symbol spionage handyAPA/AFP

Handy-Sicherstellung: Darum geht es in der Reform

Die Chats auf dem Handy von Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid sorgten für eine Vielzahl an Ermittlungen und vor allem den Rücktritt von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Solche Daten sicherzustellen, soll künftig neu geregelt werden. Die Staatsanwaltschaft schrie auf, die Justizministerin versuchte zu beruhigen. Aber was sieht die Gesetzesreform der Handy-Sicherstellung überhaupt vor? Ein Überblick.

Am Ende des Vorjahres urteilte der Verfassungsgerichtshof, dass die Sicherstellung von Handys ohne eine richterliche Bewilligung verfassungswidrig ist. Denn sie verstoße gegen das Datenschutzgesetz und das Recht auf Privatleben.

Das grüne Justizministerium Alma Zadic legte daraufhin eine Gesetzesreform vor, doch die ließ die Wogen hochgehen. Die Angst besteht, dass künftig Chats, wie die von Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid, die ultimativ zum Rücktritt von Sebastian Kurz als Kanzler führten, nicht mehr ausgewertet werden können.

Damit konfrontiert, erklärte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am Montagabend in der "Zeit im Bild 2": "Das ist genau der Grund, warum wir dieses Gesetz jetzt im Juli noch beschließen wollen." Gleich darauf argumentierte sie aber, dass einfach eine "entsprechende Expertise" für alle Staatsanwaltschaften brauche und man zielgerichteter vorgehen solle.

Worum geht es in der Reform aber überhaupt? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Video: Handy-Sicherstellung neu geregelt

Was ist eine Sicherstellung?

Datenträger wie etwa Mobiltelefone, Smartphones oder Laptops können in einem Strafverfahren auf Anordnung der Staatsanwaltschaft von der Kriminalpolizei sichergestellt werden. Dabei werden sie genauso wie alle anderen Gegenstände behandelt. 

Dafür braucht es aktuell keine gerichtliche Bewilligung. Die Sicherstellung eines Handys wird gleich behandelt wie beispielsweise die eines Messers.

Wie läuft die Handy-Sicherstellung derzeit ab?

Um eine Straftat aufzuklären, kann die Staatsanwaltschaft anordnen, dass die Kriminalpolizei Datenträger wie etwa Handys sicherstellt. Dabei muss aber immer eine Form gewählt werden, die am wenigstens eingriffsintensiv für den Betroffenen ist. 

In der Regel werden die Inhalte eines Handys kopiert, bevor es zurück an den/die Besitzer:in geht. Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft sichten die Inhalte. Nur solche Daten, die zur Aufklärung der Straftat relevant sind, werden verschriftlicht. Sie werden dem Ermittlungsakt hinzugefügt. Alle anderen kopierten Inhalte werden gelöscht.

Betroffene können gegen diese Auswahl Einspruch erheben, sollten sie Inhalte für nicht relevant befinden. Über solch einen Einspruch entscheidet ein Richter. 

Auf welche Daten kann zugegriffen werden?

In der aktuellen Regelung kann die Staatsanwaltschaft nicht nur auf die Daten zugreifen, die sich direkt auf dem Handy befinden, sondern auch jene, die auf einem externen Server gespeichert sind. Das heißt, alle Fotos, Videos und Chats, die etwa durch ein automatisches Backup in die Cloud hochgeladen wurden. 

Ausnahmen gibt es nur für Berufsgeheimnisträger wie etwa Rechtsanwälte, Psychiater:innen oder Journalist:innen. Sie können unter Berufung auf ihr Verschwiegenheitsrecht der Sicherstellung der Datenträger widersprechen.

Wer wertet aktuell die Daten aus?

Die Sicherstellung beinhaltet im noch gültigen Gesetz, das Auslesen und Auswerten der Daten. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat dazu ein eigenes IT-Team aufgebaut, dessen technische Fähigkeiten, denen der Polizei offenbar überlegen waren. 

Das zeigte der Fall Thomas Schmid: Damals habe die Polizei auf dem Handy des Ex-ÖBAG-Chefs nichts gefunden, erst die WKStA habe die Chats auslesen können, berichtete der "Falter". Jene Chats führten zu Dutzenden Ermittlungen und letztlich zum Rücktritt von Sebastian Kurz als Kanzler.

Video: Kurz schuldig: Wie geht es mit Thomas Schmid weiter?

Was soll sich künftig ändern?

Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Staatsanwaltschaft künftig einen Antrag ans Gericht stellen muss, um ein Handy sicherzustellen. Dabei müssen sowohl die Datenkategorien und -inhalte sowie ein bestimmter Zeitraum festgelegt werden. Erst, wenn dieser Antrag gerichtlich bewilligt wurde, kann die Staatsanwaltschaft eine Beschlagnahmung durch die Kriminalpolizei beantragen.

Hier kommt auch die nächste Änderung ins Spiel, künftig soll es zwei Einheiten geben, die unterschiedliche Aufgaben haben:

  1. Spezialeinheit der Kriminalpolizei: Aufbereitung der Handydaten
  2. Staatsanwaltschaft: Auswertung der Handydaten, keine eigenständige Sicherung der Daten

Beide Gruppen sollen strikt getrennt sein.

Was wird an der Reform kritisiert? 

Die Vereinigung Österreichischer Staatsanwält:innen befürchtet, dass es durch die Trennung zwischen Datenaufbereitung und -auswertung keine Kontrolle durch die Justiz mehr gebe. Die Staatsanwaltschaft könne so nicht mehr überprüfen, ob die gewünschten Daten auch vollständig gesichert und aufbereitet wurden. Es drohe ein Beweismittelverlust.

Auch könne man so keine eigenen IT-Expert:innen mehr einsetzen, obwohl die Staatsanwaltschaft während des gesamten Verfahrens für die transparente Aufbereitung der Beweismittel zuständig ist. 

Zudem befürchte man "eine drastische Verzögerung von Verfahren", da es zusätzliche Zeit dauern würde, bis die relevanten Daten an die Staatsanwaltschaft gelangen würden. Das sei besonders in dringenden Fällen wie einem Amoklauf, Terroranschlag oder Geiselnahme relevant. 

Es brauche auch einen "sehr hohen personellen Mehrbedarf" wegen des erhöhten Begründungsaufwands, erweiterten Verständigungs- und Informationspflichten und dem Ausbau des Rechtsschutzsystems.

Was soll die Reform verbessern?

Verfassungsministerin Edtstadler verteidigte die organisatorische Trennung zwischen der forensischen Datenauswertung und den Ermittlungen. Sie erwarte sich von der Änderung, dass es künftig schneller gehe, Strafverfahren zu beenden, "weil von Anfang an zielgerichteter vorgegangen werden kann und auch muss", sagte die Ministerin in der "ZIB 2". Gemeint dürfte sein, dass eben nicht mehr alle Daten, sondern nur vorher festgelegte, aufbereitet werden.

Die Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes nannte das Gesetz gegenüber dem "Falter" ebenfalls einen "Fortschritt". Es gebe zwar mehr Hürden für die Staatsanwaltschaft, aber dafür auch mehr Rechtsschutz.

Wie geht es jetzt weiter?

Untypisch für einen Gesetzesentwurf endet die Begutachtungsfrist bereits am 1. Juli und damit nach nur zwei Wochen. Bereits am 3. Juli soll das Gesetz im Nationalrat behandelt werden.

Das Oberlandesgericht übte deswegen am Dienstag ebenfalls scharfe Kritik. Es sei nicht nachvollziehbar, wie nur an einem Tag, dem 2. Juli, "Änderungen eingearbeitet werden sollen", hieß es in einer Aussendung. Üblicherweise sind sechs Wochen Begutachtungsfrist für Gesetze vorgesehen, das ist aber nicht gesetzlich vorgeschrieben.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Chats auf dem Handy von Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid sorgten für eine Vielzahl an Ermittlungen und vor allem den Rücktritt von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).
  • Solche Daten sicherzustellen, soll künftig neu geregelt werden.
  • Die Staatsanwaltschaft schrie auf, die Justizministerin versuchte zu beruhigen.
  • Aber was sieht die Gesetzesreform der Handy-Sicherstellung überhaupt vor? Ein Überblick.