Reformpapier sieht Ärzte-Entmachtung
Geplant ist, den Grundsatz "digital vor ambulant vor stationär" in der Gesundheitsversorgung gesetzlich festzuschreiben. Der ambulante Bereich soll durch den raschen, flächendeckenden Ausbau von Primärversorgungseinheiten (PVE) sowie durch die Entwicklung ambulanter Fachversorgungsstrukturen gestärkt werden. Dazu gibt es laut dem Papier - Stand 9. Oktober 2023 - Planungsvorgaben bis auf die Bezirksebene hinunter.
Für die Zulassung selbstständiger Ambulatorien kommen Erleichterungen; etwa wenn mindestens drei Ärztestellen in einer Region zweimal erfolglos ausgeschrieben wurden. Ärztekammern haben hier künftig nichts mehr mitzubestimmen. Sie dürfen nur noch Stellungnahmen abgeben. Auch bei Gruppenpraxen-Zulassungen (auch bei jenen von Zahnärzten) entfallen langwierige Vergabeverfahren.
Die Gesamtverträge, die das Verhältnis zwischen freiberuflich tätigen Ärzten und den Krankenversicherungen regeln, werden weiter zwischen den Trägern und der Ärztekammer abgeschlossen. Allerdings: Kommt kein Gesamtvertrag zustande, können künftig auch Einzelverträge mit den Ärzten abgeschlossen werden. Die Ärztekammer verliert hier also eine wichtige Kompetenz, ebenso wie beim Stellenplan: kommt es hier innerhalb von sechs Monaten zu keiner Einigung über die räumliche Verteilung von Praxen, Gruppenpraxen und Primärversorgungseinrichtungen, kann das die Kasse (unter Einhaltung der jeweiligen Zielsteuerungsvorgaben) selbst entscheiden.
Ein weiterer Stein des Anstoßes bei den Ärzten ist, dass künftig nicht mehr die Verschreibung eines bestimmten Arzneimittels, sondern nur noch die Verschreibung eines Wirkstoffs zum Standard werden soll. Wenn die Ärztin oder der Arzt dennoch auf ein bestimmtes Medikament beharrt, muss dies auf dem Rezept in maschinenlesbarerer Form begründet werden. Den Apotheken wiederum wird die Einhaltung des Ökonomieprinzips, also der wirtschaftlichen Abgabe von Heilmitteln, vorgeschrieben. Für die Bewertung des Einsatzes hochpreisiger und spezialisierter Arzneispezialitäten kommt ein bundesweit einheitlicher Bewertungsprozess ("Bewertungsboard") zum Einsatz.
Im Bereich der Gesundheitstelematik will man sich besser gegen Cyberangriffe wehren können, dafür wird eine Stelle namens "Austrian Health CERT" eingerichtet. Das Portal für die Elektronische Gesundheitsakte ELGA wandert aus der Verantwortung des Dachverbands der Sozialversicherungsträger direkt an das Gesundheitsministerium.
Die Verpflichtung zur ELGA-Nutzung auch für Wahlärzte kommt per Jahresbeginn 2026 - für die Ärztekammer ebenfalls ein Grund für Protest. Auch die E-Card-Nutzung wird ihnen vorgeschrieben. Zudem werden die Ärzte ab 2025 zur Diagnose- und Leistungscodierung verpflichtet.
All das soll in den nächsten Tagen endgültig fixiert und spätestens kommende Woche im Ministerrat beschlossen werden. Damit sollte sich die Einbringung der Regierungsvorlage in der November-Plenarwoche des Nationalrats ausgehen. Nach der Ausschussbehandlung könnte der Plenarbeschluss des Pakets dann im Dezember fallen. Auf das sonst übliche Begutachtungsverfahren will das Gesundheitsministerium verzichten. Begründet wird dies damit, dass ohnehin alle Systempartner eingebunden gewesen seien. Die Ärztekammer, die umfangreiche Proteste vorbereitet, wird hier offensichtlich nicht dazugezählt.
Zusammenfassung
- Das Gesundheitsreformpaket, gegen das die Ärztekammer aktuell Sturm läuft und das noch heuer parallel zum Finanzausgleich beschlossen werden soll, bringt eine Fülle an Veränderungen.
- Laut dem Entwurf, der der APA vorliegt, soll den Ärzten tatsächlich viel Macht beim Abschluss von Gesamtverträgen oder beim Stellenplan genommen werden.
- Auch die E-Card-Nutzung wird ihnen vorgeschrieben.