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Katalonien sucht Überreste österreichischer Interbrigadisten

Die Schlacht am Ebro gehörte zu den blutigsten und längsten Gefechten des Spanischen Bürgerkriegs (1936-1939). Es war die letzte große Offensive der republikanischen Regierung gegen die vorrückenden franquistischen Truppen des Putsch-Generals und späteren Diktators Francisco Franco. Historiker schätzen, dass zwischen dem 25. Juli und dem 16. November 1938 weit über 30.000 Soldaten in der katalanischen Mittelmeerregion fielen.

Darunter befanden sich auch zahlreiche Österreicher, die hauptsächlich im Exil von der Kommunistischen Internationalen rekrutiert wurden und sich freiwillig den Internationalen Brigaden anschlossen, um auf der Seite der spanischen Republik gegen den mit Franco, Deutschlands Nazi-Diktator Adolf Hitler und Italiens "Duce" Benito Mussolini in ganz Europa vorrückenden Faschismus zu kämpfen.

Alfons Aragoneses, Leiter der Forschungsabteilung Memoria Democratica (Demokratische Erinnerung) des Justizministeriums der katalanischen Regionalregierung, sitzt vor einer langen Liste gefallener oder vermisster Interbrigadisten. Sie stammt aus russischen Archiven über Truppenbewegungen während der Ebro-Schlacht vor 85 Jahren, welche derzeit vom Sidbrint-Projekt der Universität von Barcelona ausgewertet werden.

Max Bander und Rudolf Auerhahn kamen aus Graz, Richard Bichler und Johann Piller aus Wien, Konrad Hess aus Salzburg, Ferdinand Humer aus Innsbruck, Karl Pfob und Friedrich Hackl aus Linz. Die Liste ist lang - 70 Gefallene und Vermisste. Weitere 142 Namen stammen von Interbrigadisten aus Deutschland und den Niederlanden. Zu ihren Herkunftsorten steht in der Liste auch ihr Geburtsdatum sowie der Ort und Tag ihres Todes.

"Die österreichischen Interbrigadisten gehörten dem Thälmann-Bataillon an, welches an der Ebro-Schlacht teilnahm, und wir vermuten, dass sich ihre Überreste in den zahlreichen Massengräbern in der Umgebung in der Nähe von Dörfern wie Miravet, Flix oder Mora d ́Ebre befinden", erklärt Aragoneses im Gespräch mit der APA. Im Rahmen der XI. Brigade gab es auch ein eigenes Österreicherbataillon, das nach den Februarkämpfen 1934 "12 de febrero" hieß.

Aragoneses und sein Team haben in Katalonien in den vergangenen 13 Jahren bereits über 900 anonyme Massengräber aus der Bürgerkriegszeit mit den Überresten von schätzungsweise 14.000 Personen ausfindig gemacht, die nun nach und nach geöffnet werden. Darunter dürften sich schätzweise auch die Überreste von rund 2.000 Interbrigadisten aus verschiedensten Ländern befinden.

Vor kurzem fand das Forscherteam bestehend aus Archäologen, Historikern, Anthropologen und Gerichtsmedizinern in der Zone der Ebro-Schlacht ein verschüttetes Feldlazarett mit 174 Körpern. "Anhand von Geldmünzen und Ringen konnten wir bereits mehrere Interbrigadisten ausmachen", erklärt Aragoneses.

"Unser Ziel ist nicht nur die historische Aufarbeitung der Bürgerkriegsgeschehnisse, die in Spanien selbst nach der Franco-Diktatur nicht ausreichend stattgefunden hat. Wir wollen den anonym in Massengräbern verschütteten Verstorbenen auch ihre Identität zurückgeben und ihnen eine würdevolle Bestattung ermöglichen", so der Generaldirektor der Memoria Democratica.

Seit 2016 verfügt seine Abteilung auch über eine Datenbank, auf der die DNA von Überresten aus Massengräbern mit denen von nach Familienangehörigen Suchenden verglichen werden können. In Spanien haben sich bereits 7.000 Personen in der DNA-Datenbank eingetragen.

Das Problem mit Blick auf die Identifizierung von Überresten der österreichischen Interbrigadisten: "Außerhalb Kataloniens und Spaniens wissen wenige von unserer Arbeit. Wir haben aus Österreich bisher noch keinerlei Anfragen. Für die Identifizierung der österreichischen Interbrigadisten brauchen wir allerdings DNA-Vergleichsmaterial", erklärt Eulalia Mesalles, die das Projekt "Alvah Bessie" der Memoria Democratica leitet.

Der amerikanische Schriftsteller und Hollywood-Drehbuchautor Alvah Cecil Bessies (1904-1985) war Mitglied der Kommunistischen Partei der USA und kämpfte im spanischen Bürgerkrieg im Abraham Lincoln Bataillon der Internationalen Brigaden. In seinem autobiografischen Buch "Men in battle" von 1939 beschrieb er seine Bürgerkriegserlebnisse in Katalonien, wo er in den 1960er-Jahren erfolglos nach vermissten Freunden aus dem Lincoln-Bataillon suchte.

Auf der Suche nach österreichischen Interbrigadisten setzte sich die Memoria Democrática bereits im Mai 2022 auch mit dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) in Wien in Kontakt.

"Es gibt im Spanienarchiv des DÖW über jeden österreichischen Freiwilligen ein Personendossier mit Kopien der vorhandenen Dokumente. Aktuell liegen uns aber keine konkreten Suchanfragen nach vermissten Angehörigen vor", erklärte DÖW-Historiker Manfred Mugrauer auf Anfrage der APA.

"Laut Forschungen des Historikers Hans Landauers nahmen rund 1.400 österreichische Freiwillige in den Reihen der Internationalen Brigaden am Spanischen Bürgerkrieg teil, von denen rund 256 Österreichern in Spanien gefallen sind. In 80 Prozent der Fälle konnte Landauer Ort, Art und Zeit des Todes feststellen. 82 österreichische Interbrigadisten sind später in Konzentrationslagern gestorben", so Mugrauer.

Hans Landauer war selbst 1937 als 16-Jähriger nach Spanien gegangen. Er verstarb am 19. Juli 2014 als letzter der österreichischen "Freiwilligen für die Freiheit", wie ihr Selbstverständnis nach dem Zentralorgan der Internationalen Brigaden namens "El Voluntario de la Libertad" auch lautete. Der spätere Polizeibeamte ermittelte ab den frühen 1980er-Jahren in der Pension als ehrenamtlicher DÖW-Mitarbeiter die Spuren seiner ehemaligen Kameradinnen und Kameraden und baute damit das "weltweit größte Archiv eines nationalen Kontingents der Spanienkämpfer" auf wie in einem 2016 vom DÖW editierten Band mit dem Titel "80 Jahre Internationale Brigaden" nachzulesen ist.

Zum 50. Jahrestag des Ausbruchs der Guerra Civil im Jahr 1986 war unter seiner Ägide auch das Buch "Für Spaniens Freiheit" erschienen, das die erste umfassende Aufarbeitung dieses Kapitels der Geschichte der österreichischen Arbeiterbewegung darstellte. Zehn Jahre später sollte noch das gemeinsam mit dem Schriftsteller Erich Hackl veröffentlichte "Lexikon der österreichischen Spanienkämpfer" folgen.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Schlacht am Ebro gehörte zu den blutigsten und längsten Gefechten des Spanischen Bürgerkriegs.
  • Historiker schätzen, dass zwischen dem 25. Juli und dem 16. November 1938 weit über 30.000 Soldaten in der katalanischen Mittelmeerregion fielen.
  • Auf der Suche nach österreichischen Interbrigadisten setzte sich die Memoria Democrática bereits im Mai 2022 auch mit dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) in Wien in Kontakt.