Karas: Umschichtung von EU-Budget nicht möglich
"Ich kenne keinen Wunsch eines Mitgliedstaates, ein zugesagtes Geld für Zukunftsprojekte nicht erhalten zu wollen", so Karas. Die EU-Staaten sollten helfen, dass sich die Europäische Union endlich über eigene Einnahmen (Eigenmittel) finanzieren könne. Karas verwies auf entsprechende EU-Pläne über eine Abschöpfung der Übergewinne multinationaler Konzerne oder eine CO2-Abgabe.
Vor allem vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs will die EU-Kommission das EU-Budget aufstocken. Dazu forderte die Brüsseler Behörde die 27 Mitgliedstaaten auf, rund 66 Milliarden Euro zusätzlich zum mehrjährigen Finanzrahmen beizutragen. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) erteilte der Forderung der EU-Kommission eine Absage. Die Verwendung schon vorhandener Mittel sei "prioritär zu setzen, bevor man wieder neues Steuergeld von den Mitgliedsstaaten einfordert", sagte Nehammer.
Karas geht davon aus, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für ein zweites Mandat an der Spitze der EU-Kommission antritt. "Ich gehe davon ist, dass ihre Entscheidung wieder zu kandidieren, positiv ist. Wenn sie kandidiert, werde ich sie bei dieser Wahl unterstützen", sagte er.
Die Europawahl im kommenden Jahr werde "zweifelsohne eine Richtungsentscheidung: Ich trete für verstärkte Integration ein, für lösungsorientierte Politik, Argumentation über das Richtige und Notwendige und die Bereitschaft, Entscheidungen zu begründen - auf der anderen Seite stehen Schuldzuweisungen, Blockaden, Nationalismen und Ideologisierung", so Karas.
Karas kritisierte insbesondere Schuldzuweisungen an die EU. "Wir stehen vor der größten Anzahl an Krisen seit 1945. Alle diese Themen sind global, sie betreffen jeden, und sie sind komplex", so der EU-Parlamentsvize. Es geht jetzt darum, unsere Ziele in konkrete Politik umzuwandeln. "Ich bin der Auffassung, dass wir diese neuen Herausforderungen nur durch mehr Europäische Union erledigen können, nicht mit Schuldzuweisungen. Es gibt derzeit eine Grundtendenz, dass man immer weiß, wogegen man ist und wer schuld ist, anstatt zu argumentieren und zu begründen, dass wir uns in einem intensiven Transformationsprozess befinden."
Zu Spekulationen, er könnte mit einer eigenen Liste bei der Europawahl antreten, gab sich Karas weiterhin bedeckt. "Ich verstehe die Wahrnehmung meiner Verantwortung nicht nur parteipolitisch, sondern staatspolitisch. "Ich werde alles tun, um die Rolle Österreichs in Europa parteipolitisch außer Streit zu stellen", betonte er. "Die Frage, was ich 2024 mache, habe ich für mich selbst nicht entschieden, weil ich derzeit eine ganz andere Agenda habe. Die fordert mich derzeit ganz. Wenn ich mich entschieden habe, werde ich meine Entscheidung rechtzeitig bekanntgeben. Die Gerüchte lese ich, sie stammen nicht von mir."
Die Einladung von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) an die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni, die Vorsitzende der postfaschistischen Rechtspartei Fratelli d ́Italia, zum Europaforum Wachau verteidigte Karas. "Ich unterscheide die Partei- von der Regierungschefin. Seit neun Jahren war kein Regierungschef aus Italien beim Europaforum. Es gibt eine Fülle gemeinsamer Probleme zwischen Italien und Österreich, etwa Transit, um nur eines zu nennen. Daher ist für mich der Dialog kein Problem. Ich sage aber auch sehr klar: Ja zum Dialog heißt nicht ja zur Mitgliedschaft ihrer Partei in der EVP."
Karas betonte überdies seine Unterstützung für von der Leyens Klimaschutzpaket "Green Deal". "Wir müssen heute die ersten Schritte setzen, um langfristig das Ziel zu erreichen. Ein klares Bekenntnis dafür."
(Das Interview führte Thomas Schmidt/APA)
Zusammenfassung
- Der Erste Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas (ÖVP), hat Forderungen der österreichischen Regierung zurückgewiesen, vorhandene Budgetmittel zu Deckung des gestiegenen EU-Finanzierungsbedarfs einzusetzen und umzuschichten.
- "Ich kenne keinen Wunsch eines Mitgliedstaates, ein zugesagtes Geld für Zukunftsprojekte nicht erhalten zu wollen", so Karas.
- Seit neun Jahren war kein Regierungschef aus Italien beim Europaforum.