Neue Proteste gegen Regierung in Bulgarien
In Bulgarien sind die Proteste gegen die Regierung am siebenten Abend in Folge fortgesetzt worden. Im Zentrum von Sofia sowie in größeren Städten wie Warna, Burgas und Plowdiw forderten Tausende Demonstranten am Mittwochabend erneut den Rücktritt der Regierung von Ministerpräsident Boiko Borissow. Sie werfen dem bürgerlich-nationalistischen Kabinett "Korruption und mafiösen Handlungsstil" vor.
Die Führung der Regierungspartei GERB beschloss unterdessen, dass drei Minister in wichtigen Ressorts gehen müssen. Es handle sich um die Minister für Finanzen, für Innere Angelegenheiten und für Wirtschaft. Alle drei erklärten prompt, sie würden am Donnerstag offiziell zurücktreten.
Die Rücktrittsangebote bewirkten jedoch kein Ende der Proteste. Die Demonstranten beharrten auf ihre Forderungen. Die Protestierenden sind unzufrieden mit der Politik der Regierung in zahlreichen Bereichen. Sie werden von den oppositionellen Sozialisten (Ex-KP) und vom Russland-freundlichen Präsidenten Rumen Radew unterstützt. Die Demonstranten fordern zudem den Rücktritt des Generalstaatsanwalts.
Auch die Chefin der oppositionellen Sozialisten, Kornelia Ninowa, bestand auf einen Rücktritt der gesamten Regierung. Borissow wolle diese Rücktritte, doch dies werde ihn nicht retten, schrieb sie auf Facebook.
Der Oppositionspolitiker Hristo Iwanow forderte zudem Neuwahlen sowie eine Reform des Justizwesens. "Die Staatsanwaltschaft nutzt Ermittlungen als Druckmittel gegen bestimmte Personen und ebenso die Möglichkeit, nicht zu ermitteln - und ist dabei niemandem Rechenschaft schuldig", sagte Iwanow der "Presse" (Donnerstag-Ausgabe). Das Problem sei, "dass genau an dem Punkt in Bulgarien die Korruption beginnt", so Iwanow, der mit einer Aktion bei der Luxusvilla des reichen Politikers Ahmed Dogan die Proteste angefeuert hatte. Er berichtete über den Vorfall, bei dem er von den Leibwächtern des Politikers vertrieben wurde. "Wir haben dagegen protestiert, dass der Stadtrat von Burgas einen Teil der Straße dort einfach Dogan geschenkt hat", berichtete Iwanow. "Es gibt in Bulgarien Personen wie Dogan, die unantastbar sind und über dem Gesetz stehen. Und das macht die Menschen verrückt. Eine Million Menschen hat das Video des Vorfalls gesehen."
Vor einer Regierungssitzung am Mittwoch schloss Regierungschef Borissow einen Rücktritt seiner Koalitionsregierung allen Forderungen zum Trotz kategorisch aus. Er rief zu gemeinsamen Bemühungen auch mit der Opposition zur Bewältigung der Krise auf. Borissow warnte, dass sich wegen der Corona-Krise im Herbst und Winter eine schwierige Wirtschaftslage in Bulgarien abzeichne. Er verwies auf die Bedeutung des EU-Gipfels am 17. und 18. Juli über einen Wiederaufbauplan nach der Corona-Krise, wo er sich für die abgesprochenen Hilfen für Bulgarien einsetzen müsse.
Die oppositionellen Sozialisten reichten im Parlament einen weiteren Misstrauensantrag gegen Borissows Regierung ein - wegen angeblicher Korruption. Borissow hat alle Misstrauensabstimmungen seit dem Amtsantritt seiner dritten Regierung im Mai 2017 überstanden. Für das nun beantragte Votum können die Sozialisten mit höchstens 104 Stimmen der Opposition von insgesamt 240 Abgeordneten rechnen. Die Abstimmung ist in der kommenden Woche geplant.
Bulgariens Staatsanwaltschaft beschuldigt einen in Bulgarien angeklagten Großunternehmer und Glücksspielboss, der sich in Dubai aufhält, die Antiregierungsproteste zu lenken. Der Chefankläger veröffentlichte entsprechende Mitschnitte von abgehörten Telefonaten. Dem Unternehmer, dessen Auslieferung Sofia beantragt hat, werden in Bulgarien neben Leitung einer kriminellen Vereinigung, Mord, Vergewaltigung, Nötigung und Erpressung, jetzt auch Verbrechen gegen die Republik, vorgeworfen.
Zusammenfassung
- In Bulgarien sind die Proteste gegen die Regierung am siebenten Abend in Folge fortgesetzt worden.
- Im Zentrum von Sofia sowie in größeren Städten wie Warna, Burgas und Plowdiw forderten Tausende Demonstranten am Mittwochabend erneut den Rücktritt der Regierung von Ministerpräsident Boiko Borissow.
- Die oppositionellen Sozialisten reichten im Parlament einen weiteren Misstrauensantrag gegen Borissows Regierung ein - wegen angeblicher Korruption.