Beate Meinl-ReisingerAPA/HANS KLAUS TECHT

NEOS-Wahlkampffinale: Bruder, es gibt Hoffnung auf morgen

Die NEOS starten ins Wahlkampffinale. Auf der Freyung im ersten Wiener Gemeindebezirk kommt es zum pinken Gipfeltreffen. Die Hoffnung auf ein positives Ergebnis ist intakt, auch die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung. Doch es gibt einen pinken Elefanten im Raum, der die Liberalen kurz vor der Wahl beschäftigt.

Die Freyung im ersten Wiener Gemeindebezirk leuchtet heute Pink. Wer beim beim Supermarkt ums Eck ein paar Dosen Bier für den Feierabend einkauft, sieht aus dem Fenster bereits die rosa Luftballons. Wer dann noch eine Vorabend Beschäftigung sucht, könnte bei den Liberalen fündig werden.

Für das Wahlkampffinale, Abschluss will man es genau wie die Volkspartei nicht nennen, denn einen Tag fürs Stimmengewinnen gibt es noch, hat man die schweren Unterhaltungsgeschütze aufgebaut. Neben einer Fußballwand, wo mehr oder weniger talentierte Schützen zwischen "Beste Bildung" oder "100% Transparenz" wählen können, gibt es auch ein Wurfspiel, dass die Pinken "Reformkraftspiel" genannt haben. Die ursprüngliche Deutsche Bezeichnung für den Zeitvertreib, den man sonst eigentlich von Jahrmärkten kennt, war dann doch nicht passend für eine liberale Partei, die sich einem modernen und aufgeschlossenen Image verschrieben hat. 

"Nur nicht übertreiben"

Es sieht nicht unbedingt schlecht aus für NEOS. Immer mehr politische Beobachter sehen sie gar als Königsmacher. So könnten die Liberalen bei einer möglichen Dreierkoalition der SPÖ und ÖVP die nötigen Mandate für eine parlamentarische Mehrheit beschaffen. Theoretisch könnten das wohl auch die Grünen, doch die Stimmung, vor allem aufgrund des Alleingangs der grünen Umweltministerin Leonore Gewessler, gilt in der derzeitigen Türkis-Grünen Zusammenarbeit als angeschlagen.

Video: Stimmen-Kampf - Wahlkampfabschluss der NEOS

Dementsprechend optimistisch geben sich auch die anwesenden Parteifunktionäre. Zweistellig sollte es schon sein, ist das Kredo unter den Besuchern. Eine Frau sieht die Partei sogar schon bei 13 Prozent. "Jetzt nur nicht übertreiben" meint ihre Begleitung. 

"I glaub', der hat einen Baum zu viel umarmt"

Trotz der ausgelassenen Stimmung gibt es ein Thema, auf das die Funktionäre und Anhänger ungerne angesprochen werden: Die Personalie Mathias Strolz. Der NEOS-Gründer tritt diese Woche überraschend aus der Partei aus und hinterlässt die pinken Funktionäre ratlos. "Wenns ihn glücklich macht…" meint eine ältere Frau.

"Er wollte wohl der Partei nicht im Weg stehen. Ihr Medien habt ja seine Rückkehr auch immer wieder beschworen", so ein junges Pärchen. Eine weitere Funktionärin in einem rosa Wollkleid zeigt sich verärgert. Sie werde immer wieder gefragt, warum er das gemacht habe und sie hat keine Antwort darauf.

Sonderlich positiv war die Berichterstattung rund um Strolz in den letzten Jahren aber ohnehin nicht: "Einer hat mir gesagt, wenn der bei euch Bildungsminister wird, wähl ich euch nicht!" Etwas derber drückt es eine weitere Pinke aus: "Ich glaub', der hat einen Baum zu viel umarmt". Dass Mathias Strolz plötzlich von einem Baum springt und der derzeitigen Parteichefin doch noch die Show stiehlt, gilt an diesem Freitag als unwahrscheinlich.

Das einzige Grünzeug auf der Freyung, hinter dem sich ein Parteigründer verstecken könnte, steht hinter der Rednerbühne. Ob NEOS-Funktionäre diesen im Vorfeld kontrolliert haben, ist nicht überliefert. 

Video: Meinl-Reisinger - "Sehr optimistisch" für Sonntag

Sia und Reformen

Die Reden der Parteispitzen wirken schlussendlich fast wie die Präsentation eines Schattenkabinetts. Zuerst darf der EU-Abgeordnete Helmut Brandstätter über seine Arbeit in Brüssel sprechen und vor einer möglichen schwarz-blauen Koalition warnen (Außenminister?), dann spricht die Nationalratsabgeordnete Stefanie Krisper über Korruption und ihre Arbeit in den verschiedensten Untersuchungsausschüssen (Justizministerin?), bevor Sepp Schellhorn, in gewohnt launiger Art, über die Belastungen der Arbeitgeber poltert und sich auch zu mehreren Seitenhieben gegen den Föderalismus hinreißen lässt: "Alles scheitert an den Landeshauptleuten!" (Arbeitsministerium?)

Zum Schluss darf dann auch die Spitzenkandidatin und Parteichefin Beate Meinl-Reisinger auf die Bühne. Während Sia aus den Lautsprechern dröhnt, werden rosa Schilder mit "BEATE"-Aufdruck frenetisch geschwenkt. 

Dystopien und fliegende Traubenzucker 

Die eigentliche Rede der Parteichefin unterscheidet sich schlussendlich kaum von ihren üblichen Auftritten. Bildung, Wirtschaft und selbstständige Aufstiegschancen sind Thema. Auch werden Geschichten aus dem Wahlkampf zum Besten gegeben. Etwa, dass Meinl-Reisinger einem Unterstützer unabsichtlich einen Traubenzucker an den Kopf geworfen hat, oder die Erzählung einer 80-jährigen Dame, die erstmals NEOS wählen möchte und sich als Revoluzzerin in ihrer Familie sieht. 

Man merkt es der Parteichefin und ihren Anhängerinnen durchaus an, dass sie Lust auf eine Regierungsbeteiligung haben. Nach 11 Jahren Parteigeschichte wäre das durchaus früh. Haben doch etwa die Grünen rund 40 Jahre Erfahrung auf der Oppositionsbank gesammelt, bevor sie das Experiment mit dem damaligen ÖVP-Parteichef Sebastian Kurz gewagt haben.

Dass die pinke Beteiligung allerdings noch lange nicht in trockenen Tüchern ist, wird auch bei der Ansprache der Parteichefin deutlich. Immer wieder warnt sie vor einer Neuauflage von Schwarz-Blau, die sie "Ibiza-Koalition" nennt und kritisiert den Reformunwillen, den sie in den letzten Jahrzehnten in der Politik beobachtet haben will. "Aus dem bleiernen Stillstand der letzten Jahre ist 2017 eine Dystopie geworden", so Beate Meinl-Reisinger. 

Zum Schluss werden noch einmal fast alle Kandidat:innen für die anstehende Nationalratswahl auf die Bühne gebracht und die Anhänger mit weiterer Popmusik motiviert. Ein Lied fehlt allerdings. Der neue offizielle Wahlkampfsong der NEOS. Der war bei der Veranstaltung überraschend abwesend. Machen Sie sich am besten selbst ein Bild davon:

ribbon Zusammenfassung
  • Die NEOS starten ins Wahlkampffinale. Auf der Freyung im ersten Wiener Gemeindebezirk kommt es zum pinken Gipfeltreffen.
  • Die Hoffnung auf ein positives Ergebnis ist intakt, auch die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung.
  • Doch es gibt einen pinken Elefanten im Raum, der die Liberalen kurz vor der Wahl beschäftigt.