Kiew reagiert auf Probleme an der Front im Osten der Ukraine
Luzenko war für den Frontabschnitt um die strategisch wichtigen Städte Pokrowsk und Kurachowe verantwortlich. Kurachowe ist bereits teilweise von den russischen Truppen erobert worden und steht unmittelbar vor dem Fall. Die ukrainische Armee hat die Stadt aber bereits jetzt länger gehalten als viele Experten dies zuvor prognostiziert haben. Es droht einigen Einheiten allerdings nun die Einkesselung.
Militärbeobachter werfen Armeeführung Fehler bei Verteidigung vor
Scharfe Kritik erntete die militärische Führung zudem für die mangelhafte Verteidigung bei Pokrowsk. Dort erlaubte sie russischen Truppen südlich der Stadt einen Durchbruch durch eigentlich gut ausgebaute und günstig gelegene Verteidigungslinien. Dadurch droht nun nicht nur die Umfassung von Pokrowsk, sondern auch ein weiterer Vormarsch russischer Truppen in Richtung des Gebietes Dnipropetrowsk.
Tarnawskyj ist einer der bekanntesten Generäle in der Ukraine. Er leitete 2022 die erfolgreichen Gegenangriffe der Ukraine im Süden des Landes, die zur Rückeroberung von Cherson führten. Allerdings scheiterte er im Sommer 2023 mit seinem Versuch, auch im benachbarten Saporischschja einen Durchbruch zu erzwingen und später bei der Verteidigung der Festung Awdijiwka im Gebiet Donezk.
Schwere Kämpfe halten an
Der Generalstab in Kiew hielt in seinem Lagebericht am späten Freitagabend weiter schwere Kämpfe vor allem im Gebiet Donezk fest. Insgesamt sei es entlang der Front zu 190 Zusammenstößen im Tagesverlauf gekommen, hieß es. Schwerpunkt war demnach der Abschnitt vor Pokrowsk, wo die russischen Truppen 56 Vorstöße unternommen haben.
Ebenfalls schwer umkämpft ist der Abschnitt zwischen den Gebieten Donezk und Saporischschja im Süden der Ukraine, wo es 34 russische Angriffsversuche gab. Bei Kurachowe hingegen ist das Tempo der Attacken etwas abgeflaut, dort haben ukrainischer Zählung nach die russischen Truppen 26 Mal angegriffen. Unabhängig lassen sich die Angaben nicht überprüfen.
Gegenseitiger Beschuss mit Drohnen
Auch das Hinterland der Ukraine geriet in der Nacht auf Samstag einmal mehr ins Visier der russischen Streitkräfte. Drohnenangriffe wurden in einer Reihe von Regionen gemeldet, darunter im Schwarzmeergebiet Odessa.
Auf der Gegenseite attackierten die Ukrainer Medienberichten zufolge ein Tanklager im westrussischen Gebiet Orjol. In sozialen Netzwerken kursierende Videos zeigen Explosionen und Feuer. Der Gouverneur der Region, Andrej Klytschkow, schrieb später bei Telegram, dass es einen Brennstoffbrand infolge eines Drohnenangriffs gegeben habe. Teile von abgeschossenen Drohnen hätten die Verglasung mehrerer Privathäuser beschädigt.
Selenskyj fordert Aktionen gegen Putin nach Raketenangriff
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wiederum forderte nach dem schweren kombinierten Raketen- und Drohnenangriff Russlands in der Vornacht gegen sein Land vom Westen Maßnahmen. Es seien Schritte nötig, die Kremlchef Wladimir Putin zeigten: "Sein Terror wird nicht funktionieren", sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft. Putin setze auf Krieg, um sich an der Macht zu halten. Die westlichen Partner der Ukraine sollten sich daher weniger um Stabilität in Moskau kümmern, als um ihre und die globale Sicherheit. Dabei dankte er den USA für ein weiteres Hilfspaket über 500 Millionen Dollar.
Russland hatte in der Nacht auf Freitag einen der massivsten Angriffe aus der Luft auf die Ukraine geführt. Nach Selenskyjs Angaben hat das russische Militär dabei etwa 200 Drohnen und 94 Raketen eingesetzt. "Sie haben extra auf Frostwetter gewartet, um die Lage für die Menschen zu verschlimmern", sagte Selenskyj und warf der russischen Führung "zynischen Terror" gegen die Zivilbevölkerung vor.
Der ukrainische Präsident bestätigte zudem eine geplante Reise nach Brüssel in der kommenden Woche. Dort wollen die Staats- und Regierungschefs der europäischen NATO-Staaten mit Selenskyj über die weitere Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine und mögliche Sicherheitsgarantien für den Fall eines Waffenstillstandes reden.
Experte: Bis zu 150.000 Soldaten für Friedenssicherung nötig
Ein möglicher Frieden in der Ukraine kann nach Ansicht des Bundesheerobersts Markus Reisner indes nur mit einer robusten Friedenstruppe gesichert werden. Da eine reine Beobachtermission seiner Ansicht nach nicht ausreichen werde, müssten Soldaten zur Friedenssicherung auch bewaffnet sein, sagte Reisner in einem Interview der "Welt am Sonntag". "Aus meiner Sicht wären mindestens 100.000 bis 150.000 Soldatinnen und Soldaten für eine erfolgreiche Friedenssicherung in der Ukraine nötig."
Aktuell wird in verschiedenen internationalen Gremien über eine mögliche Friedensmission diskutiert, die der designierte US-Präsident Donald Trump ins Spiel gebracht hatte. Laut Reisner können die Europäer alleine eine entmilitarisierte Zone in der Ukraine nicht sichern.
Russland schaltet Messenger Viber ab
Die russischen Behörden blockierten unterdessen den Messenger-Dienst Viber. Der Zugang sei wegen verschiedener Gesetzesverstöße des Betreibers gesperrt worden, teilte die russische Telekom-Aufsichtsbehörde Roskomnadsor mit. So sei der Messenger unter anderem für terroristische und extremistische Ziele, für den Drogenverkauf und die Verbreitung von Falschinformationen genutzt worden, heißt es. Die Staatsanwaltschaft habe wegen der Verbreitung von "Informationen zur Destabilisierung der politisch-gesellschaftlichen Ordnung in Russland" ermittelt, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Tass.
Zusammenfassung
- Der ukrainische Kommandant Olexander Luzenko wurde nach Niederlagen im Osten abgelöst, sein Nachfolger ist Olexander Tarnawskyj.
- In der Region Donezk kam es zu 190 Zusammenstößen, mit 56 russischen Vorstößen bei Pokrowsk und 34 im Süden der Ukraine.
- Ukrainische Drohnenangriffe trafen ein russisches Tanklager, während Russland 200 Drohnen und 94 Raketen auf die Ukraine abfeuerte.
- Präsident Selenskyj fordert vom Westen Maßnahmen gegen Putin nach einem massiven russischen Angriff in der Vornacht.
- Eine Friedensmission in der Ukraine könnte laut Experten bis zu 150.000 Soldaten erfordern, um effektiv zu sein.