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Galerist Ernst Hilger ist 75 und hat "mehr Spaß als früher"

Heute, 04:01 · Lesedauer 5 min

Der Wiener Galerist und Kunsthändler Ernst Hilger begeht heute, Freitag, seinen 75. Geburtstag. Aus diesem Anlass schmeißt er zwar keine große Party, gibt aber am Samstag doch einen Umtrunk in seiner Galerie in der Wiener Dorotheergasse. "Da können die Leute mit mir anstoßen und gleich die Ausstellung anschauen." An dem Tag ist nämlich die letzte Gelegenheit, die Ausstellung "where love goes" von Noushin Redjaian zu sehen.

Künstlerinnen wie die Absolventin der Universität für angewandte Kunst oder ihre Kolleginnen Assunta Abdel Azim Mohamed, die mit Kugelschreiber, Filzstift und Tusche auf Papier arbeitet, oder Eva Yurková, deren bevorzugte Medien Collage und Druck sind, halten ihn jung, sagt Ernst Hilger im Gespräch mit der APA. "Das sind alles starke junge Frauen um die 30. Die machen neue Sachen und zeigen mir: Ich kann noch viel lernen!"

Seine erste Galerie hat er vor über einem halben Jahrhundert gegründet. Es war eine Zeit des Aufbruchs, des Experiments und der Expansion. Seit kurzem setzt er auf Konzentration. Eine Pop-up-Galerie in der Ballgasse hat er nach eineinhalb Jahren wieder geschlossen, seine Räumlichkeiten in der ehemaligen Ankerbrotfabrik in Wien-Favoriten bespielt er nicht mehr, sondern vermietet sie für Veranstaltungen und wird wohl einen Teil verkaufen. "Es ist ganz schön, jetzt nur noch die Galerie zu haben. Ich setze jetzt mehr auf Qualität statt auf Erfolg. Mir macht es viel Spaß, mehr Spaß als früher!"

1950 in Wien geboren, studierte Ernst Hilger ab 1968 Betriebswirtschaftslehre und wollte nebenbei Musik machen. Er gründete das Folk-Lokal Atlantis, wo zahlreiche Austro-Popper ihre ersten Auftritte feierten, und gemeinsam mit dem Sammler Peter Infeld eine Studentenedition, bei der man Grafiken für umgerechnet heute rund 25 Euro kaufen konnte. "Mein ganzes Leben ist ein glücklicher Zufall, der sich nur mit der Leidenschaft gut kombiniert hat", resümierte Hilger, der eigentlich Sänger oder Dichter werden wollte, einmal.

"Ich habe keine Lust mehr herumzurasen"

1971 folgte die Gründung der Galerie Academia in Salzburg, 1972 der Galerie Spectrum in Wien, 1976 schließlich die eigene Galerie in Wien, wo seither weit mehr als 500 Ausstellungen stattgefunden haben. Zwischenzeitlich gab es Dependancen in Frankfurt und Paris, ab 2003 das hilger contemporary, seit 2009 die HilgerBROTKunsthalle, die 2013 um HilgerNEXT erweitert wurde. Messeteilnahmen auf der ganzen Welt waren selbstverständlich, Entdeckungen in Asien und im Iran ein Teil des Galeriealltags. "Ich habe 50 ganz sensationelle Jahre gehabt. Ich war 30 Jahre lang der Platzhirsch. Aber ich habe keine Lust mehr herumzurasen."

Ernst Hilger war lange Präsident der Vereinigung der österreichischen Galerien, Beiratsmitglied der Art Basel und von 2002 bis 2007 Präsident des europäischen Galeristenverbandes. "Ich bin sehr froh, dass ich keinerlei Funktion mehr habe." Den schon vor einigen Jahren gefassten Plan, seine reichen Erfahrungen am Kunstmarkt in einem Buch festzuhalten, hat er allerdings immer noch nicht verwirklicht. "Ich habe so viele Dinge, die ich über die alten Zeiten erzählen möchte, aber ich kann's nicht. Ich habe eine richtige Schreibblockade. Meine Frau sagt, ich soll stattdessen einen Podcast machen, denn man muss bei mir nur den Knopf drücken, schon sprudle ich los ..."

Viele Künstlerfreunde sind bereits gestorben

Ganz ohne Wehmut sind diese Erinnerungen freilich nicht. Das liegt auch daran, dass ihm lange und eng verbundene Künstler wie Alfred Hrdlicka oder Mel Ramos, aber auch Adolf Frohner, Franz Ringel, Georg Staudacher, Georg Eisler, Oswald Oberhuber oder Markus Prachensky, bereits gestorben sind, und dass der Rest seines alten Kundenstocks großteils auch bereits der Generation "80 plus" angehört. Die Lage am Kunstmarkt sei schwierig geworden ("Alle Galerien raufen!"), von der Weltlage ganz zu schweigen. "Die Leute, die jetzt an die Macht kommen, haben mit Kunst gar nichts am Hut." Dabei hatte er bereits vor Jahren konstatiert, dass es ganz ohne Zuwendung nicht ginge: "Kultur ist eine Pflanze, die Wasser braucht. Gibt man ihr Wasser, entwickelt sie sich von selber. Kultur ist wie ein Unkraut."

Nachfolge "noch nicht überlegt"

Neben seiner Galerie hat Ernst Hilger, der u.a. mit dem Professorentitel (2000) und dem Goldenen Ehrenzeichen der Stadt Wien (2008) geehrt wurde, auch eine eigene Kunstsammlung aufgebaut. 400-500 Arbeiten daraus hat er an das MUSA geschenkt. 2018 war eine Auswahl aus der Hilger Collection, in der sich auch zeitgenössische iranische und indonesische Malerei, kongolesische Fotografie oder südafrikanische Skulpturen befinden, im Museum Angerlehner in Oberösterreich zu sehen.

Wie es mit der Galerie Ernst Hilger künftig weitergehen soll, "hab ich mir noch nicht überlegt. Da gibt es mehrere Möglichkeiten, vom Schließen bis zum Übergeben. Das wird aber sehr schwer werden, nicht nur, weil ich keine Kinder habe. Es war halt immer sehr auf mich zugeschnitten." Zu seinem 70er hatte Hilger noch formuliert: "Man muss aber Geduld haben. In der Kunst muss man auf Dinge warten können. Kunst hat Anspruch auf Ewigkeit." Auch diesmal spürt er, dass das Vor-Geburtstags-Gespräch noch einen versöhnlichen Schluss vertragen könnte. Also lässt er sich nicht lumpen: "Die Zukunft gehört uns: der Kunst und den Leuten, die positiv denken!" Möge er recht behalten.

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - www.hilger.at)

Zusammenfassung
  • Der Wiener Galerist Ernst Hilger feiert seinen 75. Geburtstag und lädt am Samstag zu einem Umtrunk in seiner Galerie ein.
  • Die Ausstellung 'where love goes' von Noushin Redjaian ist letztmals zu sehen, während Hilger sich auf seine Hauptgalerie konzentriert.
  • Ernst Hilger hat in seiner Karriere über 500 Ausstellungen veranstaltet und war international mit Dependancen in Frankfurt und Paris aktiv.
  • Hilger hat 400-500 seiner Kunstwerke an das MUSA gespendet, während er über die schwierige Lage am Kunstmarkt spricht.
  • Obwohl er keine konkreten Pläne für die Nachfolge seiner Galerie hat, sieht er optimistisch in die Zukunft der Kunst.