Krankenstände verschärfen Engpässe an Wiener Kindergärten
Bei den städtischen Kindergärten sieht der während der Coronapandemie erdachte mehrstufige Notfallplan vor, dass im ersten Schritt bei Engpässen an einem Standort Personal von anderen Kindergärten im selben Grätzel oder Bezirk aushilft. Reicht das nicht, werden nicht-berufstätige Eltern gebeten, ihre Kinder früher abzuholen oder ganz daheimzulassen - allerdings nur, wenn das auch möglich ist. Kinder im letzten Kindergartenjahr, für das eine Besuchspflicht gilt, werden auch auf jeden Fall betreut.
Auf ähnliche Modelle muss man auch in Privatkindergärten zurückgreifen. An einzelnen Standorten habe man die Eltern bitten müssen, die Kinder wenn möglich daheim zu betreuen, hieß es etwa aus der St. Nikolausstiftung zur APA. Wie viele der 350 städtischen Häuser betroffen waren oder sind, konnte man in der für die Kindergärten zuständigen MA10 auf APA-Anfrage nicht sagen. Die Zahlen würden sich tage-, manchmal sogar stundenweise ändern. Die Personalausfälle bewegten sich jedenfalls im für die Jahreszeit typischen Ausmaß.
Als letztes Mittel sind im städtischen Notfallplan auch Gruppenschließungen vorgesehen, das sei bisher aber nur "vereinzelt" vorgekommen. Ziel des Notfallplans sei, den gesetzlichen Personalschlüssel und einen geregelten Ablauf zu gewährleisten. Es werden jedenfalls jedes Kind bei Bedarf betreut.
Beim Personalmangel in Wien sieht die Gewerkschaft Younion einen neuen Rekord erreicht. Schuld daran seien auch die Bundesländer Niederösterreich und Burgenland durch "aggressives Abwerben" während der Ferienmonate, kritisierte Vizechef Manfred Obermüller in der "Krone" (Dienstagsausgabe). Geworben werde etwa mit zusätzlichen Urlaubstagen und höheren Einstiegsgehältern. Auch bei den Kinderfreunden, Wiens größtem privaten Kindergartenträger, spürt man den Druck aus den Nachbarbundesländern. Der politisch vorangetriebene Ausbau der Elementarpädagogik "führt zu einem intensiven Wettbewerb um die besten Fachkräfte", so Geschäftsführerin Alexandra Fischer zuletzt in "Wien heute".
Im Büro von Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) geht man allerdings nicht davon aus, dass das Abwerben große Effekte hat. Die Zahl derjenigen, die ihr Dienstverhältnis bei den städtischen Kindergärten aufgelöst haben, sei konstant, hieß es auf APA-Anfrage.
"Wir sind es gewohnt, dass Niederösterreich abwirbt", relativierte auch St. Nikolausstiftung-Geschäftsführer Elmar Walter. Im Nachbarbundesland sei schon in der Vergangenheit nicht genug Personal ausgebildet worden, um den Bedarf zu decken. Mit dem Ausbau des Angebots verschärfe sich das Problem nun. Der Bund, der für die Ausbildung an den Bildungsanstalten für Elementarpädagogik (Bafep) verantwortlich ist, müsse in Niederösterreich mehr Ausbildungsplätze schaffen. Überhaupt wäre für Walter der Bund in der Pflicht. Man wisse seit 15 Jahren, dass durch die Pensionierungswelle Engpässe zu erwarten seien. "Diese Entwicklung wurde verschlafen."
Wien versucht unterdessen, im Wettbewerb ebenfalls die Rahmenbedingungen zu verbessern - etwa durch höhere Einstiegsgehälter oder Maßnahmen wie den Einsatz von externem Reinigungspersonal, um die Assistenzkräfte freizuspielen. Auch Sozialpädagogik oder pädagogische Fachassistenz werde zugekauft, so die Leiterin der für die Kindergärten zuständigen MA10, Karin Broukal. "Das alles macht das Berufsfeld der Pädagoginnen wieder attraktiv, weil sie nicht alleine mit den Herausforderungen in der Gruppe stehen." Durch gezielte Recruitingmaßnahmen u.a. auf Jobmessen habe die Stadt zudem bereits ein Plus von über 400 Assistentinnen und Assistenten aufbauen können, hieß es aus der MA10. Über die Ausbildungsoffensive 2024 soll Personal aus dem pädagogischen Bereich berufsbegleitend höherqualifiziert und dabei finanziell unterstützt werden.
Zusammenfassung
- Wiens Kindergärten stehen vor erheblichen Personalengpässen mit 740 unbesetzten Stellen in städtischen und 1.000 in privaten Einrichtungen, was durch Krankenstände weiter verschärft wird.
- Die Gewerkschaft Younion kritisiert das aggressive Abwerben von Personal durch Niederösterreich und Burgenland, während Wien mit besseren Rahmenbedingungen und Recruitingmaßnahmen reagiert hat, um über 400 neue Assistenten zu gewinnen.
- Ein mehrstufiger Notfallplan sieht vor, dass Personal von anderen Standorten aushilft oder Eltern gebeten werden, ihre Kinder zuhause zu betreuen, um den gesetzlichen Personalschlüssel zu gewährleisten.