Prozess um Anschlagspläne auf Vienna Pride 2023 am 15. Juli
Ein Attentat stand der rechtskräftigen Anklage zufolge zwar nicht unmittelbar bevor. Die drei angeklagten Ex-Anhänger der radikalislamischen Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) im Alter zwischen 16 und 21 hätten in einer einschlägigen Telegram-Gruppe jedoch "Anschlagspläne erörtert", wird in der Anklageschrift betont. Der Jüngste - ein Wiener Schüler - war im Tatzeitraum erst 14 Jahre alt. Er wird vor Gericht zugeben, sich im Internet IS-Propagandamaterial und Bombenbauanleitungen beschafft und sich mit Gleichgesinnten in Chats ausgetauscht zu haben, meinte sein Verteidiger Andreas Schweitzer am Dienstag. Es habe sich dabei "um fehlgeleitetes jugendliches Interesse" gehandelt, sagte Schweitzer im Gespräch mit der APA. Die tatsächliche Umsetzung eines in einem Chat angekündigten Attentats oder die Ausreise in ein vom IS besetztes Gebiet - diesbezüglich hatte der Jugendliche Erkundigungen bei einer IS-Propagandastelle eingeholt - habe sein Mandant aber nie ernsthaft erwogen.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft handelte es sich bei allen drei Angeklagten um bis zu ihren Festnahmen gewaltbereite Anhänger des IS bzw. der daraus hervorgegangenen Gruppe "Islamischer Staat - Provinz Khorasan" (ISPK). Sie waren in der einschlägigen Telegram-Gruppe "psychology1444" auf gewaltaffine und stark radikalisierte ausländische Gleichgesinnte gestoßen. Neben Propagandavideos und Spendenaufrufen wurden laut Anklage in Chats Anschlagspläne erörtert - ein Ukrainer kündigte etwa an, sich als Selbstmordattentäter in die Luft sprengen zu wollen. Der 19-jährige Angeklagte - ein in St. Pölten lebender Lehrling, wie sein um zwei Jahre älterer mitangeklagter Bruder österreichischer Staatsbürger - stellte der Anklageschrift zufolge "in Aussicht, in der tschechischen Republik ein Sturmgewehr der Marke AK-47 und ein großes Messer für einen Terroranschlag zu erwerben und einen Anschlag auf die am 17. Juni 2023 in Wien stattfindende LGBTQ-Pride zu verüben".
Der inzwischen 19-Jährige soll zumindest seit März 2022 das IS-Gedankengut verinnerlicht und auf Plattformen wie TikTok und Telegram oder über sein Playstation-Profil nach außen getragen haben, wo er den IS glorifizierte und dessen Ideologie verbreitete. Er und sein älterer Bruder sollen den zu einem Selbstmordattentat bereiten Ukrainer wiederholt in dessen Absichten bestärkt und zur Tatumsetzung gedrängt haben. Der 21-Jährige propagierte in einem Chat das "Anstechen" (sic) und Jagen von Ungläubigen. Beide Brüder fertigten außerdem Bilder und Videos an, auf denen sie jeweils mit erhobener rechter Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger posierten. Die sogenannte Tauhid-Geste wird von islamistischen Gruppen als Erkennungsmerkmal missbraucht.
Jüngster Angeklagter wollte mit 14 in IS-Gebiet
Der Jüngste der drei kündigte laut Anklage zwischen 30. Jänner und 2. Februar 2023 - er war damals noch 14 - in einem Threema-Chat an, er werde in ein vom IS bzw. ISPK besetztes Gebiet ausreisen, um dort deren Kämpfer zu unterstützen. Er erkundigte sich darüber hinaus "konkret nach Tipps für den Bau von besonders zerstörerischen Sprengsätzen zum Zweck der Verübung eines Sprengstoffattentats sowie nach Tipps für das Zielen mit einer Waffe für das Verüben eines Attentats", wie in der Anklageschrift ausgeführt wird. Dem inzwischen 16-jährigen Österreicher wird folglich auch die Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat (§ 278f StGB) angelastet.
Dass seine Ausreisepläne nicht reine Fantasiegespinste waren, belegen nach Ansicht der Anklagebehörde umfangreiche Dokumente, die er sich im Internet besorgt und abgespeichert hatte. Der zu diesem Zeitpunkt 14-Jährige informierte sich etwa zu taktischem Vorgehen bei Kampfhandlungen, Methoden bei Hinterhalt-Operationen und "Vorbereitungs- und Ausrüstungsempfehlungen für den Mujaheddin-Anfänger", wie ein Dokument betitelt war, das bei den Ermittlungen sichergestellt werden konnte.
Angebliche Anschlagspläne wurden im Nachhinein bekannt
Bekannt wurden die angeblichen Anschlagspläne auf die Vienna Pride 2023 erst am Tag nach der Regenbogenparade. Die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) informierte die Öffentlichkeit in einer eilig einberufenen Pressekonferenz, man habe einen Anschlag vereitelt und Hausdurchsuchungen bei den drei Beschuldigten durchgeführt. Auf die drei aufmerksam gemacht worden war die DSN dank eines ausländischen Partnerdiensts, der Kenntnis von den Inhalten der Telegram-Chats erlangt hatte. Die Burschen saßen jedoch nicht lange in Haft - sie wurden wenige Tage nach ihren Festnahmen mangels dringenden Tatverdachts wieder auf freien Fuß gesetzt.
Zusammenfassung
- Am 15. Juli beginnt der Prozess gegen drei junge Männer, die angeblich Anschläge auf die Vienna Pride 2023 planten.
- Die Angeklagten, ehemalige IS-Anhänger, diskutierten in einer Telegram-Gruppe über Anschlagspläne.
- Der jüngste Angeklagte war erst 14 Jahre alt und wollte IS-Kämpfer unterstützen.
- Ein ausländischer Geheimdienst machte die österreichischen Behörden auf die verdächtigen Chats aufmerksam.
- Die Angeklagten wurden nach kurzer Haftzeit mangels dringenden Tatverdachts freigelassen.