Kassen-Chef Lehner will Leistungen zusammenstutzen
Lehner kommt aus der ÖVP, er ist Obmann der Selbstständigen-Kasse SVS und in der ersten Jahreshälfte Chef des Sozialversicherungs-Dachverbandes. Seine Botschaft: "Wir dürfen vom Gesundheitssystem nicht den Mercedes in Vollausstattung erwarten. Die Aufgabe des Gesundheitssystems ist es, einen guten Standard-Golf zu liefern und nicht den Mercedes." Das sei gesetzlich auch so vorgesehen, verwies er auf das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG). Zum Umfang der Krankenbehandlung heißt es dort in Paragraf 133: "Die Krankenbehandlung muss ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten."
"Wenn wir die Sozialversicherung und dieses solidarische System nicht gefährden wollen, dann müssen wir zu einem Ende des Leistungsausbaus kommen", meinte er weiter. "Wir haben keine Risikoauslese. Das heißt, wir nehmen alle, Gott sei Dank, und wir sind für alle solidarisch da. Das geht aber nur, wenn man nicht alles hineinpackt und wir uns auf das Wesentliche in der Krankenversicherung, in der Betreuung zurückziehen."
Kritik übte er hier vor allem am scheidenden Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), der immer wieder einen Leistungsausbau ohne Ankündigung und Absprache versucht habe. Als jüngstes Beispiel nannte Lehner den Aktionsplan für postvirale Erkrankungen, den Rauch in keiner Weise mit den Systempartnern abgestimmt habe. "Wenn der Staat Ideen hat, etwas zu machen, dann soll er das nachhaltig finanzieren", zeigte er sich verärgert und erinnerte auch an die Gelder, die die Kassen ohne jede Mitbestimmung an die Spitäler der Länder zahlen müssen.
Die massive Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Gesundheitssystem deutete Lehner als Symptom einer Gesellschaftskrise: "Wir haben uns als Gesellschaft davon entfernt, Eigenverantwortung zu übernehmen und uns Gesundheitskompetenz anzueignen." Die führe zu einer überbordenden Leistungsinanspruchnahme, die nicht mehr nur dann stattfinde, wenn sie tatsächlich notwendig und berechtigt sei.
Der Kassen-Obmann betonte, dass die heimischen Gesundheitsbudgets "international mehr als herzeigbar" seien, die Ärztedichte gehöre zu den höchsten. "Das heißt, wir haben ja die infrastrukturellen Voraussetzungen, dass wir die Bevölkerung gut versorgen." Sein Gegenrezept für die Überforderung des Systems: "Man muss steuern."
Dies allein über die Gesundheitshotline 1450 zu versuchen, wie im Rahmen des Finanzausgleichs vereinbart, werde bei weitem nicht reichen. "Wir müssen beginnen, speziell im Bereich der chronischen Erkrankungen, 'Case Management' zu betreiben." Mit dem niedergelassenen Arzt oder - etwa bei Krebs - dem Spital als Schnittstelle ließen sich etwa Doppelbefundungen vermeiden, und die Patientinnen und Patienten würden optimal in ihrem Krankheitsverlauf begleitet. Es müsse aber klar sein, dass dies im Widerspruch zur freien Arztwahl stehe, betonte Lehner.
Eine positive Bilanz zog er bezüglich der vor fünf Jahren in Kraft getretenen Kassenreform, die die Zusammenlegung der neun Gebietskrankenkassen ebenso brachte wie die Vereinigung der Träger von Selbstständigen und Bauern und die Umwandlung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger in den Dachverband. Größere Änderungen durch die neue Regierung erwartet Lehner hier nicht. Absehbar sei aber, dass die SPÖ die Möglichkeit nutzen werde, den Gewerkschaftern in der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) wieder mehr Macht zu verschaffen, vermutete Lehner.
Andreas Huss, Gewerkschafter und noch bis zum Jahreswechsel Vorsitzender des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger, widerspricht Lehner gegenüber den "Salzburger Nachrichten" - im Gesundheitssystem könne von einer Vollkaskoversorgung keine Rede sein. "In Österreich zahlen sich die Menschen 23 Prozent der Gesundheitskosten aus der eigenen Tasche, das sind elf Milliarden Euro", etwa für Zusatzversicherungen, Zahnbehandlungen oder Wahlärzte. Ziel müsse es sein, Zusatzzahlungen, die Versicherte leisten müssen, zurückzudrängen.
Zusammenfassung
- Peter Lehner, Chef der Krankenkassen, fordert eine Rückbesinnung auf wesentliche Leistungen im Gesundheitssystem, um die Sozialversicherung nicht zu gefährden.
- Er kritisiert den scheidenden Gesundheitsminister Johannes Rauch für unangekündigte Leistungsausweitungen und fordert mehr Eigenverantwortung der Bürger.
- Andreas Huss widerspricht und betont, dass in Österreich 23 Prozent der Gesundheitskosten privat getragen werden, was elf Milliarden Euro entspricht.