ÖGK-Huss sieht in Finanzausgleich vergebene Chance
Ziel sei gewesen, die Spitalsambulanzen zu entlasten und im Gegenzug die niedergelassene Versorgung massiv auszubauen. Auch hätten die niedergelassenen Arztstellen - vorrangig in Primärversorgungszentren - um 500 Stellen erweitert werden sollen. Selbstständige Ambulatorien und Facharztzentren mit längeren Öffnungszeiten sollten dafür sorgen, dass weniger Menschen die Spitalsambulanzen aufsuchen müssen als bisher. Dafür hätte die Sozialversicherung rund 800 Mio. Euro an Steuermitteln jährlich benötigt, argumentierte Huss.
Das auf dem Tisch liegende Paket setze jedoch "deutlich andere Prioritäten". Die Spitalsambulanzen sollen mit mehr als 450 Mio. Euro pro Jahr ausgebaut werden, während die wohnortnahe Versorgung durch niedergelassene Ärzte mit netto 233 Mio. Euro abgefunden wird, bemängelte Huss. Unter diesen Rahmenbedingungen sei die Umsetzung moderner einheitlicher Leistungskataloge zur Entlastung der Spitäler nicht möglich. Vielmehr sei zu befürchten, dass sich nun an den überlaufenen Spitalsambulanzen nichts ändern und das zusätzliche Geld in der Abgangsdeckung auf Länderseite verschwinden werde.
"Bereits jetzt bezahlen sich die Menschen in unserem Land rund 23 Prozent der 51 Mrd. Euro Gesundheitsausgaben zusätzlich zu Steuern und Beiträgen aus der eigenen Tasche, das sind circa elf Milliarden Euro pro Jahr", kritisierte Huss. Die öffentliche Hand entledige sich "mehr und mehr ihrer Verantwortung für ein solidarisches Gesundheitssystem" und lade die Finanzierungslast "mehr und mehr auf den privaten Taschen der Menschen ab". Auch sieht Huss eine vergebene Chance, auch inhaltliche Reformschwerpunkte zu setzen.
Gesundheitsminister Rauch kann die Kritik der ÖGK "nicht ganz nachvollziehen", wie er nach dem Ministerrat erklärte. Denn die Regierung würde "das erstes Mal überhaupt Geld zur Verfügung stellen aus Steuermitteln, um den Ausbau der Kassenarztstellen des niedergelassenen Bereichs in Richtung Gesamtvertrag zustande zu bekommen". Dabei gehe es um 300 Millionen Euro pro Jahr.
Die Österreichische Ärztekammer wiederum begrüßte die Grundsatzeinigung zur Gesundheitsreform, gab jedoch zu bedenken, dass eine verbindliche Patientenlenkung ohne entsprechende Ressourcen nicht möglich sei. Diese könne nur umgesetzt werden, wenn die kassenärztliche Versorgung entsprechend ausgebaut werde. "Es ist weder aus medizinischer noch aus ökonomischer Sicht sinnvoll, wenn Patientinnen und Patienten auf Eigeninitiative beliebige Ebenen des Gesundheitssystems in Anspruch nehmen, die es möglicherweise gar nicht gebraucht hätte", argumentierte Präsident Johannes Steinhart in einer Aussendung.
Zusammenfassung
- Die Spitalsambulanzen sollen mit mehr als 450 Mio. Euro pro Jahr ausgebaut werden, während die wohnortnahe Versorgung durch niedergelassene Ärzte mit netto 233 Mio. Euro abgefunden wird, bemängelte Huss.
- Die öffentliche Hand entledige sich "mehr und mehr ihrer Verantwortung für ein solidarisches Gesundheitssystem" und lade die Finanzierungslast "mehr und mehr auf den privaten Taschen der Menschen ab".