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Nordkorea feuerte Langstreckenrakete ab

Nordkorea hat eine der bisher stärksten Interkontinentalraketen getestet und damit scharfe Kritik der USA, der Europäischen Union und der Vereinten Nationen hervorgerufen. Nach Angaben der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA wohnte Machthaber Kim Jong-un dem Test am Donnerstag persönlich bei. Es war der erste Test einer nordkoreanischen Interkontinentalrakete seit Dezember 2003. Die Spannungen mit den Nachbarländern dürften derart weiter verschärft werden.

Das nahe der Hauptstadt Pjöngjang abgefeuerte Geschoß war nach Angaben der japanischen Regierung 86 Minuten in der Luft und stürzte schließlich westlich der zu Japan gehörenden Insel Hokkaido ins offene Meer - nach rund 1.000 Kilometern Flugstrecke.

UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte die militärische Drohgebärde "aufs Schärfste". Er nannte den Test einen "klaren Verstoß" gegen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats. Dieser wird nach Informationen zweier Diplomaten wahrscheinlich am Montag wegen der Causa zusammentreten. Die USA, Frankreich, Japan, Malta, Südkorea, Slowenien und Großbritannien hätten das Treffen beantragt, sagten die Diplomaten am Donnerstag.

Kritisch und besorgt äußerte sich auch der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats in Washington, Sean Savett. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte, Nordkorea zeige mit dem "illegalen" Test weiter die Absicht, "Mittel zum Transport von Massenvernichtungswaffen zu entwickeln". Interkontinentalraketen sind der wichtigste Träger von Atomwaffen. Auch China zeigte sich angesichts der Spannungen auf der koreanischen Halbinsel "besorgt".

Dies ist ein weiterer Verstoß der Führung von Machthaber Kim Jong-un gegen internationale Sanktionen. Den Angaben des japanischen Verteidigungsministeriums zufolge stieg die Rakete mit steiler Flugbahn bis in eine Höhe von etwa 7.000 Kilometern. Experten gehen davon aus, dass Nordkoreas Interkontinentalraketen bei flacherem Abschusswinkel potenziell das gesamte Festland der Vereinigten Staaten erreichen könnten. Die USA sind die wichtigste Schutzmacht Japans und Südkoreas und unterhalten in beiden Ländern große Militärstützpunkte.

Machthaber Kim bezeichnete den Raketenabschuss als "angemessene militärische Aktion", wie Nordkoreas staatliche Nachrichtenagentur KCNA berichtete. Der Test sei eine Reaktion auf Provokationen feindlicher Kräfte in der Region und belege "unseren Willen zur Gegenreaktion".

Laut der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA brach der Raketenstart alle bisherigen Rekorde, ohne Einzelheiten zu nennen. "Die gefährlichen Schritte der Feinde Nordkoreas haben die Notwendigkeit unterstrichen, unsere nukleare Stärke zu stärken", zitierte KCNA den nordkoreanischen Machthaber anlässlich des Teststarts. Nordkorea werde niemals von seinem Kurs abweichen, sein Atomwaffenarsenal auszubauen.

Details nannte Kim nicht, allerdings betrachtet Pjöngjang die militärische Unterstützung der USA für Südkorea und die regelmäßigen Manöver ihrer Streitkräfte ebenso als Affront wie den Kurs der südkoreanischen Regierung im Dauerkonflikt der beiden Nachbarstaaten. Südkoreas Präsidentenamt kündigte an, nach dem Raketenstart zusätzliche Sanktionen gegen Nordkorea zu verhängen. Konkrete Details aus Seoul wurden zunächst nicht bekanntgegeben.

China zeigte sich "besorgt" über die Entwicklungen auf der koreanischen Halbinsel. Man habe stets betont, dass "die Erhaltung von Frieden und Stabilität" den "gemeinsamen Interessen aller Parteien entspricht", sagte Außenministeriumssprecher Lin Jian in Peking. "Wir hoffen, dass alle Parteien sich für dieses Ziel einsetzen werden", fügte er hinzu. China ist ein langjähriger Verbündeter Nordkoreas. Pjöngjang ist von Pekings diplomatischer und wirtschaftlicher Unterstützung abhängig. Gleichzeitig sind China und Südkorea wichtige Handelspartner.

Süd- und Nordkorea sind seit dem Koreakrieg (1950-53) geteilt und werden durch eine entmilitarisierte Zone getrennt. Bis heute haben die beiden Nachbarländer keinen gemeinsamen Friedensvertrag unterzeichnet.

Starts oder auch nur Tests von ballistischen Raketen, die je nach Bauart mit einem Atomsprengkopf ausgerüstet werden können, sind dem international weithin isolierten Land durch UN-Beschlüsse verboten. Nordkorea unterliegt wegen seines Atomwaffen- und Raketenprogramms internationalen Sanktionen, die Kims Führung aber immer wieder missachtet.

Erst am Mittwoch warnte der südkoreanische Militärgeheimdienst während eines Treffens mit Abgeordneten davor, dass Nordkorea kurz vor dem Testabschuss einer Langstreckenrakete stehe und möglicherweise auch die Vorbereitungen für einen weiteren Atombombentest abgeschlossen habe. Der bisher letzte - und insgesamt sechste - Atombombentest hatte 2017 weltweit große Besorgnis ausgelöst.

Das jüngste Raketenmanöver erfolgt zu einem Zeitpunkt erhöhter Spannungen in der Region. Nordkorea schickte seit Mai Tausende mit Abfall und Gülle gefüllte Ballons über die Grenze nach Südkorea, das Nachbarland nahm die Propaganda-Beschallung des abgeschotteten Nordens über Lautsprecheranlagen wieder auf. Zudem kam es zu verstärkten Militäraktivitäten im Grenzgebiet.

Zuletzt baute Pjöngjang auch noch seine militärische Zusammenarbeit mit Moskau deutlich aus - und schickte allem Anschein nach Tausende Soldaten nach Russland, die nach übereinstimmenden Angaben westlicher Regierungen wohl im Angriffskrieg gegen die Ukraine eingesetzt werden sollen. Zudem unterstützt Nordkorea die russische Armee schon seit Monaten mit Waffenlieferungen im großen Stil, darunter insbesondere Artillerie- und Raketengeschosse.

Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol schickte diese Woche eine Delegation aus hochrangigen Vertretern des Verteidigungsministeriums und des Geheimdienstes in die Ukraine, um dort neue Kooperationsmöglichkeiten zu besprechen. Dabei soll es auch darum gehen, Informationen über nordkoreanische Soldaten in Russland auszutauschen und gemeinsame Gegenmaßnahmen auszuloten.

ribbon Zusammenfassung
  • Nordkorea hat eine Interkontinentalrakete getestet, die 86 Minuten in der Luft war und rund 1.000 Kilometer weit flog, bevor sie ins Meer nahe der japanischen Insel Hokkaido stürzte.
  • Der Test, der erste seit 2003, wurde von Kim Jong-un persönlich überwacht und hat internationale Kritik hervorgerufen, darunter von der UN, den USA und der EU.
  • UN-Generalsekretär António Guterres bezeichnete den Test als klaren Verstoß gegen UN-Resolutionen, und ein Treffen des Sicherheitsrats wurde beantragt.
  • China und Südkorea äußerten Besorgnis über die zunehmenden Spannungen auf der koreanischen Halbinsel, während Südkorea zusätzliche Sanktionen gegen Nordkorea plant.
  • Nordkorea sieht den Test als angemessene Reaktion auf Provokationen und plant, sein Atomwaffenarsenal trotz internationaler Sanktionen weiter auszubauen.