsystem sei "gescheitert".
Nehammer: Österreich besonders betroffen
Besonders die Grenze zu Ungarn sei ein Hotspot für illegale Grenzübertritte, heuer seien bereits 200 Schlepper aufgegriffen worden, hieß es seitens des Innenministers, der scharfe Kritik an den Asylrichtlinien der EU übte: "Wir bekommen keine Unterstützung vonseiten der EU-Kommission, die sich damit aufhält, über Verteilungsfragen von Flüchtlingen zu debattieren". Dabei sei Österreich besonders von "illegaler Migration" betroffen. "In Österreich haben wir eine der größten afghanischen Communities Europas, dabei führt die Fluchtroute über zehn sichere Länder. Es kann nicht sein, dass Österreich und Deutschland für die EU das Afghanistan-Problem lösen", sagte Nehammer.
Der genaue Bedarf an Soldaten an den Grenzen zur Slowakei, zu Slowenien und vor allem Ungarn würde laufend neu abgeschätzt, sagte Tanner. Bis zu 2.000 Soldaten wären für den Einsatz an der Grenze denkbar. Aktuell sei bereits das Jägerbataillon 25 aus Klagenfurt auf dem Weg ins Burgenland, wo ein Lagezentrum aufgebaut werden soll, in dem sich Bundesheer und Polizei koordinieren können, "um flexibel an verschiedenen Orten der Bedrohungen reagieren zu können", so Nehammer. Der Assistenzeinsatz würde vom Bundesheer ohne Ablaufdatum durchgeführt, sagte Tanner, die darauf hinwies, dass sich "nur eine Handvoll Grundwehrdiener" unter den zur Verstärkung bereit gestellten Soldaten befände.
Aktuell sind somit laut Verteidigungsministerium 1.000 Soldaten im sicherheitspolizeilichen Einsatz an der Grenze, 520 seien im Rahmen der Corona-Pandemie, 134 aktuell bei Katastrophenhilfen im Inland im Einsatz - im Ausland befänden sich 850 Soldaten.
Kickl attestiert Nehammer "Totalversagen"
Kritik an der Bundesregierung kam von FPÖ-Chef Herbert Kickl, der Nehammer "Totalversagen" attestierte. Seit eineinhalb Jahren würden die Asylzahlen steigen. Derzeit seien es mehr als 100 illegale Migranten pro Tag, so Kickl: "Angesichts dieser explodierenden Zahlen hat Nehammer mindestens schon ein Jahr verschlafen." Der Innenminister solle sich dafür einsetzen, "dass es keine Asylanträge in der EU mehr geben darf, außer wenn jemand aus einem direkten Nachbarland kommt". Zudem befürchtet der FPÖ-Chef, dass "lediglich" die "Ankunft der Illegalen" protokolliert und diese nicht an der Einreise gehindert würden.
Kritik auch von SPÖ und NEOS
Die SPÖ sah in der heutigen Ankündigung ein "Eingeständnis der ÖVP, dass Kurz (Bundeskanzler Sebastian, Anm.) in der Politik gegen illegale Migration vollkommen versagt hat. Die Balkanroute ist nicht geschlossen", so Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner. Kurz sei als Bundeskanzler in der EU völlig untätig, er habe keine Initiativen für Rückführungsabkommen gesetzt, keine Initiativen für einen stärkeren Außengrenzschutz, keine Initiativen für ein einheitliches EU-Asylsystem oder für Verfahrenszentren außerhalb der EU, erklärte Einwallner. In eine ähnliche Kerbe wie Einwallner schlug Robert Hergovich, der Klubobmann der SPÖ Burgenland: "Statt kosmetischer Maßnahmen ist eine Neuorientierung der österreichischen Asylpolitik dringend erforderlich." Die nötige Richtung habe sein Parteikollege, Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, u.a. mit außereuropäischen Verfahrenszentren schon mehrfach aufgezeigt.
NEOS-Verteidigungssprecher und Generalsekretär Douglas Hoyos wiederum kritisierte die "Presse-Show" von Nehammer und Tanner und fragte: "Wie kann es denn sein, dass die ÖVP schon wieder zusätzliche Soldaten an die Grenze schicken muss, wenn doch die ÖVP seit vielen Jahren für die Sicherheit Österreichs zuständig ist?" Zudem sei es nicht Aufgabe des Bundesheeres, die "Versäumnisse der Bundesregierung" auszubaden und ständig "unbezahlte Hilfspolizei" spielen zu müssen. Dass ausgerechnet Nehammer das europäische Asylsystem für gescheitert erklärt, sei zynisch, findet Hoyos. Schließlich blockiere Kurz "sämtliche Bemühungen in diese Richtung seit Jahren".
ÖVP: "Wichtiges Signal"
Begrüßt wurde der verstärkte Grenzschutz am Samstag naturgemäß von der ÖVP Burgenland. Landesparteiobmann Christian Sagartz bezeichnete den Schritt in einer Aussendung als "wichtiges Signal im Kampf gegen illegale Migration". "Schlepper-Aktivitäten durch unser Land" würden damit "effektiv abgeschnitten", wovon auch andere Bundesländer profitieren würden.
Zusammenfassung
- Die Bundesregierung verstärkt den Grenzschutz: Wie Innenminister Karl Nehammer und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (beide ÖVP) am Samstag bei einer Pressekonferenz bekannt gaben, sollen rund 400 Soldaten zusätzlich an die Grenze geschickt werden.
- Hintergrund ist steigender Migrationsdruck.
- "Das europäische Asylsystem ist gescheitert", betonte Nehammer. "Wir erleben, dass Aufgriffszahlen an der österreichischen Grenze wieder steigen."
- Vor allem an der Grenze zu Ungarn gebe es vermehrt Aufgriffe. Allein in diesem Jahr habe man 200 Schlepper festgenommen. Die Situation sei ernst, so Nehammer.
- Tanner betonte, dass man die Assistenzkräfte an der Grenzen "massiv" verstärken werde. Sie habe heute, Samstag, angewiesen, dass sich Kräfte des Jägerbataillon 25 aus Klagenfurt an die Grenze aufmachen.
- Wie groß der notwendige tatsächliche Bedarf sein wird, soll in Zusammenarbeit mit der burgenländischen Landespolizeidirektion getroffen werden. "Ziel ist es, Migrationsbewegungen zu kontrollieren", so Tanner.