Mücksteins Eiertanz um die Impfpflicht
Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) trat am Freitag vor die Presse um einen Lockdown für Ungeimpfte in Salzburg und Oberösterreich, aufgrund der kritischen Corona-Lage vor Ort, anzukündigen. Fast in einem Nebensatz vollzog Mückstein eine Kehrtwende in Sachen Impfpflicht. In den letzten Wochen war die Regierung nicht müde geworden zu betonen, dass man bei der Impfung gegen das Coronavirus auf Freiwilligkeit setzen wolle. Nun soll eine Impfpflicht für Gesundheitsberufe kommen. Mehr sagte Mückstein nicht.
Gewerkschaft übt Kritik
Der Ankündigung dürften offenbar keine Gespräche mit der Gewerkschaft vorangegangen sein. Diese fordert nun einen Krisengipfel. "So geht man mit Menschen nicht um. Vor allem, wenn es die Menschen betrifft, die sich seit bald zwei Jahren sprichwörtlich den Arsch aufreißen", zeigt sich Edgar Martin, Vorsitzender "Team Gesundheit" bei der Younion, sauer.
Edgar Martin, Vorsitzender "Team Gesundheit" bei der Younion, kritisiert die von Gesundheitsminister Mückstein angekündigte Impfpflicht für Gesundheitsberufe.
Er sprach auch die Problematik der Differenzierung an. So würde das Gesundheitswesen sehr viele Berufsgruppen umfassen, "die kann man nicht über einen Kamm scheren", gibt Martin zu Bedenken. Für ihn ist Mücksteins Ankündigung ein "Schnellschuss".
Unterstützung von Ärztekammer
Unterstützung kam hingegen umgehend von der Österreichischen Ärztekammer (ÖAK). Patienten seien besonders vulnerabel, sagte Präsident Thomas Szekeres am Freitag zur APA. Deswegen seien schwere Verläufe auch viel wahrscheinlicher. In einem Lockdown für Ungeimpfte sieht er einen "Motivator" für Ungeimpfte.
In seiner Analyse spricht sich auch PULS 24 Chefredakteur Stefan Kaltenbrunner für die Einführung einer Impfpflicht bei Gesundheitsberufen aus. Er kritisiert aber, dass die Maßnahme viel zu spät komme. Es gibt "eine Impfpflicht für andere Impfungen (in Gesundheitsberufen, Anm.), wieso nicht für Corona?", fragt Kaltenbrunner rhetorisch. Diese "Kehrtwendung um 180 Grad" bei der Impfpflicht zeige, dass die Corona-Pandemie dem Gesundheitsminister "vollkommen entglitten" sei.
Für PULS 24 Chefredakteur Stefan Kaltenbrunner ist Gesundheitsminister Mückstein "vollkommen überfordert".
Mücksteins Voraussetzungen für Impfpflicht
Ein Blick ins Archiv zeigt, dass Mückstein beim Thema Impfung seine Meinung in seiner kurzen Amtszeit bereits mehrmals geändert hat. So sprach er sich im Mai noch deutlich gegen Impfpflicht aus und wollte auf die Aufklärung von "schwankenden" Menschen konzentrieren. Nach einem Vorstoß des Wiener Gesundheitslandesrats Peter Hacker für ein Eintrittsverbot zu Freizeiteinrichtungen für Ungeimpfte konnte er sich die Umsetzung einer 1G-Regel vorstellen.
Im August formulierte Mückstein auch zwei Voraussetzungen für die Einführung einer Impfpflicht. Zum einen dürfe die Eindämmung der "prekären epidemiologischen Situation" nicht mit gelinderen Mitteln möglich sein, zum anderen müsse jeder die Möglichkeit für den zweiten Stich gehabt haben, erklärte er am Rande einer Pressekonferenz am Donnerstag.
Jurist hält Impfpflicht für rechtlich möglich
Der Rechtsanwalt Florian Horn sagt gegenüber PULS 24, dass er die Durchsetzung einer Impfpflicht rechtlich für möglich hält. Er argumentierte, dass die Einführung einer Impfpflicht in Österreich einfacher sei als die Verhängung eines Lockdowns für Ungeimpfte, wie er nun in Salzburg und Oberösterreich erlassen wurde. Eine generelle Impfpflicht würde nämlich nicht zwischen Bevölkerungsgruppen unterscheiden. Wenn es aus medizinischer Sicht sinnvoll wäre, eine höhere Durchimpfung zu erzielen, ist eine Impfpflicht eine "ehrlichere Antwort" als "lästige Auflagen für Nicht-Geimpfte", sagte der Jurist.
Ein Lockdown für Ungeimpfte sei laut dem Juristen "höchst problematisch" und "sehr, sehr schwer zu argumentieren", weil Geimpfte von Genesenen bei der Gefährlichkeit nicht wirklich unterscheidbar seien. Es müsse egal sein, wie man Immunität aufbaut.
Impfpflicht nicht ausreichend
Eine Impfpflicht, wie sie laut Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) in Österreich für den Gesundheitsbereich kommen soll, hält Willeit grundsätzlich für eine gute Maßnahme. Sie würde Auswirkungen auf den Schutz von Risikogruppen haben, da diese Berufsgruppe viel Umgang mit dieser habe.
Peter Willeit, Epidemiologe der MedUni Innsbruck, warnt davor, dass eine Impfpflicht im Gesundheitsbereich alleine nicht ausreichend sein wird.
Willeit warnt aber davor, sich nur auf diese Maßnahmen zu verlassen. Es brauche schnell zusätzliche Maßnahmen, sagt er im Interview mit PULS 24 Anchor Daniel Retschitzegger.
Ähnlich siegt das Eva Schernhammer, Leiterin der Abteilung für Epidemiologie an der Meduni Wien. Aber was auch immer nun komme, müsse mit einer "Impfanforderung" für Ungeimpfte und zur Auffrischungsimpfung einhergehen, fordert die Epidemiologin.
Schernhammer: "Es muss ein konkretes Impfangebot geben"
Schernhammer stellt sich etwa vor, dass während eines Lockdowns Briefe mit konkreten Impfterminen verschickt werden sollten: "Es muss ein konkretes Impfangebot geben". Und dann sollte man auch über Konsequenzen nachdenken, was passiere, wenn die Personen nicht erscheinen, fordert die Medizinerin.
Im Gesundheitswesen sei eine Impfpflicht sowieso das "Gebot der Stunde". Bei anderen Krankheiten "eigentlich schon immer". Aber auch private Betriebe sollten sich überlegen, Druck auf die Mitarbeiter auszuüben. In den USA sei das im Moment ein großes Thema.
Zusammenfassung
- Am Freitag verordnete Gesundheitsminister Mückstein unerwartet die Impfpflicht für Gesundheitsberufe. In den letzten Monaten hatte er einen solchen Schritt noch ausgeschlossen. Nicht nur bei PULS 24 Chefredakteur Stefan Kaltenbrunner sorgt das für Unverständnis.