AFP

Getreide, Waffen, Wahlen - Kiew als Spielball für Polens Konservative

Polen will selbst aufrüsten und der Ukraine keine Waffen mehr liefern. Es folgt internationale Verwunderung, dann spricht Polens Präsident von einem Missverständnis. Polens PiS-Partei geht es dabei um Ablenkung vom Visa-Skandal und den Stimmen bei der bevorstehenden Wahl im Land.

Bei der UNO-Generalversammlung am Mittwoch machte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine Ansage: Das "politische Theater" rund um die Getreide-Importe aus der Ukraine würde nur Russland zugutekommen.

Daraufhin kündigte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki an, keine Waffen mehr an das Nachbarland Ukraine liefern zu wollen. Er ist Teil der PiS-Partei (Prawo i Sprawiedliwość, übersetzt "Recht und Gerechtigkeit"). Der raue Ton zwischen Kiew und Warschau ließ Beobachter aufhorchen, eigentlich gilt Polen als einer der größten Unterstützer der Ukraine. Seit Kriegsbeginn hat das Nachbarland mehr als eine Million geflüchtete Ukrainer und Ukrainerinnen aufgenommen. 

Am Donnerstagabend sprach Polens Präsident Andrzej Duda (parteilos) von einem Missverständnis. Morawieckis Aussagen seien auf "die denkbar schlechteste Weise interpretiert". Polen wolle sich selbst mit modernen Waffen ausrüsten, diese könnten daher nicht an die Ukraine weitergegeben werden. Polens Konservative betreiben mit der Episode Wahlkampf auf der Weltbühne. 

Ukraine-Kritik von Rechts

Die Landwirtschaft ist für Polen ein wichtiger Sektor, am vergangenen Freitag hatte die EU-Kommission die Handelseinschränkungen für ukrainisches Getreide beendet. Osteuropäische Länder wie Polen, Ungarn oder auch die Slowakei fürchten Preisverfall, wegen des zusätzlichen Getreides aus der Ukraine über den Landweg. Die Slowakei hat mittlerweile ihren Import-Stopp für ukrainisches Getreide beendet. 

Der polnische Diplomat Piotr Lukasiewicz erklärt gegenüber der BBC, dass es weder um Getreide, noch um Waffen gehe. Es gehe um die Meinungen der Wählerschaft. In Polen wird das Narrativ konstruiert, dass Kiew nicht dankbar genug sei und dass die Ukrainer:innen zu viel finanzielle Unterstützung und Sozialhilfe bekommen.

Die PiS-Partei steht aktuell unter Druck: In Polen wird am 15. Oktober gewählt, die nationalkonservative Partei sieht sich mit Vorwürfen zu Visa-Verkauf konfrontiert. Polnische Konsulate sollen massenweise illegal Arbeitsvisa an Menschen aus afrikanischen und asiatischen Länder ausgestellt haben. Außerdem veröffentlichte die Partei einen geheimen Militärplan, um die polnische Opposition anzuschwärzen. 

AFP

Kritik an Selenskyj aus Tschechien

Auch Tschechien versuchte Polens Ansage zu beschwichtigen, es handle sich um ein Missverständnis, so dessen Präsident Petr Pavel. "Irgendeine stärkere Aussage muss man nicht unbedingt buchstäblich nehmen", im Rahmen der UNO-Hauptversammlung in New York. Aber auch hier scheint man sich nicht einig zu sein: Am Freitag schoss die Verteidigungsministerin Jana Černochová nach, der ukrainische Präsident Selenskyj habe Polen beleidigt.

"Und um die Sache noch schlimmer zu machen, reichte die Ukraine am Dienstag bei der WTO (Welthandelsorganisation) auch noch eine Klage gegen Polen, die Slowakei und Ungarn wegen Getreides ein (...) Die ersten beiden Länder stehen im Wahlfinale und es wird schwierig sein, ihren Bürgern zu erklären, dass sie seit eineinhalb Jahren wirklich intensiv einem Land helfen, das gegen ihr Land - etwa 2-3 Wochen vor ultra-wichtigen Wahlen - eine Beschwerde einreicht", schrieb Černochová weiter.

Die Ministerin forderte, die Streitigkeiten am Verhandlungstisch beizulegen. "Entschuldigung machen und annehmen, durchatmen und weitermachen. Es muss bald passieren. Und ich bitte alle Parteien sehr, sehr darum. Wenn das nicht geschieht, verlieren wir alle", warnte die tschechische Verteidigungsministerin.

Ukraine bangt um Unterstützung

Beobachter wie der Bundesheer-Major Albin Rentenberger sehen die Ukraine nun unter Druck: Die Unterstützung des Westens scheint angekratzt. Ohne dessen Hilfe könne der Krieg nicht weitergeführt werden. Anfang September hat Europa die USA in puncto Unterstützungsleistungen an die Ukraine überholt.

Währenddessen wächst auch bei Amerikas Konservativen, den Republikanern, der Unmut über die Unterstützung für Kiew und die fehlende Exit-Strategie aus dem Krieg in Europa.

ribbon Zusammenfassung
  • Polen will selbst aufrüsten und der Ukraine keine Waffen mehr liefern.
  • Das sorgt International für Verwunderung, so gilt Polen doch als einer der größten Unterstützer Kiews.
  • In Polen wird am 15. Oktober gewählt, auf internationalem Parkett wollen die Konservativen um die Stimmen der Bauern und der Kritiker der Ukraine-Unterstützung werben.
  • Diese Müdigkeit über die Ukraine-Hilfe zeichnet sich auch bei den Konservativen der USA und Tschechien ab.