Macron ruft zu "glaubhafter" europäischer Verteidigung auf
"Europa muss das, was ihm am Herzen liegt, verteidigen können - mit seinen Verbündeten, wenn sie dazu bereit sind, aber auch allein, wenn es nötig ist", sagte er. Er bekräftige seine Forderung, bei Rüstungsgütern europäische Produktionen zu bevorzugen und dafür auch gemeinsame Schulden aufzunehmen - Forderungen, die etwa von Deutschland bisher nicht umfassend geteilt werden.
Die größte Gefahr für die Sicherheit Europas sei der Krieg in der Ukraine: "Die Grundvoraussetzung für unsere Sicherheit ist, dass Russland diesen Angriffskrieg nicht gewinnt", sagte Macron. Er schlug die Schaffung einer europäischen Militärakademie vor. Zudem müsse Europa den Bereich Cybersicherheit stärken und die heimische Rüstungsindustrie fördern: "Wie können wir unsere Souveränität, unsere Autonomie aufbauen, wenn wir nicht die Verantwortung übernehmen, unsere eigene europäische Verteidigungsindustrie aufzubauen?"
Frankreich werde dabei seine Rolle spielen, sagte Macron. Die nukleare Abschreckung, über die Frankreich verfüge, sei dabei "ein unumgängliches Element der Verteidigung des europäischen Kontinents", erklärte Macron. "Dank dieser glaubwürdigen Verteidigung können wir die Sicherheitsgarantien aufbauen, die unsere Partner in ganz Europa erwarten", betonte er. Der gemeinsame Sicherheitsrahmen könne in der Zukunft auch ermöglichen, "nachbarschaftliche Beziehungen zu Russland aufzubauen".
Macron warnte vor schwindendem Einfluss Europas. "Es besteht ein immenses Risiko, geschwächt oder gar abgehängt zu werden", sagte Macron. "Unser Europa heute ist sterblich, es kann sterben, und das hängt allein von unseren Entscheidungen ab", sagte er in seiner Rede, die als Beitrag zum Europawahlkampf gewertet wurde. Macron hatte bereits 2017 in demselben prunkvollen Hörsaal der Sorbonne zu einer größeren Souveränität Europas und einer stärkeren gemeinsamen Verteidigung aufgerufen.
Der Präsident hatte in jüngster Zeit zudem mit der Bemerkung für Aufmerksamkeit gesorgt, dass der Einsatz westlicher Bodentruppen in der Ukraine nicht ausgeschlossen sei. Solche Überlegungen treffen beim deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz auf Ablehnung. Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte erklärt, Macrons Vorstoß sei "keine gemeinsame Position". Als weitere Beispiele von Interessenkonflikten nannte der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit unlängst zudem geplante gemeinsame Projekte wie die Entwicklung eines Kampfflugzeuges und eines Kampfpanzers.
Macron verlor 2022 seine parlamentarische Mehrheit. Auch seine persönlichen Popularitätswerte in Frankreich sind gesunken. Seine zentristische Partei Renaissance liegt in den Umfragen vor den Europawahlen im Juni hinter dem rechtsextremen Rassemblement National (RN).
Zusammenfassung
- Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wird am Donnerstag um 11.00 Uhr an der Pariser Sorbonne seine Vision für ein souveränes, starkes Europa präsentieren.
- Die Rede knüpft an seine erste Europa-Rede von 2017 an und setzt die Agenda für die EU der nächsten Jahre.
- Trotz bisher ausbleibender Reaktionen auf seine europapolitischen Vorstöße sucht Macron den Schulterschluss mit Deutschland, zuletzt beim EU-Gipfel mit Kanzler Scholz.