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Israel griff 250 Ziele im Gazastreifen binnen 24 Stunden an

Israels Armee hat trotz breiter Zustimmung zu einer UNO-Resolution für eine sofortige humanitäre Waffenruhe eigenen Angaben zufolge innerhalb eines Tages mehr als 250 Stellungen im Gazastreifen angegriffen. Soldaten hätten am Dienstag "präzise Angriffe auf Terrorziele" aus der Luft, am Boden und vom Meer aus durchgeführt, teilte das Militär am Mittwoch mit. Auch Terroristen, die aus dem Viertel Shejaiya Raketen Richtung Israel abfeuern wollten, seien beschossen worden.

Die Armee gab am Mittwoch zugleich den Tod von zehn Soldaten bekannt, die am Dienstag im Gazastreifen ums Leben gekommen waren. Insgesamt wurden demnach seit Beginn der Bodenoffensive bisher 115 israelische Militärangehörige getötet.

Extremistische Palästinenser feuerten am Mittwoch erneut Raketen Richtung Israel. In Grenzorten nahe dem Gazastreifen wurde Armeeangaben zufolge Raketenalarm ausgelöst, etwa in der Stadt Sderot. Die israelische Armee erklärte, die meisten von der Hamas aus dem Gazastreifen abgefeuerten Raketen seien abgefangen worden.

Bei israelischen Luftschlägen kamen nach Angaben des Hamas-kontrollierten Gesundheitsministeriums binnen eines Tages mindestens 50 Menschen getötet. Die Angriffe erfolgten demnach in Gaza sowie in Nusseirat und Deir al-Balah im Zentrum und in Rafah und Khan Younis im Süden, wo Israel die Spitzen der Hamas sowie die von ihr festgehaltenen Geiseln vermutet.

Heftige Gefechte am Boden wurden aus dem Süden ebenso wie aus dem Norden des Gazastreifens gemeldet. Teilweise stießen die israelischen Soldaten Bewohnern zufolge auf heftigen Widerstand. Das Militär teilte mit, binnen 24 Stunden seien zehn Soldaten getötet worden - so viele wie seit Wochen nicht mehr an einem einzigen Tag in dem Krieg.

Für die geplagte Zivilbevölkerung war damit weiter keine Entspannung in Sicht. Der Gazastreifen stehe vor einer "Gesundheitskatastrophe", schilderte die UNO-Koordinatorin für humanitäre Hilfe für die besetzten Palästinensergebiete, Lynn Hastings, die Lage. "Wir alle wissen, dass das Gesundheitssystem zusammenbricht oder schon zusammengebrochen ist." Krankheiten breiteten sich aus, Kliniken seien überfüllt.

Israel erklärte Ziel der Militäroffensive ist die Zerstörung der Hamas, die im Gazastreifen das Sagen hat. Auslöser des Gaza-Krieges war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der militanten Palästinenser-Organisation Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze verübt hatten. Auf israelischer Seite sind mehr als 1.200 Menschen getötet worden, die meisten davon Zivilisten. Bei den israelischen Angriffen sind nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde bisher bereits mehr als 18.600 Menschen getötet und mehr als 50.000 verletzt worden.

Unterbrochen wurden die Kampfhandlungen Ende November für eine Woche, um Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu ermöglichen und einen Teil der Geiseln gegen palästinensische Gefangene auszutauschen. Doch anschließend setzte Israel seine Offensive fort und weitete sie auf den Süden aus.

Den nördlichen Teil hatte das Militär nach eigener Darstellung eigentlich weitgehend unter seine Kontrolle gebracht. Doch auch von dort wird weiterhin über schwere Kämpfe berichtet: Von den zehn getöteten Soldaten, die am Mittwoch gemeldet wurden, kamen die meisten laut einem Bericht des Armee-Rundfunks bei einem Einsatz in Gaza-Stadt ums Leben. Eine Infanterieeinheit sei bei der Verfolgung von Hamas-Kämpfern in ein Gebäude eingedrungen, habe dann aber den Kontakt zur Basis verloren. Als daraufhin eine weitere Einheit nachrückte, gingen in dem Gebäude Bomben hoch.

Unter den Opfern waren auch zwei hochrangige Offiziere, darunter ein Regimentskommandant. Es war der höchste gemeldete Truppenverlust binnen eines Tages seit dem 31. Oktober, als 15 Soldaten getötet wurden. Die Hamas erklärte, der Vorfall zeige, dass die israelischen Truppen den Gazastreifen niemals unterwerfen könnten.

Auch im südlich gelegenen Khan Younis stießen die israelischen Panzereinheiten nach Darstellung von Anwohnern auf heftigen Widerstand. Heftige Kämpfe tobten im Stadtzentrum, sagte Abu Abdallah, der etwa zwei Kilometer entfernt lebt, der Nachrichtenagentur Reuters.

In ihrem Kampf gegen die Hamas testen die israelischen Streitkräfte laut Berichten von US-Medien die Flutung der Tunnel der Terroristen im Gazastreifen. Es werde Meerwasser in einige Tunnel gepumpt, um herauszufinden, ob sich die Methode zur großflächigen Zerstörung des unterirdischen Systems eigne, berichtete der US-Fernsehsender CNN am Dienstag (Ortszeit) unter Berufung auf einen mit der Angelegenheit betrauten US-Beamten. Auch die US-Zeitung "The Wall Street Journal" berichtete über den Testlauf. Israel habe den USA mitgeteilt, dass nur Tunnel geflutet würden, in denen keine Geiseln vermutet würden.

Bei einer Pressekonferenz wurde US-Präsident Joe Biden am Dienstag (Ortszeit) in Washington zu den Flutungen befragt. Er antwortete: "Es ist sehr schwierig, was die Flutung der Tunnel angeht: Es wird behauptet, dass es ganz sicher keine Geiseln in diesen Tunneln gibt. Aber das weiß ich nicht mit Sicherheit." Dann fügte er hinzu: "Was ich sicher weiß: Jeder Tod von Zivilisten ist eine absolute Tragödie."

Unterdessen lässt nach Jordanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten auch Katar ein Feldkrankenhaus zur Behandlung Verwundeter im Gazastreifen errichten. In dem Lazarett mit 50 Betten solle es unter anderem einen Operationssaal, eine Intensivstation, ein Labor und eine Apotheke geben, teilten der Palästinensische und der Katarische Rote Halbmond am Dienstagabend mit. Wann das Feldkrankenhaus in Rafah im Süden Gazas in Betrieb gehen soll, stand zunächst nicht fest.

Israel greift indes nicht nur im Gazastreifen an: Die israelische Luftwaffe hat eigenen Angaben zufolge in der Nacht auf Mittwoch auch Stellungen der vom Iran unterstützten Schiiten-Miliz Hisbollah im Nachbarland Libanon angegriffen. Ein Kampfflugzeug habe eine Abschussbasis und militärische Infrastruktur bombardiert, nachdem von dort Raketen und Mörsergranaten auf Israel abgefeuert wurden, teilte das Militär in der Nacht auf Mittwoch mit. Als Reaktion auf Beschuss aus Syrien feuerten israelische Flugzeuge und Panzer zudem auf Stellungen der syrischen Streitkräfte.

Die staatliche Nachrichtenagentur NNA berichtete in der Folge von einem Toten bei einem nächtlichen, israelischen Luftangriff an der Grenze zu Israel. Es soll demnach auch Verletzte gegeben haben. Auch das Gebäude in dem sich die Menschen aufgehalten hatten, sei zerstört worden. In der Früh wurde demnach außerdem der Ort Blida nahe der Grenze vom israelischen Militär beschossen. Die pro-iranische Hisbollah-Organisation meldete am Mittwoch den Tod eines Kämpfers, ohne auszuführen, wo und wann er starb.

Seit Beginn des Gaza-Krieges nach dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober kommt es immer wieder zu Konfrontationen zwischen Israels Armee und militanten Gruppierungen wie der Hisbollah in der israelisch-libanesischen Grenzregion. Es ist die schwerste Eskalation seit dem zweiten Libanon-Krieg 2006. Israels Luftwaffe bombardiert zudem regelmäßig Ziele im benachbarten Bürgerkriegsland Syrien. Israel will damit verhindern, dass sein Erzfeind Iran seinen militärischen Einfluss in Syrien mit Hilfe verbündeter Milizen ausbaut. Der Iran ist neben Russland der wichtigste Verbündete der syrischen Regierung.

ribbon Zusammenfassung
  • Israels Armee hat trotz breiter Zustimmung zu einer UNO-Resolution für eine sofortige humanitäre Waffenruhe eigenen Angaben zufolge innerhalb eines Tages mehr als 250 Stellungen im Gazastreifen angegriffen.
  • Israel erklärte Ziel der Militäroffensive ist die Zerstörung der Hamas, die im Gazastreifen das Sagen hat.
  • Israels Luftwaffe bombardiert zudem regelmäßig Ziele im benachbarten Bürgerkriegsland Syrien.