APA/HELMUT FOHRINGER

Grüne Kritik an Nehammer für Erdoğan-Besuch

Bundeskanzler Nehammer besucht am Dienstag den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan. Währenddessen bombardiert die Türkei Nordsyrien und zwingt damit Menschen zur Flucht, so die Grünen. Auch Hilfsorganisationen beklagen die katastrophalen Zustände in der Region.

Während Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) in der Türkei mit dem dortigen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan Hände schüttelt, spricht sich der grüne Koalitionspartner in Wien gegen die jüngsten türkischen Angriffe auf Kurdengebiete in Nordsyrien aus. Organisationen wie Amnesty International hatten den Besuch des Kanzlers schon im Vorfeld stark kritisiert - man müsse hier klar Stellung beziehen, die "massive" Steigerung von türkischen Schutzsuchenden sei zudem ein Alarmzeichen.

Auch der grüne Koalitionspartner stimmt in die Kritik ein: Mit den Angriffen auf die autonomen, selbstverwalteten Gebiete in Nordostsyrien sei der türkische Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan nämlich selbst Akteur und Produzent der Fluchtbewegungen, die man in Europa mit ihm gemeinsam bekämpfen zu können glaube, so die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic

Ernst-Dziedzic kritisiert Türkei-Besuch von Nehammer

Westen "erzeugt" IS

Österreich, so Ernst-Dziedzic, solle klar Position beziehen. Die internationale Staatengemeinschaft könne nicht länger so tun, als wäre die Türkei nicht aktiver Akteur, wenn es um das Entfachen dieser Krisenherde gehe.

"Wir müssen in Österreich, in Europa als Weltgemeinschaft eine sofortige Einstellung der Angriffe seitens der Türkei fordern", sagte sie: "Es muss bewusst sein, dass es dort in der Region die akute Gefahr gibt, dass der IS erstarkt. Wir können es uns nicht leisten, dass eine weitere Terrororganisation sich hier entfalten kann."

Tote Frauen, Kinder und humanitäre Helfer

Seit fünf Tagen wird das Gebiet rund um Idlib und West-Aleppo in Nordsyrien bombardiert. Syrien, Russland und die Türkei bombardieren unterschiedliche Gebiete. Laut dem "Hilfswerk International" wurden 36 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt. Unter den Todesopfern sind 38 Frauen und 48 Kinder

Die Region würde auf eine humanitäre Katastrophe zusteuern, so die Hilfsorganisation "Medico". Seit dem Anschlag der PKK in Istanbul am 2. Oktober bombardiert die Türkei wahllos die Region in Nordsyrien, so die Hilfsorganisation.

Es werde weitgehend kritische Infrastruktur wie Stromkraftwerke, Schulen, Gesundheitseinrichtung und auch NGO-Büros zerstört. Am 8. Oktober wurden acht Krankenhäuser zerstört, so "Hilfswerk International". Ein humanitärer Helfer wurde schwer verletzt und befindet sich nun auf der Intensivstation, ein weiterer wurde getötet. 20 NGOs mussten ihre Hilfe in Folge der Angriffe einstellen.

"Medico" spricht davon, dass jedes einzelne ihrer Projekte in der Region betroffen ist - darunter Rehabilitationszentrum für Jugendliche oder ein Frauenzentrum.

AFP

Katastrophale Zustände

"Wir sind in stetigem Austausch mit unseren Partnern in Idlib. Die Eskalation der Gewalt ist besorgniserregend für die Zivilbevölkerung aber auch die humanitären Organisationen", sagte Heinz Wegerer, Nothilfekoordinator vom "Hilfswerk International". "Die Menschen in Idlib, aber auch die neu Vertriebenen brauchen jetzt dringend Zelte, Nahrungsmittel, Babynahrung und Trinkwasser", berichtet Wegerer.

Anhaltende Militäroffensive

In Wien hatten die Grünen anlässlich der Angriffe zu einer Pressekonferenz geladen. Via Video war Nesrin Abdulla von der kurdischen Miliz YPJ zugeschalten. Sie berichtete von Verschleppungen und Vergewaltigungen von Frauen in der Region in Syrien.

Das türkische Militär hat seit 2016 mehrere Militäroffensiven in Nordsyrien durchgeführt, die sich hauptsächlich gegen die kurdischen Milizen YPG und YPJ richteten - und hält im Nachbarland Grenzregionen besetzt. In Europa und den USA ist nur die PKK als Terrororganisation gelistet. Die von Kurdenmilizen angeführten SDF sind in Syrien im Kampf gegen islamistische Terroristen wie den "Islamischen Staat" ein enger Verbündeter der USA.

ribbon Zusammenfassung
  • Bundeskanzler Nehammer besucht am Dienstag den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan.
  • Währenddessen bombardiert die Türkei Nordsyrien und zwingt damit Menschen zur Flucht, so die Grünen.
  • Auch Hilfsorganisationen beklagen die katastrophalen Zustände in der Region.
  • "Wir müssen in Österreich, in Europa als Weltgemeinschaft eine sofortige Einstellung der Angriffe seitens der Türkei fordern", sagte die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic.
  • Seit dem Anschlag der PKK in Istanbul am 2. Oktober bombardiert die Türkei wahllos die Region in Nordsyrien, so die Hilfsorganisation.