Gemeinderat fixierte vorgezogene Wien-Wahl
Am Vormittag hatte es zunächst danach ausgesehen, dass keine Einhelligkeit erzielt werden kann. Denn der ursprüngliche SPÖ-NEOS-Antrag hatte mögliche negative Auswirkungen einer möglichen blau-schwarzen Koalition im Bund enthalten. ÖVP und FPÖ drohten daraufhin mit Ablehnung. Schließlich einigte man sich auf einen schlicht gehaltenen Allparteienantrag.
Beschlossen wurde, den Gemeinderat vor Ablauf der Wahlperiode aufzulösen - wobei die Auflösung nicht sofort wirksam wird, denn die regulären Sitzungen von Gemeinderat und Landtag sollen bis zur Wahl wie geplant stattfinden. Und nicht nur das: Die Koalition hat angedeutet, dass auch Sondersitzungen angesetzt werden könnten, um noch ausstehende Vorhaben zu beschließen.
Entschieden wird in Wien am 27. April über die Zusammensetzung eines neuen Landtags bzw. Gemeinderats. Zudem wird über die Bezirksvertretungen abgestimmt. Die SPÖ unter Parteichef und Bürgermeister Michael Ludwig regiert nun seit mehr als vier Jahren mit den NEOS. Deren Chef Christoph Wiederkehr ist Vizebürgermeister sowie Stadtrat für Bildung, Integration und Jugend.
Debatte mit Wahlkampftönen
Die Debatte zum Antrag war bereits von Wahlkampftönen geprägt. Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp zeigte sich etwa überzeugt davon, dass das Vorgehen Ludwigs dazu beigetragen habe, dass das Vertrauen in die Politik weiter zurückgehe. Denn er habe noch unmittelbar vor Verkündung der Neuwahl versichert, dass es eine solche nicht geben werde. "Wir haben das aber schon kommen sehen", versicherte Nepp. Er bezweifelte allerdings, dass der Vorstoß mit einer möglichen blau-schwarzen Bundesregierung zusammenhänge.
Denn kolportierte Maßnahmen wie die Kürzung bei den Pensionen auf Bundesebene hätten sich bereits als falsch herausgestellt. Der wahre Grund sei, so Nepp: "Sie wissen genau, dass wir im Juni den Rechnungsabschluss diskutieren." Ludwig habe noch zuvor wählen wollen, weil davon auszugehen sei, dass die "desolate Budgetsituation" bekannt werde, vermutete der FPÖ-Chef.
NEOS-Klubchefin Bettina Emmerling drückte zunächst ihre Freude über den gemeinsamen Antrag aus. Alle hätten offenbar Interesse, einen kurzen Wahlkampf durchzuführen. Sie hoffe, dass dieser auch fair werde. Es zeichne sich eine Koalition im Bund ab, die Wien auch schädigen möchte, warnte Emmerling. Eine liberale Stadt, die humanistische Werte hochhalte, sei für rechte Parteien die größte Feindin.
Die ersten Vorboten sehe man bereits - wobei sie Nepps Bezeichnung des "Standard" als "Scheißblatt" bzw. die Ankündigung der Einstellung der Presseförderung erwähnte. "Das lässt mich wirklich erschaudern." Die Arbeit der Koalition in Wien hätte hingegen viele Maßnahmen und Projekte auf den Weg gebracht. Man werde auch noch welche umsetzen, hob Emmerling hervor.
Grünen-Chefin Judith Pühringer warnte ebenfalls vor einer blauen Regierungsbeteiligung und einem Kanzler Herbert Kickl. "Die ÖVP lädt gerade historische Schuld auf sich", zeigte sie sich überzeugt. Das gelte auch für den Wiener Obmann Karl Mahrer: "Sie haben alle Wahlversprechen gebrochen." Das sei verantwortungslos und beschämend. Man höre jeden Tag von neuen Kürzungsplänen im Bund, der Klimaschutz werde "mit Häme" reduziert. Die Menschen würden sich Sorgen machen, ließ Pühringer wissen.
Nach Stabilität fühle sich diese Auflösung des Gemeinderats aber auch nicht an, befand Pühringer. Die NEOS hätten im Bund den Sturm entfacht und wollten Wien nun sturmfest machen, zeigte sie sich verwundert: "Sie sind vom Verhandlungstisch aufgestanden." In Wien vermisse sie Reformen, etwa in der Bildung. "Ich bin mir sicher, der Frühling in Wien wird besonders grün", übte sie sich in Zuversicht.
Neuwahl-Kommunikation "grobes Foul"
Der Landesparteiobmann der Wiener ÖVP, Karl Mahrer, wertete den gemeinsamen Antrag ebenfalls als "gutes Zeichen". Zugleich kritisierte er aber das Vorgehen der Roten bei der Neuwahlverkündung. Die SPÖ betreibe in Wien Politik nach "Gutsherrenart". Die Art und Weise der Kommunikation der Neuwahlen sei ein "grobes Foul" gewesen. Der Schritt sei gesetzt worden, weil man sich politische Vorteile verspreche, kritisierte Mahrer. Die SPÖ wolle Tatsachen schaffen, bevor man durch Bundesparteichef Andreas Babler und dessen Genossen "in den Abgrund" gerissen werde.
Die SPÖ sei für das Chaos im Bund verantwortlich, ließ Mahrer wissen. Babler habe in den Koalitionsverhandlungen "absurde Steuerforderungen" erhoben, seine Verhandlungsführung sei sturköpfig und verhaltensauffällig gewesen. Nun setze man auf ein "billiges Manöver" samt Ablenkung auf Bundesthemen. Dabei gebe es das Drohszenario, die FPÖ-ÖVP-Bundesregierung, noch gar nicht. In Wien stelle sich dabei nun etwa die Frage, wie man das Rekorddefizit in den Griff bekomme.
Koalition will weiterarbeiten
"Ja, es ist ein starkes Zeichen der Demokratie, dass wir einen gemeinsamen Neuwahlantrag formuliert haben", konstatierte auch SPÖ-Klubobmann Josef Taucher. Er hielt fest, dass es eine "urban legend" sei, dass nun Stillstand drohe. Es werde weiter gearbeitet, beteuerte Taucher. Man habe noch viel vor und wolle noch viel umsetzen - und habe das auch schon getan: "So viel ist noch nie in dieser Stadt passiert, das ist die Handschrift der Fortschrittskoalition."
Nun drohe hingegen "massiver Unbill." Man merke bereits, wie die "Grausligkeiten" auf Wien zurollen würden, stellte Taucher fest. Im Bund drohe eine Politik für Millionäre. Für die Bevölkerung würden etwa Reisepass, Zulassungsschein, das Heizen, der Strom und die Krankenkassenbeiträge für Pensionisten teurer. "Das ist eure Politik." Die selbst ernannte Wirtschaftspartei ÖVP könne nicht wirtschaften, wie man am Defizit im Bund sehe, sagte Taucher: "Ihr habt's den Staat ruiniert und ausgesackelt."
Zusammenfassung
- Der Wiener Gemeinderat hat die Wien-Wahl auf den 27. April vorverlegt, um den Bürgern einen langen Wahlkampf zu ersparen.
- Ein gemeinsamer Antrag aller Parteien wurde beschlossen, nachdem zunächst Uneinigkeit über die Formulierungen bestand.
- Die Debatte war von Wahlkampftönen geprägt, wobei FPÖ-Chef Dominik Nepp das Vorgehen der SPÖ kritisierte.
- NEOS-Klubchefin Bettina Emmerling äußerte Bedenken über eine mögliche blaue Koalition im Bund, während Grünen-Chefin Judith Pühringer ebenfalls warnte.
- ÖVP-Obmann Karl Mahrer kritisierte die Kommunikation der Neuwahl als politisches Manöver und warf der SPÖ vor, Tatsachen schaffen zu wollen.