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Gefühle allein machen nicht anfällig für Fake News

31. März 2025 · Lesedauer 4 min

Es ist ein weit verbreitetes Vorurteil, dass Wut oder Angst das Urteilsvermögen trüben und aufgebrachte Menschen daher eher an Fake News glauben. Eine neue Studie konnte nun zeigen, dass Emotionen per se nicht anfälliger für Falschinformationen machen. Angesichts ihrer sozialen Funktionen spielen Gefühle trotzdem eine wichtige Rolle, wenn Menschen den Wahrheitsgehalt von Nachrichten beurteilen, sagte Erstautorin Hannah Metzler zur APA.

In der Emotionsforschung sei schon lange belegt, dass Emotionen, auch aus evolutionärer Sicht, ein wesentlicher Bestandteil von intelligentem menschlichem Verhalten sind. Im jüngeren Feld der "Misinformationsforschung" ist die gegenteilige Annahme noch weit verbreitet, so Metzler, die als Neurowissenschafterin und Psychologin am Wiener Complexity Science Hub (CSH) forscht.

Deswegen untersuchten Metzler und ihr Team in der im Fachjournal "Cognitive Research: Principles and Implications" veröffentlichten Studie den Zusammenhang zwischen Gefühlen und dem Glauben an Fake News. Die 422 Probandinnen und Probanden waren dazu angehalten, ihre Stimmung in den letzten Tagen sowie die Emotion nach dem Lesen von Nachrichten zu vermerken und ihren Wahrheitsgehalt zu bewerten. Durchgeführt wurde die Befragung im November 2021, als die ersten Covid-Impfkampagnen anliefen. In diesem Kontext wurden den Teilnehmenden verschiedene Schlagzeilen und Bilder zur Pandemie und den Impfungen gezeigt.

Das Ergebnis: Ihre Stimmung vor dem Lesen der Nachrichten hatte keinerlei Einfluss darauf, ob die Befragten die Falschnachrichten identifizieren konnten. Entgegen der Annahme, dass Emotionen irrational machen würden, erkannten Personen, die wütend auf Falschnachrichten reagierten, diese auch häufiger als solche.

Soziales oft wichtiger als Wahrheitsgehalt

"Unsere Stichprobe enthielt mehr Menschen mit hohen Bildungsabschlüssen, die politisch eher links waren", merkte Metzler an. Außerdem wisse man aus anderen Studien, dass eine kleine radikale Minderheit in sozialen Netzwerken den Großteil von Fake News teilen - nachdem diese nicht Teil der Stichprobe waren, konnten ihre Beweggründe nicht untersucht werden. Trotzdem waren vielfältige Ansichten vertreten und es zeigten sich Emotionen auf beiden Seiten des politischen Spektrums.

So war Wut tendenziell immer dann vorhanden, wenn neue Informationen nicht in die Weltsicht der befragten Person gepasst haben. "Das ist eine zentrale Erkenntnis: Viel wichtiger als der Wahrheitsgehalt einer Information oder von Vorannahmen sind hierbei soziale Komponenten - woran etwa mein Umfeld oder die politische Partei, der ich mich zugehörig fühle, glaubt", so Metzler.

Denn Emotionen hätten die wichtige Aufgabe, Aufmerksamkeit auf für den Menschen relevante Dinge zu lenken. Das reiche von potenziellen Gefahren bis zu sozialer Anerkennung und Gruppenzugehörigkeit. Für den Großteil der Menschheitsgeschichte sei es überlebensnotwendig gewesen, Teil einer Gruppe zu sein. Deswegen ist die Frage, was man dafür glauben oder sagen muss, immer noch stark in uns verankert, so die Forscherin weiter.

Kleine Entwarnung und große Aufgaben

"Wir glauben von Natur aus sehr viel Blödsinn - für eine lange Zeit waren wir zum Beispiel überzeugt, dass die Erde flach ist und die Sterne Götter", sagte Metzler. Dass insgesamt so viele an den menschengemachten Klimawandel und die Wirksamkeit von Impfungen glauben, sieht die Forscherin als Anzeichen für das - historisch gesehen - große Vertrauen in Institutionen und Wissenschaft. Fake News seien demnach nicht die Ursache, sondern ein Symptom von einem gerade nach der Corona-Pandemie wieder steigenden Misstrauen.

Zu große Panik und Alarmismus hält die Forscherin nicht für angebracht, denn nur durch aufwühlende Fake News lasse sich ein Großteil der Menschen eben nicht überzeugen. Ein mögliches Gegenmittel wäre daher, dass Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund in den Institutionen stärker repräsentiert sind, um das Vertrauen in sie zu stärken. "Außerdem ist ein zugegebenermaßen herausfordernder Teil der Lösung, dass Personen wirtschaftlich gut dastehen und nicht an Status verlieren - damit sie dann eben nicht nach radikalen Gruppen und alternativen Erklärungen, die sich gegen das System wehren, suchen müssen", so Metzler.

Das Thema wird sie auch in Zukunft beschäftigen: Aktuell forscht sie zur Verbreitung von Fehlinformation und Emotionalität in sozialen Netzwerken und entwickelt Interventionen, um Menschen im Hinblick auf soziale Aspekte weg vom Glauben an Falschinformationen zu bringen.

(S E R V I C E - Link zur Studie: https://go.apa.at/9N3w7Ex0)

Zusammenfassung
  • Eine Studie des Wiener Complexity Science Hub zeigt, dass Emotionen nicht anfälliger für Fake News machen. 422 Probanden bewerteten ihre Stimmung und den Wahrheitsgehalt von Nachrichten während der ersten Covid-Impfkampagnen.
  • Wut trat auf, wenn Informationen nicht zur eigenen Weltsicht passten. Soziale Komponenten sind wichtiger als der Wahrheitsgehalt von Informationen, was die Forscherin Hannah Metzler betont.
  • Fake News sind ein Symptom für steigendes Misstrauen nach der Corona-Pandemie. Vertrauen in Institutionen könnte durch repräsentative Vielfalt gestärkt werden.