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Israelische Armee hat Bodenoffensive im Libanon gestartet

Die israelische Armee hat in der Nacht auf Dienstag die angekündigte Bodenoffensive im Libanon gestartet. Es gehe um begrenzte Angriffe auf Ziele der Hisbollah in der südlichen Grenzregion des Landes, hieß es in einem Statement. Diese würden eine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung in Nordisrael darstellen. Unterstützung erhalten die Bodentruppen auch von der israelischen Luftwaffe und Artillerie. Israel hatte Washington zuvor über die bevorstehenden Einsätze informiert.

Vor einigen Stunden habe man "mit begrenzten, lokalisierten und gezielten Bodenangriffen auf der Grundlage präziser Geheimdienstinformationen gegen terroristische Ziele und Infrastruktur der Hisbollah im Südlibanon" begonnen, teilte die Armee auf der Plattform X mit. Als Ziele der Operation "Nordpfeil" wurden militärische Einrichtungen der proiranischen Schiiten-Miliz genannt, die sich in grenznahen Dörfern befänden. Das Vorgehen finde parallel zu den anhaltenden Kämpfen im Gazastreifen und anderen Gebieten statt. Israelische Militärkreise kündigten an, die Operation je nach Entwicklung der Lage fortzusetzen.

Die Armee tue alles, was notwendig sei, um die Bürger Israels zu verteidigen und die Bürger Nordisraels in ihre Häuser zurückzubringen. Die Operation werde parallel zu den Kämpfen im Gazastreifen gegen die Hamas und in anderen Gebieten fortgesetzt. Für den Einsatz seien die Soldaten in den vergangenen Monaten trainiert worden. Israel will die Rückkehr von 60.000 Israelis ermöglichen, die seit Monaten durch die Hisbollah-Angriffe aus Gebieten entlang der Grenze vertrieben wurden.

Auf Israel flogen auch am frühen Dienstagmorgen Raketen. Die Armee teilte auf Telegram mit, in der Gegend von Meron in Nordisrael seien etwa zehn Geschosse abgefangen worden. Einige seien im offenen Gelände abgestürzt. Zudem habe die Luftabwehr vor kurzem eine Drohne Dutzende Kilometer vor der Küste Zentralisraels abgefangen, hieß es weiter.

Der Konflikt zwischen Israel und der schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon hatte sich zuletzt auf dramatische Weise verschärft. Seit Tagen greift das israelische Militär massiv Ziele in dem Nachbarland an, nach eigener Darstellung unter anderem Waffenlager der Hisbollah. Der Libanon meldete Hunderte Tote und Verletzte. Am Freitag waren bei einem gezielten israelischen Luftangriff der Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah und weitere Hisbollah-Kämpfer getötet worden.

Einem Bericht des israelischen Senders Kan zufolge soll eine Offensive vor allem gegen Einrichtungen der Eliteeinheiten der Hisbollah gerichtet sein. Eine Bodenoffensive sei nicht auf die Eroberung von Gebieten, sondern auf die Zerstörung militärischer Ziele ausgerichtet.

Israel hatte die USA nach Angaben der US-Regierung über begrenzte Einsätze des Militärs an der libanesischen Grenze informiert. Israel habe mitgeteilt, dass die Operationen sich auf "die Infrastruktur der Hisbollah in der Nähe der Grenze" konzentrierten, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller.

Auch die Hisbollah schießt seit den neu entfachten intensiven Kämpfen an manchen Tagen Hunderte Raketen auf Israel. Die Miliz hat nach Ausbruch des Gaza-Kriegs ihre sogenannte "Solidaritätsfront" eröffnet und Tausende Raketen auf Israel abgefeuert. Sie will ihre Waffen erst niederlegen, wenn der Krieg im Gazastreifen beendet wird.

Zehntausende Libanesen flohen aus ihren Dörfern und Städten. Viele harren in der Hauptstadt Beirut aus und schlafen angesichts fehlender Unterkünfte teils auch auf Matratzen an der Küstenpromenade der Mittelmeerstadt. Die jüngste Eskalation dürfte bei vielen der rund neun Millionen Einwohner des Landes Erinnerungen an den letzten Krieg zwischen Israel und der Hisbollah vor 18 Jahren wecken.

Vor Beginn der israelischen Bodenoffensive hatte die libanesische Armee laut Militärkreisen Soldaten von der Grenze zurückgezogen. Einige Soldaten seien von der sogenannten Blauen Linie abgezogen worden, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus libanesischen Armeekreisen. Der Libanon ist hoch verschuldet, auch die regulären Streitkräfte sind deshalb unterfinanziert und insgesamt schwach. Es fehlt ihnen an Ressourcen, die Ausrüstung ist veraltet, selbst die Lebensmittel sind teilweise knapp. Einigen Beobachtern zufolge existiert die Armee derzeit nur dank der Militärhilfen der USA, die seit 2006 mehr als drei Milliarden US-Dollar umfassten.

Am Montag hatte sich erstmals nach der Tötung Nasrallahs die Spitze der islamistischen Miliz zu Wort gemeldet und ihre Kampfbereitschaft signalisiert. "Wir wissen, dass der Kampf lang dauern könnte und sind auf alle Möglichkeiten vorbereitet", sagte der stellvertretende Hisbollah-Chef Naim Kassim in einer im Fernsehen übertragenen Rede. "Wenn Israel sich entscheidet, eine Bodenoffensive zu starten: Wir sind bereit." Wer die Hisbollah anführen soll, sagte er nicht.

Die Hisbollah sowie die islamistische Hamas im Gazastreifen gehören zur sogenannten "Achse des Widerstands", einem von der Führung in Teheran unterstützten Netzwerk im Kampf gegen den Erzfeind Israel.

ribbon Zusammenfassung
  • Die israelische Armee hat in der Nacht auf Dienstag eine Bodenoffensive im Libanon gestartet, unterstützt von Luftwaffe und Artillerie.
  • Die Offensive zielt auf militärische Einrichtungen der Hisbollah in grenznahen Dörfern und soll die Rückkehr von 60.000 Vertriebenen ermöglichen.
  • Am frühen Dienstagmorgen wurden etwa zehn Geschosse auf Nordisrael abgefeuert und teilweise abgefangen.
  • Seit Tagen greift das israelische Militär massiv Ziele im Libanon an, was zu Hunderten Toten und Verletzten führte.
  • Die Hisbollah hat ihre Kampfbereitschaft signalisiert und schießt weiterhin Raketen auf Israel.