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NATO verstärkt Überwachung in Schwarzmeerregion

Die NATO verstärkt angesichts russischer Drohungen gegen die zivile Schifffahrt im Schwarzen Meer ihre Überwachungs- und Aufklärungsaktivitäten in der Region. Russlands Handeln berge erhebliche Risiken für die Stabilität des für die NATO strategisch wichtigen Gebiets, ließ NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch nach einer Sitzung des neu geschaffenen NATO-Ukraine-Rats in Brüssel mitteilen. Man erhöhe deswegen die Wachsamkeit.

Konkret war in der Mitteilung vom Einsatz von Seeaufklärungsflugzeugen und Drohnen die Rede. Russlands Drohungen stellten neue Risiken für Fehlkalkulation und Eskalation sowie erhebliche Hindernisse für die freie Schifffahrt dar, hieß es. Russlands hatte in der vergangenen Woche bekanntgegeben, ein Abkommen zum Export von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer nicht zu verlängern. Zudem wurde angekündigt, alle Schiffe, die ukrainische Häfen anlaufen, als legitimes Ziel zu betrachten.

Stoltenberg kommentierte dazu am Mittwoch: "Russland trägt die volle Verantwortung für sein gefährliches und eskalierendes Handeln im Schwarzmeerraum." Das Land müsse aufhören, Nahrungsmittel als Waffe einzusetzen.

Der Norweger spielte damit darauf an, dass die Vereinbarung zum Getreideexport es der Ukraine seit Sommer vergangenen Jahres ermöglicht hatte, trotz des russischen Angriffskriegs fast 33 Millionen Tonnen Getreide und Lebensmittel über das Schwarze Meer in andere Länder zu exportieren. Selbst während des Krieges blieb die Ukraine damit im Jahr 2022 der größte Weizenlieferant des Welternährungsprogramms (WFP) und lieferte mehr als die Hälfte der weltweiten Weizenbeschaffung des WFP.

Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte eine Krisensitzung des NATO-Ukraine-Rats beantragt, weil Moskau das vor einem Jahr geschlossene Abkommen zum Export von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer nicht verlängert hatte.

Die Staats- und Regierungschefs der Militärallianz hatten das neue Gremium vor gut zwei Wochen auf ihrem Gipfel in Litauen ins Leben gerufen. Es soll einen engeren Austausch ermöglichen. An den Beratungen nahmen die Botschafter der 31 Nato-Länder und Schwedens teil sowie der ukrainische Vize-Regierungschef Oleksandr Kubrakow, der per Videokonferenz dazugeschaltet war.

Die Ukraine sucht zum Durchbrechen der russischen Seeblockade gegen Getreideexporte die Hilfe der NATO. Selenskyj hoffte dabei auf eine Perspektive für die Ausfuhr von Getreide über die ukrainischen Häfen am Schwarzen Meer. "Die Welt weiß, dass die Sicherheit der Schwarzmeerhäfen der Schlüssel zu Frieden und Stabilität auf dem globalen Lebensmittelmarkt ist", sagte er im Vorfeld in einer Videoansprache in Kiew.

Das neue Gremium wurde für den Austausch in Krisensituationen geschaffen. Zudem soll es eine engere Zusammenarbeit ermöglichen, bis die Voraussetzungen für eine Aufnahme der Ukraine in die NATO erfüllt sind. Zu diesen zählen unter anderem ein Ende des russischen Angriffskrieges und Reformen in der Ukraine.

Größere Ankündigungen oder Beschlüsse wurden vom Treffen der 31 NATO-Staaten mit der von Moskau angegriffenen Ukraine indes nicht erwartet. Russland wiederum bereitete sich auf ein Gipfeltreffen mit afrikanischen Staaten ab Donnerstag in St. Petersburg vor. Viele arme Länder in Afrika leiden darunter, dass Getreide- und Düngerlieferungen aus der Ukraine und aus Russland wegen des Krieges ausfallen. Präsident Wladimir Putin kündigte einen Ausbau der russischen Zusammenarbeit mit Afrika an.

Der NATO-Ukraine-Rat hatte vor zwei Wochen beim NATO-Gipfel in Litauen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs erstmals getagt. Er traf sich nun auf Ebene der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten im Hauptquartier des Bündnisses. Russland hatte Mitte Juli seine Sicherheitsgarantien für ukrainische Agrarausfuhren über das Schwarze Meer zurückgezogen.

Seitdem hat die russische Armee nächtelang die Hafenstadt Odessa bombardiert, aber auch ukrainische Häfen an der Donau angegriffen, die als alternative Exportwege wichtig sind. Das Getreide-Abkommen hatte es der Ukraine seit Sommer 2022 ermöglicht, trotz des russischen Angriffskriegs fast 33 Millionen Tonnen Getreide und Lebensmittel über den Seeweg in andere Länder zu verkaufen.

Die russische Schwarzmeerflotte bringt sich nach Angaben britischer Militärs unterdessen für eine Blockade ukrainischer Häfen in Stellung. Das geht aus dem Geheimdienstbericht des Verteidigungsministeriums in London hervor. Demnach patrouilliert die moderne russische Korvette "Sergej Kotow" bereits auf der Route zwischen dem Bosporus und Odessa. Sie könnte Teil eines Marineverbandes werden, der Handelsschiffe auf dem Weg in die Ukraine abfangen soll.

EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski meinte indes, nahezu das gesamte für den Export bestimmte ukrainische Getreide könnte über eigens von der EU und der Ukraine ausgebaute Handelswege laufen. "Wir sind bereit, über die Solidaritätsspuren fast alles zu exportieren, was die Ukraine braucht", sagte der Kommissar in Brüssel. Nach Angaben der EU-Kommission wurden im April 2,1 Millionen Tonnen, im Mai 3,4 Millionen Tonnen und im Juni 3 Millionen Tonnen Getreide über diese Wege exportiert. Der bisherige Höchststand lag im November 2022 bei 4,2 Millionen Tonnen.

Auch das Nachbarland Slowakei bietet dabei Unterstützung an, wie Landwirtschaftsminister Jozef Bires am Mittwoch sagte. Die fünf östlichen EU-Staaten Polen, Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien lassen ukrainisches Getreide aber nur im Transit passieren. Ihre eigenen Märkte haben sie bis mindestens zum 15. September gesperrt und wollen die Sperre verlängern.

Russland wolle die Beziehungen mit Staaten des afrikanischen Kontinents ausbauen, schrieb Putin in einem Grußschreiben an die Teilnehmer des Gipfels von Staats- und Regierungschefs. Es solle eine engere Kooperation im Kampf für Ernährungssicherheit, gegen Armut und Klimawandel angestoßen werden. "Afrika behauptet sich heute immer stärker in seiner Eigenschaft als einer der Pole einer sich formierenden multipolaren Welt", schrieb der Kremlchef.

Er will den Gipfel einmal mehr als Forum für seine Kritik am Westen nutzen und auch zeigen, dass er trotz seines Angriffskrieges gegen die Ukraine nicht isoliert ist. Russland ist zugleich wichtiger Waffenlieferant für viele afrikanische Staaten. Eine Initiative Südafrikas und anderer Staaten für einen Frieden in der Ukraine hatte zuletzt keine Ergebnisse gebracht.

Der deutsche Brigadegeneral Christian Freuding sieht die ukrainischen Streitkräfte bei ihrer Gegenoffensive vor weiteren schweren Kämpfen. "Man muss ja nur mal auf die Karte blicken, und da haben wir ein Kräfteverhältnis von ungefähr eins zu eins. Und eine neun Monate lang vorbereitete Verteidigung mit starken Geländeverstärkungen und seit einem halben Jahr vorbereiteten Minensperren", sagte der Leiter des Planungsstabes im Verteidigungsministerium.

Für Vorstöße müsse örtlich und zeitlich begrenzt eine Überlegenheit erzeugt werden. "Und das begründet auch das sehr vorsichtige, um es unmilitärisch auszudrücken, tastende Vorgehen der Ukrainer, diese Stelle zu finden", sagte der Offizier, der auch die militärische Hilfe Deutschlands für die Ukraine koordiniert. Die Ukraine versucht seit etwa zwei Monaten, russisch besetzte Gebiete zurückzuerobern.

Nach Berichten über mutmaßliche Spionage Moskaus hat die Regierung der Republik Moldau Russland dazu aufgefordert, das Personal in seiner Botschaft um 45 Mitarbeiter zu verkleinern. "Wir haben beschlossen, die Zahl der in der Republik Moldau akkreditierten russischen Diplomaten zu begrenzen", sagte Außenminister Nicolae Popescu Medien zufolge bei einer Regierungssitzung. 25 Russen verbleiben in der Vertretung. Am Montag hatten internationale Investigativmedien über illegale Abhöraktivitäten russischer Geheimdienstmitarbeiter in dem Nachbarland der Ukraine berichtet.

ribbon Zusammenfassung
  • Die NATO verstärkt angesichts russischer Drohungen gegen die zivile Schifffahrt im Schwarzen Meer ihre Überwachungs- und Aufklärungsaktivitäten in der Region.
  • Russlands Handeln berge erhebliche Risiken für die Stabilität des für die NATO strategisch wichtigen Gebiets, ließ NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch nach einer Sitzung des neu geschaffenen NATO-Ukraine-Rats in Brüssel mitteilen.
  • Es soll einen engeren Austausch ermöglichen.