"Es tut mir im Herzen leid" - Merkels dramatischer Appell für Lockdown
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ist am Freitag in einer Generaldebatte im Deutschen Bundestag erneut für einen härteren Lockdown eingetreten. In ihrer Rede sprach Merkel so emotional wie man sie bisher kaum gesehen und gehört hat. "Es tut mir wirklich im Herzen leid", sagte sie, aber die Beschränkungen seien notwendig.
Sie verwies auf Empfehlungen der Wissenschaft, jetzt die Kontakte weiter drastisch zu senken. "590 Tote pro Tag sind inakzeptabel", sagte sie angesichts der aktuellen Corona-Zahlen in Deutschland. Sie halte es daher für richtig, die Geschäfte nach Weihnachten bis mindestens 10. Jänner zu schließen und auch den Unterricht an den Schulen zu minimieren.
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Weihnachtsferien ab 16. Dezember
In einem emotionalen Appell rief Merkel dazu auf, in der Pandemie-Bekämpfung auf die Wissenschaft zu hören. Sie forderte mit Blick auf die aktuellen Zahlen nachdrücklich, die Weihnachtsferien um weitere drei Tage auf den 16. Dezember vorzuziehen. "Was wird man denn im Rückblick auf dieses Jahrhundertereignis mal sagen, wenn wir nicht in der Lage waren für diese drei Tage eine Lösung zu finden?", betonte die deutsche Kanzlerin.
Die Wissenschaft flehe geradezu darum, vor Weihnachten, bevor man Oma und Opa sehe, eine Woche der Kontaktreduzierung zu ermöglichen, sagte Merkel. "Wenn wir jetzt vor Weihnachten zu viele Kontakte haben und anschließend es das letzte Weihnachten mit den Großeltern war, dann werden wir etwas versäumt haben. Das sollten wir nicht tun", sagte Merkel.
Konter gegen Wissenschaftsleugnung der AfD
Zwischenrufe aus den Reihen der AfD, die die wissenschaftlichen Beweise für die Virusübertragung bezweifelten konterte Merkel damit, dass sie sich im Geiste der Aufklärung auf die Erkenntnisse der Wissenschaft stütze. Sie selbst habe in der DDR Physik studiert, weil sie gewusst habe, "dass man vieles außer Kraft setzen kann, aber die Schwerkraft nicht".
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Hohe Infektionszahlen zwingen zum Handeln
Die deutsche Kanzlerin bezeichnete die Empfehlungen der Nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina für Geschäftsschließungen und eine Verlängerung der Weihnachtsferien bis zum 10. Jänner als richtig und verteidigte den Kurs, bei der Pandemie-Bekämpfung der Wissenschaft zu folgen.
Die einflussreiche Nationale Akademie der Wissenschaften in Deutschland hatte zuvor massive Kontakt-Einschränkungen nach Weihnachten gefordert. "Ab dem 24. Dezember 2020 bis mindestens zum 10. Jänner 2021 sollte in ganz Deutschland das öffentliche Leben weitgehend ruhen und ein harter Lockdown gelten", heißt es in einer Stellungnahme der "Leopoldina" vom Montag , die die Bundesregierung in der Corona-Krise berät.
"Hierfür sollten zusätzlich zu den ab dem 14. Dezember vorgeschlagenen Maßnahmen alle Geschäfte bis auf die des täglichen Bedarfs geschlossen und die Weihnachtsferien in den Bildungseinrichtungen verlängert werden." Grund für die drastischen Maßnahmen seien die anhaltend hohen Infektionszahlen. Bereits ab dem 14. Dezember sollten die Kontakte in der Bevölkerung auf das "absolute Mindestmaß" reduziert werden.
"Die Schulpflicht sollte bis zum Beginn der Weihnachtsferien in allen Bundesländern aufgehoben werden", heißt es weiter.
Die Leopoldina empfiehlt unter Verweis auf die Erfahrungen anderer EU-Staaten "schnell eingesetzte, strenge Maßnahmen über einen kurzen Zeitraum".
Sachsen am Montag im Lockdown
Das deutsche Bundesland Sachsen geht ab kommenden Montag in einen harten Lockdown. Schulen und der Einzelhandel - mit Ausnahme von Supermärkten und Geschäften für die Grundversorgung - werden im ganzen Bundesland geschlossen. Das teilte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer am Dienstag mit.
Die Maßnahmen sollen bis zum 10. Januar 2021 gelten, "ein überschaubarer Zeitraum, aber trotzdem eine Herausforderung", sagte Kretschmer. Am Freitag sollen die neuen Maßnahmen in einer Sondersitzung des Landeskabinetts beschlossen werden. Die 7-Tages-Inzidenz in Sachsen lag zuletzt doppelt so hoch wie der deutsche Bundesdurchschnitt.
Thüringen und Hessen mit Beschränkungen
Das deutsche Bundesland Thüringen will die Corona-Kontaktbeschränkungen über die Weihnachtsfeiertage nicht lockern. Darauf hat sich die Landesregierung verständigt. Der Vorschlag soll noch mit dem Landtag und den Kommunen beraten werden. Rheinland-Pfalz erwägt, die Corona-Regeln für Treffen nach Silvester nicht zu lockern. Das sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer.
Das Bundesland Hessen wird in Regionen mit hohen Infektionszahlen nächtliche Ausgangssperren und ein Alkoholverbot verhängen. Das kündigte der Ministerpräsident des Bundeslandes, Volker Bouffier, am Dienstag in einer Regierungserklärung im hessischen Landtag an.
In Mecklenburg-Vorpommern beschloss die Regierung die Maskenpflicht auf öffentlichen Plätzen zu erweitern und Schüler ab der siebten Klasse nach den Weihnachtsferien im Home-Schooling zu unterrichten.
Bayern plant ab Weihnachten große Teile des Einzelhandels schließen. Das berichtet die "Bild"-Zeitung unter Berufung auf Informationen aus Münchner Regierungskreisen. Söder wolle laut dem Bericht den harten Lockdown bis zum 10. Januar erlassen.
Spahn für strengere Beschränkungen
Auch der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn war am Dienstag für eine Verschärfung der Maßnahmen eingetreten. Er schließt angesichts der hohen Infektionszahlen eine Verschärfung der Corona-Beschränkungen nicht aus. Sollten die Zahlen bis Weihnachten nicht sinken, "dann müssen wir das diskutieren", sagte er am Montag gegenüber dem Nachrichtensender "Phoenix". Er plädierte dafür, härtere Maßnahmen für einen kürzeren Zeitraum zu ergreifen. Auch eine erneute Schließung des Einzelhandels schloss Spahn nicht aus.
Zusammenfassung
- Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel will weitere Kontaktbeschränkungen in Deutschland.
- Das Land befinde sich "in der entscheidenden Phase dieser Pandemie", sagte Merkel am Mittwoch im deutschen Bundestag.
- Sie halte es daher für richtig, die Geschäfte nach Weihnachten bis mindestens 10. Jänner zu schließen und auch den Unterricht an den Schulen zu minimieren.
- Sie forderte mit Blick auf die aktuellen Zahlen nachdrücklich, die Weihnachtsferien um weitere drei Tage auf den 16. Dezember vorzuziehen.
- Sachsen hatte am Dienstag angekündigt, ab kommenden Montag in einen harten Lockdown zu gehen.