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Eskalation

Kämpfe in Syrien: Laut Aktivisten mehr als 700 Tote

08. März 2025 · Lesedauer 4 min

Drei Monate nach dem Machtwechsel in Syrien sind laut Aktivisten mehrere Hundert Menschen bei Kämpfen zwischen Sicherheitskräften und Anhängern des gestürzten Diktators Bashar al-Assad getötet oder verletzt worden.

Dabei sollen laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London insgesamt mehr als 700 Menschen, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, getötet worden sein. Sicherheitskräfte der Übergangsregierung hätten mindestens 501 Menschen getötet oder exekutiert.

Die in Großbritannien ansässige Beobachtungsstelle, die den Konflikt über ein Netzwerk von Informanten verfolgt, sprach von Massakern in mehr als 20 Orten der Gouvernements Latakia, Tartus und Hama.

Die westlichen Küstenregionen gelten als Hochburgen der Alawiten, einer religiösen Gemeinschaft, der auch der gestürzte Machthaber Bashar al-Assad angehört. Die Beobachtungsstelle warf Kämpfern der islamistischen Interimsregierung Kriegsverbrechen vor.

Alawitischen Kämpfer müssen sich ergeben

Am Donnerstag waren bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des gestürzten Präsidenten Bashar al-Assad und Sicherheitskräften der neuen Regierung eskaliert. Neben Zivilisten wurden auch mehr als 200 Kombattanten auf beiden Seiten getötet.

Video: Wer ist der HTS-Anführer und was hat er vor?

Sorge wegen Exekutionen

Was Hinrichtungen betrifft, erklärte die Beobachtungsstelle am Samstag: "Die überwiegende Mehrheit der Opfer wurde von mit dem Verteidigungs- und dem Innenministerium verbundenen Elementen exekutiert." Beide Ministerien stünden unter der Kontrolle der von den Islamisten geführten Behörden. Von der Beobachtungsstelle und Aktivisten veröffentlichte Videoaufnahmen zeigten Dutzende vor einem Haus aufgestapelte Leichen in Zivilkleidung.

Daneben waren Blutflecken und weinende Frauen zu sehen. Weitere Aufnahmen zeigten Männer in Militäruniform, die aus nächster Nähe auf Menschen schossen. Die Beobachtungsstelle bezieht ihre Informationen von einem Netzwerk von Aktivisten in Syrien, die meist nicht sofort unabhängig überprüft werden können.

Der UNO-Syrien-Gesandte Geir Pedersen äußerte sich besorgt über "sehr beunruhigende Berichte über zivile Opfer". Er rief alle Seiten auf, von Aktionen abzusehen, die "Syrien destabilisieren und einen glaubwürdigen und integrativen politischen Übergang gefährden" könnten.

Alawiten in der Defensive

Kämpfer unter Führung der islamistischen HTS-Miliz hatten Anfang Dezember Damaskus erobert und die jahrzehntelange Herrschaft von Assad an der Spitze eines säkularen Polizei- und Geheimdienstregimes beendet. Seit ihrer Machtübernahme hat die neue syrische Führung wiederholt versichert, die Minderheiten im Land schützen zu wollen. Die Alawiten fürchten jedoch Vergeltungsmaßnahmen gegen ihre Gemeinschaft - sowohl als religiöse Minderheit als auch wegen ihrer Treue zur Assad-Familie.

Die HTS ist aus der Al-Nusra-Front, dem syrischen Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida, hervorgegangen. Sie wird vom Westen weitgehend als "Terrororganisation" eingestuft - auch wenn sie versucht, sich ein neues, gemäßigtes Image zu geben.

300.000 Flüchtlinge aus dem Ausland nach Syrien zurückgekehrt

Derweil teilte das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) mit, dass seit Assads Sturz mehr als 300.000 syrische Flüchtlinge in ihre Heimat zurückgekehrt seien. Überdies seien auch 900.000 syrische Binnenvertriebene nach Syrien zurückgekehrt, sagte UNHCR-Sprecherin Céline Schmitt am Freitag bei einer aus Damaskus per Videoschaltung abgehaltenen Pressekonferenz. Insgesamt seien damit seit Anfang Dezember 1,2 Millionen Menschen zurückgekehrt. Es handle sich aber immer noch um "die größte Flüchtlingskrise der Welt".

Unterdessen beschloss die Schweiz am Freitag mit sofortiger Wirkung zusätzliche Sperren von Vermögenswerten in Höhe von 99 Millionen Franken (rund 104 Millionen Euro), wovon laut einer Mitteilung der Regierung "rund zwei Drittel auf Mitglieder der ehemaligen Assad-Regierung und ihrer Entourage entfallen".

Damit solle sichergestellt werden, dass "diese Vermögenswerte, die möglicherweise unrechtmäßig erworben wurden, unabhängig von den Entwicklungen im Sanktionsbereich gesperrt bleiben". Sollte sich die illegale Herkunft der Gelder herausstellen, wolle Bern sie "zugunsten der syrischen Bevölkerung zurückzuerstatten".

Zusammenfassung
  • Bei der neuen Eskalation in Syrien sind Aktivisten zufolge insgesamt mehr als 700 Menschen bei Massakern und Gefechten getötet worden.
  • Sicherheitskräfte der Übergangsregierung hätten mindestens 501 Menschen getötet oder exekutiert, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London.
  • Unter den Opfern seien auch Frauen und Kinder.
  • Neben den Zivilisten wurden auch mehr als 200 Kombattanten auf beiden Seiten getötet.