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Transit am Brenner: Italien schickt Klage an EU-Kommission

Italien hat nun auch offiziell die bereits beschlossene Klage gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen der Tiroler Anti-Transitmaßnahmen an die EU-Kommission geschickt und forderte diese darin auf, ein EU-Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten.

Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne), Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) sahen Österreich im Recht.

"Wie versprochen, wir haben den Worten in Sachen Transit Taten folgen lassen, zum ersten Mal in der italienischen Geschichte", erklärte Salvini, der schon seit langer Zeit massiv gegen die - seines Erachtens rechtswidrigen - Tiroler Maßnahmen auf der Brennerstrecke mobilisiert.

Italien sieht den Grundsatz des freien Warenverkehrs verletzt, es geht etwa um Maßnahmen wie Lkw-Dosiersystem sowie Wochenend- und Nachtfahrverbot.

Die EU-Kommission hat nun drei Monate Zeit, um über ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich zu entscheiden beziehungsweise eine Stellungnahme abzugeben. Österreich erhält im Falle eines Verfahrens die Gelegenheit, eine Stellungnahme abzugeben.

Die beteiligten Staaten können sich schriftlich und mündlich in einem kontradiktorischen Verfahren äußern. Gibt die EU-Kommission keine Stellungnahme ab oder sieht sie von einer Klage ab, kann Italien selbst direkt vor dem EuGH klagen.

Ein Sprecher der EU-Kommission bestätigte am Donnerstag gegenüber der APA, dass man den Brief aus Rom erhalten habe. Die Brüsseler Behörde werde "ihre Rolle im Einklang mit den Verträgen" spielen. Weiters betonte der Sprecher, dass die EU-Kommission keine Stellungnahme abgeben müsse. Italien müsse aber die drei Monate abwarten, bevor es weitere Schritte unternehmen kann.

In Wien und Innsbruck zeigte man sich angesichts des italienischen Schrittes jedenfalls gelassen und wenig überrascht. "Wir haben gut argumentiert, unsere Maßnahmen sind rechtskonform, ja sogar EU-rechtlich notwendig. Das werden wir auch gegenüber der Kommission darlegen. Rechtlich bin ich also sehr entspannt", ließ Gewessler die APA wissen und betonte hinter den Tiroler "Notmaßnahmen" zu stehen.

Wer die Tiroler ernst nehme, "sollte am Verhandlungstisch nach einer Lösung suchen. Salvini macht damit die Probleme kein bisschen kleiner, sondern verzögert nur einmal mehr eine Verbesserung", richtete die Ministerin ihrem italienischen Amtskollegen aus.

Und übte einmal mehr scharfe Kritik an diesem: "Salvini beweist mit diesem heutigen Schritt endgültig: Er steht für die Profite der Frächterlobby und nicht für die Menschen in der Region. Die Tirolerinnen und Tiroler leiden unter unerträglichen Zuständen: Stau, Lärm und schlechte Luft sind entlang der Brennerstrecke bittere Realität."

Auch Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) erklärte sich solidarisch mit den Tirolerinnen und Tirolern, wie er bei einer Pressekonferenz in Wien sagte. Er verwies darauf, dass es die EU-Kommission in der Hand hätte, für Entspannung zu sorgen, indem sie erlaube, die Maut um 100 Euro auf das Schweizer Niveau anzuheben.

Jahrelange Diskussion

Die Diskussion um die Tiroler Anti-Transitmaßnahmen auf der Brennerstrecke wie Sektorales Fahrverbot, Nachtfahrverbot oder Blockabfertigungen schwelt seit Jahren zwischen Italien und Deutschland auf der einen und Österreich auf der anderen Seite.

Die schwarz-rote Tiroler Landesregierung hatte - mit Unterstützung von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) - wiederholt klargemacht, an den Anti-Transitmaßnahmen festhalten zu wollen und nicht von der Regulierung des Schwerverkehrs abzurücken, solange es keine große europäische Lösung gebe. Landeshauptmann Mattle hatte in den vergangenen Monaten noch gehofft, dass die Klage noch abgewendet werden könne.

Eine Lösung mit Italien sei "noch möglich", meinte der Landeschef etwa noch Ende Oktober nach einem Treffen mit Regierungsstaatssekretär Alfredo Mantovano, einem engen Mitarbeiter von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (Fratelli D'Italia), in Rom.

Beschluss im Oktober

Die Klage Italiens vor dem EuGH war im Oktober im Ministerrat beschlossen worden. Zuvor hatte Salvini monatelang Drohungen ausgestoßen, unter anderem auch im Zuge eines Besuchs am Brenner.

Es handle sich um eine "schwierige, aber zwingende Entscheidung angesichts der Haltung der EU-Kommission und der Unmöglichkeit, eine Verhandlungslösung zu erreichen", hatte es geheißen. Der EU-Kommission warf der Lega-Chef bisher stets Untätigkeit vor, da sie nicht von sich aus ein EU-Vertragsverletzungsverfahren einleitete.

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ribbon Zusammenfassung
  • Italien hat nun auch offiziell die bereits beschlossene Klage gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen der Tiroler Anti-Transitmaßnahmen an die EU-Kommission geschickt.
  • Diese wird darin aufgefordert, selbst ein EU-Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten.